Bildquelle: Asanka Schneider - Sport-90.de (Bild bearbeitet)
Union Berlin kaum zu stoppen – Die Magier an der Wuhle bauen das Fundament
Die Erfolgsgeschichte des 1. FC Union Berlin geht immer weiter. Kaum ein Experte hätte dem Kult-Klub aus Berlins Südosten nach dem erstmaligen Bundesliga-Aufstieg vor über 4 Jahren diese Entwicklung zugetraut. Und auch in Köpenick reibt man sich Woche für Woche die Augen, wie erfolgreich sich die Eisernen auf und neben dem Platz präsentieren.
Zugegeben, der Fußball, den Trainer Urs Fischer spielen lässt, ist nichts für Feinschmecker! Kaum ein Zauberfuß, der mit raffinierten Tricks brilliert oder die Fans mit Kabinettstückchen mit der Zunge schnalzen lässt – dafür harte und ehrliche Arbeit. Typisch Arbeiterklub eben!
Kann der Ruhnert was?
Als Helmut Schulte im Spätsommer 2018 als Leiter Lizenzbereich bei Union Berlin entlassen wurde, schlug der Klub mit der Beförderung von Oliver Ruhnert, der zuvor als Chefscout bei den Eisernen sein Adlerauge unter Beweis stellte, ein neues Kapitel auf. Während sich die meisten Union-Anhänger fragten, wer denn der damals 46-jährige sei, wusste man im Klub selbst, wen man auf den Posten des Geschäftsführer Profifußball setzte.
Was Dirk Zingler und Co allerdings nicht ahnten: Oliver Ruhnert sollte in den nächsten Jahren zusammen mit seinem Team den Klub mannschaftstechnisch auf links drehen. Der Erfolg gab und gibt ihnen noch heute recht. Verantwortlich für die Kaderplanung, der Lizenzspielerabteilung und für das Scouting zeigte, aus welchem Holz der heute 51-jährige Sauerländer geschnitzt ist.
Urs Fischer wird Trainer des FCU! – Urs wer?
Nur 1 ½ Monate nach seiner Beförderung holte er in seiner neuen Funktion einen gewissen Urs Fischer als Trainer zu den Eisernen. Und auch hier fragten sich viele: Urs wer? Schweizer Dialekt, hat mit dem FC Basel große Erfolge gefeiert und steht nun beim FCU unter Vertrag. Argwöhnisch hatten einige seine Vorstellung beobachtet, nicht wissend, was man vom Schweizer zu halten habe.
Zingler, Ruhnert und Co hatten allerdings eine klare Vorstellung, wie der neue Trainer ticken soll. Mit seiner Akribie, Zuverlässigkeit, dem Verständnis von harter Arbeit und zugleich schnörkellos spielen zu lassen, hat man sich in die Beletage des deutschen Fußballs katapultiert.
Dirk Zinglers Vision ging auf
Gleich in der ersten Saison mit Fischer an der Seitenlinie gelang man über die Relegation gegen den VfB Stuttgart zum großen Erfolg: Aufstieg in die Bundesliga! Und es war nicht nur Fischer, der als Baumeister des Erfolgs galt, sondern eben auch jener Oliver Ruhnert, der einst die Knappenschmiede des FC Schalke 04 leitete.
Was einige Union-Fans als Ausflug in die deutsche höchste Spielklasse empfanden, sahen die führenden Köpfe beim FCU etwas anders. Kein Wunder, so war es doch Dirk Zingler, der sich nach dem „Umbruchjahr“ 2014/2015 deutlich positionierte. „Auf Dauer kann es nicht unser Anspruch sein, im Niemandsland der Tabelle zu landen. Wir wollen zu den Top 20 in Deutschland gehören. Diesen Prozess leiten wir ein, ohne verrückte Dinge zu tun.“ sagte er einst gegenüber den Medien. Für diese Aussage wurde Zingler zu jener Zeit von vielen belächelt.
Union Berlin macht keine „verrückten“ Dinge
Damals belächelt und heute rosige Realität. Der Verein hat es geschafft und sich in der Bundesliga etabliert. Bereits zum zweiten Mal in Folge spielt der Klub europäisch. Zunächst in der neugeschaffenen UEFA Europa Conference League und in dieser Spielzeit steht man in der Zwischenrunde der Europa League, wo man auf Ajax Amsterdam trifft.
Der Union-Boss sollte mit seiner Vision also recht behalten. Fakt ist auch, dass viele Räder ineinandergreifen und ebenso viele Mitarbeiter an der Entwicklung mitgearbeitet haben und es noch immer tun. Auf eines kann man sich auch heute aktueller denn je berufen: man hat eben keine „verrückten Dinge“ gemacht, um genau diesen Erfolg zu feiern zu können.
