Kevin Nash - Der rein Geschäftliche

Was macht Kevin Nash heute?

Bildquelle: GabboT [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Kevin Nash ist eine Wrestling-Legende, die sehr ambivalent beurteilt wird. Handwerklich war er im Ring zwar nicht schlecht und galt als sicherer Worker, allerdings war er auch recht limitiert. Unbestreitbar waren hingegen Charisma und Redetalent von Big Daddy Cool. Der Zwei-Meter-Mann hatte eine echte Ausstrahlung, die auch deutlich darüber hinausging, dass er einfach nur ein großer Bursche war. Nash konnte sowohl bedrohlich als auch sympathisch wirken und recht mühelos zwischen diesen Impressionen wechseln.

Diese Qualitäten bescherten ihm einen so raschen und vor allem dauerhaften Aufstieg, wie ihn kaum jemand sonst hingelegt hat. Nur wenige Jahre nach seinem Wrestling-Debüt, war er bereits im Main Event des Marktführers angekommen. Dort brauchte er jedoch nicht lange, um die Gemüter zu spalten, was jedoch keinesfalls nur an ihm lag.

 

Später in der WCW wurde er zunächst zum Heilsbringer, da er zentral an dem Angle beteiligt war, der die WCW vor die WWF hievte. Gleichzeitig wird Kevin Nash von vielen Fans heute eine Mitschuld am Niedergang der WCW gegeben.

Holpriger Blitzstart bei der WCW

Kevin Scott Nash spielte zunächst College Basketball an der Universität von Tennessee. Später verschlug es ihn gar in die deutsche Basketball Bundesliga, wo er zuletzt für die Gießen 46ers spielte. Eine interessante Parallele zum Undertaker, der fast einen sehr ähnlichen Weg eingeschlagen hätte (Basketballspieler in Europa), ehe er ein WWE Wrestler wurde. Eine Knieverletzung beendete jedoch die Basketball-Karriere von Kevin Nash vorzeitig. Nachdem Nash anschließend für die US-Militärpolizei in Gießen, später dann bei Ford und anschließend in einem Strip Club gearbeitet hatte, wand er sich schließlich dem Wrestling zu. Eine Entscheidung, die sich lohnen sollte. Denn auf seinen drei relevantesten Stationen (WWF bzw. WWE, WCW und TNA) sollte er insgesamt 21 Titelgürtel einsacken.

Kevin Nash kam sogleich bei der WCW unter. Fluch und Segen zugleich! Einerseits war er so bei einer der führenden Wrestling-Promotions in den USA und war schon früh in seiner Karriere im Fernsehen zu sehen. Anderseits war die WCW in den späten 80ern und frühen 90ern unter dem ahnungslosen Vizepräsidenten John Herd ein sonderbarer Ort. Das bekam auch Kevin Nash zu spüren, der sogleich drei grundverschiedene Gimmicks durchlief, von denen das Erste an die Wand gebucht wurde und das Zweite vollkommen bescheuert war.

Erst war er eine Hälfte des Powerhouse Tag Teams „Master Blasters“. Diese wurden zunächst sehr stark dargestellt. Nur um dann im Titelmatch gegen die Steiner Brothers in unter einer Minute niedergemacht zu werden. Danach war die Luft natürlich auf einen Schlag raus. Später wurde Nash dann als „Oz“ gebucht. Ein zwei-Meter-Zauberer mit einem selten dämlichen Outfit. Das kam in etwas genauso gut an, wie man es als klar denkender Mensch erwarten würde. Erst im dritten Anlauf bekam Kevin Nash eine Rolle zugedacht, die er tatsächlich gut ausfüllen könnte. Als Vinnie Vegas wurde er als großmäuliger Mafia-Schläger dargestellt, wobei Nash hier erstmals seine Fähigkeiten als Entertainer und Redner unter Beweis stellen konnte.

Vitamin B führt Kevin Nash zur WWF

Auf Anfrage seines Freundes Shawn Michaels kam Kevin Nash schließlich bei der WWF unter. Dort debütierte er als Diesel (in Anspielung auf seine Herkunft aus Detroit). Kevin Nash ließ sich die Haare lang wachsen und trat fortan in einer Biker-Kluft auf. Dieser Look sollte fortan über seine gesamte Karriere Bestand behalten. Als Leibwächter und Kumpel des Midcard Heels Shawn Michaels machte Diesel sogleich einen Unterschied, als er Michaels zum Intercontinental Titel gegen dessen alten und hintergangenen Tag Team Partner, Marty Jannetty, verhalf.

