Bildquelle: ae! from arlington, USA [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Owen Hart – mehr als nur eine Tragödie
Gleichwohl fast alle Brüder von Bret Hart, wie er aktive Wrestler wurden, war Owen Hart der wohl mit Abstand bekannteste von ihnen (neben Bret). Das liegt nicht nur an seinem langen Run in der WWF und seiner prominenten Fehde mit Bret Hart. Leider hat auch sein frühes Ableben im Alter von 34 Jahren, herbeigeführt durch einen tragisch fehlgeschlagenen Stunt bei der WWF-Veranstaltung “Over The Edge“, großen Anteil an seiner Bekanntheit. Hart stürzte aus 24 Metern Höhe in den Ring und erlag kurz darauf seinen schweren Verletzungen.
Entsprechend der Tragik seines frühen Todes wird dieser Unfall häufig das Erste sein, was vielen Fans in den Sinn kommt, wenn sie von Owen Hart hören. Doch wäre es falsch, Owen Hart und seine Bedeutung als Wrestler auf seinen Unfalltod zu reduzieren. Denn wie sein Bruder Bret war auch Owen ein sensationeller In-Ring Performer, der sich vor allem als starker High-Flyer und Techniker hervortat.
Ins Wrestling hineingeboren
Wie alle Sprösse der Hart Familie, von denen Owen Hart der Jüngste war, wurde er ins Familiengeschäft hineingeboren. Und das war nichts Anderes als Wrestling. Wie auch Bret Hart verdiente sich Owen seine ersten Sporen bei der Stampede Wrestling Promotion seines Vaters, Stu Hart. Überdies tourte er auch schon früh nach England, wo er ebenfalls unter unterschiedlichen Masken und Bezeichnungen als Wrestler auftrat.
Dabei war Wrestling nicht unbedingt die erste Wahl für Owen Hart. Zwar war sein Talent unbestritten, jedoch schaute er sich immer wieder auch nach Gelegenheiten außerhalb des Wrestlings um, um Geld zu verdienen. Ferner sollte Hart sich später dadurch hervortun, wesentlich weniger Geld als seine Kollegen auszugeben, wenn er auf Tour war. Wohl, weil er sich früh zur Ruhe setzen wollte. Jedoch wäre man fehlgeleitet, anzunehmen, dass Owen Hart ein knausriger, biederer Zeitgenosse gewesen wäre. Im Gegenteil! Hart war bei seinen Kollegen stets wohlgelitten und insbesondere für seine Streiche bekannt, vor denen niemand in Sicherheit war. Bis heute noch hat fast jeder ehemalige Weggefährte von Owen Hart eine Vielzahl von Anekdoten parat, über Streiche, die Owen ihnen oder einem Kollegen gespielt hat.
Internationale Erfolge und erster WWF Run
Die ersten größeren Schritte hinaus in die Wrestling-Welt sollten sogleich recht erfolgreich für Hart werden. So unternahm er 1987 mehrere Touren nach Japan, wo er für New Japan Wrestling arbeitete und dort gar als erster Ausländer den IWGP Junior Heavyweight Titel erobern konnte. Dabei teilte er den Ring mit mehreren Japanern, die selber später zu großem Ruhm im japanischen Wrestling kommen sollten (Hiroshi Hase, Jushin “Thunder“ Liger).
Im Sommer 1988 bekam Owen hart einen Vertrag mit der WWF, wo sein Bruder Bret Hart bereits in der Tag Team Division in Form der Hart Foundation (neben seinem Schwager Jim Neidhart) erfolgreich war. Doch zunächst wurde keine offensichtliche Verbindung zwischen den beiden Brüdern dargestellt, da Owen Hart als der “Blue Blazer“ auftrat. Ein Maskenmann Gimmick, das er später wieder aufgreifen würde. Während seines ersten Runs in der WWF war Owen Hart alias Blue Blazer nur mäßig erfolgreich. Zwar war sein sehenswerter In-Ring Stil eine Erfrischung des damals von Muskelmännern dominierten WWF-Programms. Doch konnte Hart sich nur gegen einige Jobber durchsetzen. Über die Midcard kam er nicht hinaus.