No Isco – No Disco! – Union Berlin bleibt sich treu
Auch als der einstige Real-Star Isco in diesem Winter An der Alten Försterei gehandelt wurde, blieb man seinem Credo treu. Die vertraglichen Inhalte haben, auch nach erfolgreichem Medizincheck Iscos, nicht zum Verein gepasst. Man arbeitet ruhig und besonnen an der Wuhle. Die Forderungen des Isco-Lagers haben Union Berlin nicht dazu verleiten lassen, irgendwas Verrücktes zu machen, was am Ende den Verein eventuell in Schwierigkeiten gebracht hätte, auch wenn die Folgen erst viel später sichtbar geworden wären.
Oliver Ruhnert und gleichzeitig der Klub bewahrten Haltung, indem man eben nicht auf irgendwelche nachgeschobenen Forderungen einging. In Köpenick bleibt man ruhig, auch wenn das mediale Interesse und der daraus resultierende Druck einer Verpflichtung, worauf die Isco-Berater wohl hofften, hoch war. Hier blieb man sich also treu. Chapeau!
Klub kaum aus der Spur zu bringen
Die Erfolgsgeschichte scheint kaum ein Ende zu nehmen. Zwischenzeitlich war man sogar zwischen dem 6. Spieltag und dem 12. Spieltag Tabellenführer. Wer hatte das eigentlich zu träumen gewagt? Keiner, schon gar nicht Urs Fischer, der nicht müde wird zu betonen, dass es eine Momentaufnahme sei. Ihn interessiert die Tabelle nach dem 34. Spieltag! Bodenständig ist man in Köpenick geblieben.
Kein Wunder, denn eine kleine sportliche Delle mussten die Mannen von Trainer Urs Fischer kurz vor der Mega-XXL-Winterpause hinnehmen. Die 0:5-Klatsche gegen Bayer Leverkusen oder auch die deftige 1:4-Pleite beim SC Freiburg sorgten nicht dafür, dass die Mannschaft einbricht. Zugeben muss man allerdings auch, dass die vielen englischen Wochen ihren Tribut forderten. Die extrem lange Winterpause kam für Eisern Union zum richtigen Zeitpunkt.
Einfach ehrlicher Fußball in Köpenick
Die heftigen Niederlagen brachten Union Berlin nicht aus der Spur. Man startete einfach eine neue Serie an Siegen. So ist der Klub im Jahr 2023 bisher unbesiegt. Am vergangenen Samstag konnte man nach dem 2:1-Erfolg über den 1. FSV Mainz 05 die zwischenzeitliche Tabellenführung übernehmen. Und dennoch: das Ziel von 40 Punkten schwebt über alles.
Auch wenn Außenstehende diesen Spruch bzw. dieses Ziel als abgedroschen empfinden, so hält man in Köpenick weiterhin an seinen Zielen fest. Ganz oben steht der Klassenerhalt und alles andere ist Bonus. Dass man aktuell Zweiter ist, hat einzig damit etwas zu tun, dass Fußball An der Alten Försterei gearbeitet wird. Für Schönspielereien ist das Team nicht gemacht, auch wenn Sven Michel und Kevin Behrens im April 2022 mit ihrem Tor des Monats auswärts bei der Leipziger Filiale eines Brauseunternehmens, welches seinen Hauptsitz am Fuschlsee innehat, für einen mehr als sehenswerten Treffer sorgten. Dies ist jedoch die Ausnahme, worüber auch wirklich niemand sauer ist, dass eben nicht mit Hacke, Spitze, ein, zwei, drei gespielt wird.
Urs Fischer Beim FC Basel geschasst – Bei Union Berlin vergöttert
Urs Fischer ist für den 1. FC Union Berlin ein kompletter Glücksfall. Beim FC Basel wollte man ihn nicht, obwohl er zweimal die Meisterschaft holte und auch noch Schweizer Cupsieger wurde. Seine Art, Fußball spielen zu lassen, sei nicht spektakulär. Damit muss man den Eidgenossen recht geben, allerdings gesteht man sich in Basel mittlerweile auch ein, Fischer gehen zu lassen, seinen Vertrag nicht zu verlängern, war der größte Fehler in der jüngsten Vereinshistorie.
Oft genug warf man dem Fußballlehrer vor, dass er lediglich auf Sicherheit bedacht ist. Das stimmt in Teilen auch, aber der Erfolg gibt ihm am Ende recht. So gesehen beim 1. FC Union Berlin, was man in Basel mit einem weinenden Auge verfolgen dürfte. In Deutschland wird Unions Fußball regelmäßig als einfacher und nicht schöner Spielstil aufgefasst. Dem Klub kann es egal sein, denn die Tabelle ist aussagekräftig genug.