 

 

Diesel brauchte nicht lange, um in der WWF prominent eingesetzt zu werden. Alsbald trat er selbst regelmäßig im Ring an und wurde Tag Team Champion mit Shawn Michaels. Später kam es dann zum Split zwischen den beiden, weil die WWF Shawn Michaels als Babyface einsetzen wollte. Fortan wurde Diesel in rascher Folge als Main Eventer aufgebaut. Tatsächlich wurde er gar zum am längsten amtierenden WWF Heavyweight Champion der 90er! Seine Regentschaft von 358 Tagen war die längste innerhalb dieses Jahrzehnts.

Zu Unrecht Symbolfigur für den kommerziellen Tiefpunkt der WWF

In dieser Zeit durchlief die WWF ihre kommerziell wohl schwierigste Phase. Der Fan-Zuspruch war in einem Tief, Vince McMahons Ausflug ins Bodybuilding mit der WBF ging kolossal in die Binsen und der Steroid-Skandal sorgte für schlechte Presse und jede Menge Kosten. In eben diese Zeit fiel auch die lange Titelregentschaft von Diesel. Was nicht weiterhalf: Die WWF, bemüht neue Stars aufzubauen, haute in dieser Zeit vieles an Gimmick-Müll raus, was auch Jim Herd in der WCW (der dort mittlerweile abgesägt worden war) gefallen hätte.

So wurde Diesels Rekord-Titelregentschaft zu jener, die ihn als scheinbare Galionsfigur einer der kommerziell schwächsten Phasen in der WWE Geschichte vorstehen ließ. Allerdings kann man ihm das nicht wirklich ankreiden. Denn die WWF pflegte damals die sonderbare Angewohnheit, gleich drei Titelgewinne von Diesel, darunter den Gewinn der WWF Heavyweight Championship, bei House-Shows zu zeigen. Live Fernsehbilder dieser Triumphe gab es also nicht. Dass Diesel dennoch solange als Champion toleriert wurde, spricht eher für ihn! Bezeichnenderweise sollte das Match, das seine lange Regentschaft beendete, sein bestes in der WWF werden.

Diesel verlor den Titel schließlich an Bret Hart – in einem Match, das Nash noch heute als das beste seiner Karriere bezeichnete. Bret Hart selber stellte sich später in Shoot-Interviews ebenfalls gegen die gängige Fan-Meinung, dass Nash ein schlechter Worker gewesen wäre. Überhaupt respektierten sich die beiden, trotz dessen dass Nash Bestandteil der Kliq war – jener Backtage-Gruppierung, die die WWF in den 90ern prägte und mit der Bret Hart eigentlich auf Kriegsfuß war.

Rückkehr zur WCW leitet erfolgreichste aber auch umstrittenste Karrierephase ein

Ab den frühen 90ern setzte die WCW der WWF sukzessive zu. Immer mehr bekannte Wrestler folgten dem Lockruf des Geldes. Das lag nicht nur an der ohnehin darbenden WWF, sondern auch daran, dass die WCW mit dem Geld des Medienmoguls Ted Turner und dessen Sendestationen im Rücken, nun ganz anders aufzocken konnte. Reihenweise sattelten gestandene Main Eventer der WWF zur WCW über. Hulk Hogan, der Macho Man und Lex Luger, um nur einige zu nennen. Doch der größte Coup seit Hulk Hogan gelang, als die WCW Scott Hall (in der WWF bekannt als Razor Ramon) und Kevin Nash anheuerte.

Die beiden traten als Outsiders auf und gaben sich so, als ob sie die WCW im Namen der WWF infiltrieren würden. Da das Internet damals noch nicht wirklich ausgreift, geschweige denn verbreitetet war, funktionierte dieses Verwirrspiel recht gut. Woche für Woche traten die beiden auf, terrorisierten Fans sowie WCW Wrestler. Kevin Nash trat nun unter seinem bürgerlichen Namen auf, behielt aber seinen Look. Es gab also keinen Zweifel, dass die Fans bei ihm sowie auch bei Scott Hall wussten, wer sie waren: bekannte Wrestler aus der WWF!