Rückkehr als Owen Hart
Etwa ein Jahr später kehrt Owen Hart der WWF den Rücken, um sich international weiterzuentwickeln. Dazu kehrte er zwischenzeitlich zur kanadischen Stampede Wrestling Promotion seines Vaters zurück, ging noch einmal nach Japan, zur CWA nach Deutschland und nach Mexiko, wo er sowohl als er selbst als auch als Blue Blazer auftrat. Das Blue Blazer Gimmick wurde jedoch für mehrere Jahre eingemottet, nachdem er in Mexiko ein “Maske gegen Maske“ Match gegen El Canek verloren hatte. Eine Match-Art, bei der der unterlegene Wrestler seine Maske ablegen muss. Etwas, was im mexikanischen Lucha Libre Wrestling durchaus viel Gewicht hat und meist als Höhepunkt einer Fehde gebucht wird. Auch ein kurzer RUN in der WCW (1991) kam zustande, hielt jedoch nicht viel für Owen Hart bereit.
So kehrte er noch 1991 zur WWF zurück, wo er nun unter seinem echten Namen antrat und seine Verbindung zu Bret Hart offensichtlich wurde. Zunächst wurde Owen Hart in der Tag Team Division gebucht, wo er es Zeit seiner Karriere auf immerhin vier Titel mit unterschiedlichen Partnern bringen sollte. Zunächst wurde er an der Seite von Neidhart als New Hart Foundation eingesetzt, da Bret Hart mittlerweile im Singles-Bereich aktiv war. Allerdings verließ Neidhart kurz darauf die WWF, wodurch das Tag Team nicht lange Bestand hatte. Auch das Team “High Energy“, welches Owen Hart mit Koko B. Ware formte, erwies sich als kurzlebig.
Die Bruderfehde
Auch wenn Owen Hart noch zu reichlich Gold in der Tag Team Division kommen sollte, so ergab sich sein Durchbruch im Singles Bereich. Bei den Survivor Series 1993 traten die Hart Brüder (Bret, Owen, Bruce und Keith) gegen Shawn Michaels und drei maskierte Gegner an. Durch einen unglücklichen Zusammenstoß mit seinem Bruder Bret schied Owen aus dem Match aus. Dies erboste ihn so sehr, dass er nicht einmal die Freude über den Sieg teilen wollte, den die Harts dennoch erstreiten konnten. In der Folgezeit zeigte er einen Groll gegen seinen mittlerweile sehr erfolgreichen Bruder Bret Hart, in dessen Schatten er sich wähnte. Mitunter forderte er ihn offen heraus. Bret Hart wollte jedoch nicht gegen seinen Bruder kämpfen.
Um die Wogen zu glätten, trat Bret Hart mehrmals im Tag Team mit Owen Hart auf, was die beiden schließlich zu einem Titelmatch gegen die Quebecers führte. In diesem Match erlitt Bret Hart eine “Verletzung“ am Knie, die im Match-Abbruch resultierte. Dabei brannten Owen Hart alle Sicherungen durch und er griff seinen Bruder im Ring an, da dieser ihn laut seiner Auffassung nicht rechtzeitig eingewechselt hatte. Damit war eine Bruderfehde in Gang gesetzt, die Owen Hart in die Nähe des Main Events bringen sollte und die sich über ganze zwei Jahre erstreckte.
Gleich zwei Klassiker
Das erste Highlight war das Eröffnungsmatch bei WrestleMania 10, wo Owen Hart Bret Hart tatsächlich sauber besiegen konnte. Ein sehr technisches Match, das bis heute noch als eines der besten Eröffnungsmatches in der Geschichte von WrestleMania gilt! Jedoch sollte der Sieg einen bitteren Nachgeschmack bekommen. Denn Bret Hart stand auch im Main Event dieser WrestleMania 10, wo er Yokozuna um den WWF-Titel besiegen konnte. Ein umso verbitterterer Owen Hart blickte von der Rampe, als Bret Hart im Ring gefeiert wurde.