Alte Försterei eine wahre Festung
Fischers Spielsystem ist einfach, aber brutal schwer zu knacken. Im Grunde weiß jeder Klub, was einen gegen Union Berlin erwartet. Zu schlagen ist das System dennoch kaum. Zuhause ist man sogar seit 15 Ligaspielen ungeschlagen. Die letzte Heimniederlage datiert vom 13. Februar 2022 (0:3 gegen den BVB). Die Festung Alte Försterei ist nur schwer einzunehmen – die Fans eine Familie, die wirklich rein gar nichts auf ihre Mannschaft kommen lässt. Und das spürt man auch im Stadion. Bedingungsloser Rück- und Zusammenhalt untereinander und mit dem Team!
Interessant ist auch, dass es eine neue Entwicklung zu beobachten gibt. Geriet der FCU in der Vergangenheit in Rückstand, war es oftmals kaum möglich, das Spiel zu drehen. Daran hat man anscheinend gearbeitet, denn in den letzten Wochen drehte das Team einen Rückstand gegen die TSG Hoffenheim, Werder Bremen und gegen den VfL Wolfsburg im DFB-Pokal.
Union Berlin lernt, Spiele zu drehen
Genau das macht eine Spitzenmannschaft aus, auch wenn man es in Köpenick nicht hören möchte. Die Macher an der Wuhle wurden ja nicht mit dem Klammerbeutel gepudert, denn sie wissen sehr genau, welche Erfolge sie mit ihrer Art des Fußballspielens einfahren. Und auch neben dem Platz wird exzellent gearbeitet. Ruhnert und Co verstehen es immer wieder, Abgänge zu kompensieren.
Der Wechsel von Julian Ryerson zu Borussia Dortmund dürfte dem einen oder anderen Unioner den Tag vermiest haben. Aber Union Berlin wäre nicht Union Berlin, wenn sie Dinge auf dem Transfermarkt veranstalten, mit denen man eigentlich nicht gerechnet habe. Man zaubert einen gewissen Josip Juranovic aus dem Hut, der bei seinem Debüt prompt mit einer Torvorlage glänzte.
Ruhnert greift ins obere Regal
Viel wichtiger noch: Im Vergleich zu Ryerson ist Juranovic noch ein Level höher anzusetzen als sein Vorgänger. Schaut man sich genau an, wen sich die Unioner ins Boot geholt haben, dann kann einem schwindlig werden. Juranovic war für Kroatien bei der WM dabei und gehörte zu den absoluten Stammspielern. Man kann schon davon sprechen, dass Ruhnert für Union-Verhältnisse ins obere Regal griff.
Gleiches kann man auch über den tunesischen Nationalspieler Aïssa Laïdouni behaupten, der ebenfalls in Katar für sein Land dabei war. Wer seinen feinen Außenristpass kurz nach seiner Einwechslung gegen Mainz 05 sah, der kann erahnen, wie viel Spaß der Junge zukünftig machen könnte. Natürlich haben solche Transfers auch eine Schattenseite aus sentimentaler Sicht. Spieler, die einige Zeit in Köpenick unter Vertrag standen, verlassen den Klub.
Erfolg muss man sich erarbeiten – Durststrecke ist möglich
Union Berlin ist jedoch gezwungen, Leistungsträger gehen zu lassen. Die dicken Gehälter kann der Verein nicht zahlen, die von anderen Top-Klubs geboten werden. Kein Wunder also, dass der Magier Ruhnert halt erneut in die Trickkiste greifen muss. Das klappt bisher ganz gut.
Sicherlich ist man auch beim FCU nicht so naiv, als dass man vergessen könnte, dass die Erfolgswelle irgendwann abebben könnte. Genau jenes Szenario hat man im Hinterkopf. Man ist ganz weit weg zu denken, dass der Honig stets und ständig durch die Wuhle fließt. Dessen ist man sich sehr wohl bewusst und auch der Eiserne Anhang weiß den anhaltenden Erfolg in der Mehrheit realistisch einzustufen.
Mit geringen Mitteln zum Erfolg
Doch aktuell scheint es keinen Stopp in der Entwicklung des Vereins zu geben. Man steht auf einem direkten Champions-League-Platz, im DFB-Pokal befindet sich der Klub erneut im Viertelfinale und in der Europa League sieht man sich dem Traditionsklub Ajax Amsterdam gegenüber. Hätte einer vor 10 Jahren gesagt, man würde die Bundesliga irgendwann aufmischen und Ajax Amsterdam in einem internationalen Wettbewerb An der Alten Försterei begrüßen dürfen, der wäre wahrscheinlich als verrückt erklärt worden.
Verrückt ist diese Entwicklung auf jeden Fall, denn mit einfachsten Mitteln gelingt es Manager Ruhnert und Co, das Beste aus dem Klub und seiner Mannschaft herauszuholen. Während andere Vereine teils mit irrwitzigen Millionenbeträgen jonglieren und dennoch nur gegen den Abstieg spielen (Fingerzeig in Richtung Charlottenburg zum Stadtrivalen Hertha BSC), holt Union Berlin mit ihren geringeren Mitteln das Optimum heraus.
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