Das nächste Highlight der Fehde war ein Käfigmatch beim SummerSlam 1994, welches Bret Hart knapp gewinnen konnte. Auch dieses gilt heute als ein absoluter Klassiker! In der Zwischenzeit konnte Owen Hart das King of the Ring Turnier gewinnen, womit er quasi in den Spuren seines verhassten Bruders wandelte, der dieses Turnier zuvor ebenfalls gewonnen hatte. Später kam es noch zu einem Lumberjack Match zwischen Bret und Owen, wo Owen beinahe den WWF-Titel gewonnen hätte. Der scheinbare Erfolg wurde ihm jedoch aberkannt, nachdem zu seinen Gunsten ins Match eingegriffen worden war, sodass Bret Hart das daraufhin fortgeführte Match noch gewinnen konnte. Owen Hart revanchierte sich jedoch anderweitig, indem er Bret Hart anschließend gleich zweifach den Titel kostete. Einmal gegen Bob Backlund, wo er die Mutter (Helen Hart) emotional manipulieren konnte, das Handtuch zu werfen. Dies resultierte im Titelverlust von Bret Hart. Als Bret Hart den Titel gegen Diesel zurückerobern wollte, griff Owen in das Match ein, wodurch es abgebrochen wurde. Erst als Bret Hart seinen eifersüchtigen Bruder deutlich besiegen konnte, endete die Fehde stillschweigend – wenn auch nicht offiziell.
Erfolge als Tag Team Wrestler und Wiedervereinigung
Anschließend feierte Owen Hart Erfolge als Tag Team Wrestler. Zusammen mit Yokozuna konnte er sich zweimal die Titel sichern. Anschließend tat sich Owen Hart mit seinem Schwager, dem British Bulldog, zusammen, was abermals zu Tag Team Gold führte. Jedoch erwies sich das Team als zunehmend zerstritten, als beide im Finale um die neu geformte WWF European Championship aufeinandertrafen, wo sich der Bulldog durchsetzen konnte. Kurz darauf eskalierte der Streit zwischen den beiden amtierenden Tag Team Champions.
Als diese beiden in einem Match (1997) aufeinandertrafen und kurz davor waren, einander mit Stühlen zu malträtieren, eilte jedoch plötzlich der kurz zuvor zum Heel gewandelte Bret Hart zum Ring, ging dazwischen und hielt eine emotionale Ansprache über Familienbande und dass er ihre Hilfe bräuchte. Ein sichtbar gerührter Owen Hart sowie der Bulldog willigten ein und eine Gruppenumarmung, ironisch begleitet vom Buhen der Fans, gab das Ende der Bruderfehde bekannt. Ferner war es die abermalige Formation der Hart Foundation (erweitert noch um Jim Neidhart und Brian Pillman), die in der Folgezeit die WWF unsicher machen sollte und vor allem Stone Cold Steve Austin und Shawn Michaels das Leben schwer machte.
Intercontinetal Championship und Verletzung Austins
Kaum wieder mit seinen Brüdern und Schwägern im Streit gegen die US-amerikanischen Fans vereint, errang Owen Hart die Intercontinental Championship gegen Rocky Maivia, einen Mann, der später als Dwayne "The Rock" Johnson noch eine der prägenden Figuren der WWE werden sollte. Beim SummerSlam 1997 gab Owen Hart den Titel an Steve Austin ab, verletzte ihn aber schwer am Genick, als ein Piledriver nicht richtig glückte. Daraufhin musste Austin dem Ring eine Weile fernbleiben und es sollte auch letztlich diese Verletzung des Genicks sein, die später das verfrühte Karriereende von Austin erzwingen würde.
Anschließend kam es zum berüchtigten Montreal Screwjob bei den Survivor Series 1997, bei dem Bret Hart bekanntermaßen wirklich um den Titel betrogen wurde, da er entgegen der Absprache zuvor das Match verlor. Bret Hart verließ die WWF daraufhin im Zwist in Richtung WCW, wohin ihm seine beiden Schwager, Jim Neidhart und Davey Boy Smith, sogleich folgten. Owen Hart war jedoch noch vertraglich an die WWF gebunden. Überdies machte ihm die WCW wohl kein besonders gutes Angebot, sodass er in der WWF verblieb.
Rückkehr zum Blue Blazer Gimmick und tragischer Tod
In der Folgezeit fehdete Owen Hart, der im Zuge der Ereignisse um den Montreal Screwjob quasi zwangsläufig wieder zu einem Babyface wurde, mit Shawn Michaels und Triple H. Überdies konnte Owen Hart die European Championship gegen Goldust gewinnen. Doch als lupenreines Babyface wollte Owen Hart nicht so recht funktionieren, sodass er wieder zu einem Bösewicht umfunktioniert wurde und sich der Nation of Domination anschloss. Später griff er dann sein Blue Blazer Gimmick als blauer Maskenmann wieder auf und wurde zu einem hochnäsigen Superhelden, der die eher kantigen Charaktere der WWF Attitude Ära demonstrativ verachtete. Dabei machte Owen Hart von seinem komödiantischen Qualitäten Gebrauch. In dieser Phase tat er sich mit “Double J“ Jeff Jarrett zusammen. Die beiden konnten sich Tag Team Gold sichern, als sie Ken Shamrock und den Big Boss Man besiegten.
Beim WWE-PPV, der makabrerweise als “Over The Edge“ firmierte, kam es dann zum tragischen Tod von Owen Hart. Eigentlich war geplant gewesen, dass er sich vom Dach der Arena in den Ring abseilen würde, wo er sich dann “ungeschickt“ verheddern sollte, um dann aus unbedenklicher Höhe in den Ring zu fallen. Dazu war eine Vorrichtung zum schnellen Lösen der Verbindung notwendig, damit dieser Comedy-Stunt funktionieren konnte. Jedoch erwies sich diese Verbindung als nicht ausreichend gesichert. Owen Hart stürzte aus 24 Metern in den Tod. Er landete mit dem Brustkorb auf dem obersten Ringseil in der Nähe der Ringecke und wurde von dort in den Ring geschleudert. Das massive, stumpfe Trauma fügte ihm schwere innere Verletzungen hinzu und er verlor umgehend das Bewusstsein. Versuche einer Reanimation schlugen fehl und Hart verstarb endgültig kurz darauf im Krankenhaus.
Nachwirkungen vom Sturz Owen Harts
Bis heute gibt es keinerlei Bildmaterial vom Sturz Owen Harts, da zu diesem Zeitpunkt ein Einspieler gezeigt wurde und die heute allgegenwärtigen Smartphone Cams damals natürlich noch nicht existierten. Auch der Name “Over The Edge“ wurde seither nie wieder für eine WWE-Veranstaltung verwendet. Nur die Fans in der Arena waren Zeugen, wurden jedoch über die Dramatik von Harts Verletzungen im Unklaren gelassen, wofür Vince McMahon und die WWF schwer kritisiert wurden. Eine Klage der Harts gegen die WWF sowie die Ausstatter, die den Seilzug organisierten, wurde außergerichtlich mit einer Zahlung von 18 Millionen an die Harts beglichen. Ein erheblicher Anteil dessen wurde von Owens Frau Martha in die Owen Hart Stiftung gesteckt, die in dessen Heimatstadt Calgary Familien und Kinder aus armen Verhältnissen unterstützt.
Das anschließende Monday Night Raw wurde Owen Hart gewidmet. In Interviews ließen seine Weggefährten ihre Rollen temporär beiseite und erzählten von ihm. Es gab insgesamt zehn Matches, die jedoch keinerlei Storylines dienten. Dabei gewann Jeff Jarrett stellvertretend für Owen Hart den Intercontinental Titel gegen den Goodfather. Eben jenen Gegner, den Owen Hart bei Over The Edge besiegen sollte. Nur der Undertaker blieb dieser Tribut-Show fern. Er zog es vor, Bret Hart zu besuchen und ihm Trost zu spenden.