NWO – erst ein Volltreffer, dann eine schwere Hypothek

Gemeinsam mit Scott Hall wurde Kevin Nash zentraler Bestandteil jenes Angles und jener Fraktion, welche die kommerziell erfolgreichste Phase der WCW einleiten sollte, später aber auch großen Anteil an ihrem Absturz hatte. Ominös sprachen Nash und Hall davon, dass sich ihnen ein dritter Mann angeschlossen habe, der sich alsbald offenbaren würde. Dieser stellte sich als Hulk Hogan heraus, als er in einem Match gegen die beiden Outsiders, dem Macho Man Randy Savage nur scheinbar zur Hilfe kam. Bloß um ihm dann den Leg Drop zu verpassen. Hulk Hogan als Bösewicht! Das war damals eine Riesenwende und rief das Heel Stable der NWO (New World Order) auf den Plan.

In den Quoten sollte die WCW der WWF folglich für die nächsten rund zwei Jahre enteilen. Die Monday Night Wars (die montäglichen Quotenkriege zwischen WWF und WCW) kamen nun richtig in Gang und brachten die insgesamt kommerziell erfolgreichste Phase des Wrestlings. Kevin Nash war mittendrin! Und sahnte richtig ab. Denn die WCW zahlte den ehemaligen WWF Stars ein fürstliches Gehalt und gab ihnen gar weitreichende kreative Freiheiten. Letzteres sollte sich aber als fatal erweisen, denn leider hatten die Verantwortlichen wenig Dunst vom Wrestling-Booking, was einige Wrestler, wie Hulk Hogan oder Nash nutzten, um diese zu beeinflussen. Zumal sie im Zweifelsfall immer auf ihre kreativen Klauseln pochen konnten.

 

 

Kevin Nash bekommt Backstage das Sagen

Als die chaotischen Booking-Zustände in der WCW überhandnahmen, bekam Kevin Nash sogar phasenweise selber die Gewalt über die kreativen Prozesse und wurde zum Booker der WCW. Dass er ausgerechnet in dieser Zeit höchstselbst mehrfach Champion wurde, die Siegesserie von Bill Goldberg beendete, nur um anschließend Hulk Hogan den Titel mit dem berüchtigten „Fingerpoke of Doom“ zuzuschustern, trug massiv dazu bei, dass Nash heute von vielen Fans sehr kritisch gesehen wird. Kevin Nash machte später jedoch selber kaum einen Hehl daraus, dass er in erster Linie Wrestler war, um Geld zu verdienen – nicht um jedermanns Liebling zu sein.

So kam es dazu, dass Kevin Nash in der WCW sehr erfolgreich war. Doch der Umstand, dass er daran selber ordentlich Hand angelegt hatte sowie der überbordende NWO Angle, der nie zufriedenstellend abgeschlossen wurde und zum Vehikel verkam, immer die gleichen Gesichter im Main Event zu halten, zogen die Meriten von Kevin Nash stark in Zweifel. An diesem Ruf änderte sich auch nie wirklich etwas. Später trat Kevin Nash als Main Eventer bei TNA auf. Doch war er zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich über seinen Zenit hinaus. Auch spätere Auftritte bei der WWE funktionierten nur deswegen, weil Kevin Nash zunehmend dosierter auftrat.

Streitbare Legende

Heute hat Kevin Nash einen Legenden-Vertrag bei der WWE, ist Mitglied der WWE Hall of Fame und ist ein Elder Statesman des Wrestlings. Manche würden sagen: der Richard Nixon des Wrestlings. Seine Relevanz für die historische Entwicklung in den USA, im Guten wie im Schlechten, ist nicht zu leugnen. Und irgendwie stimmt beides: Einerseits war er, zumindest auf seinem Zenit, weit besser, als es ihm viele Fans heute zugestehen.

Auf der anderen Seite schwingt bei vielen seinen Erfolgen aber auch das Bild eines Backstage Manipulateurs mit, der diesbezüglich nur von Hulk Hogan übertroffen wurde. Auch wenn Nash nicht halb so sehr ein „Egomaniac“ war, wie jener. Ihm ging es vor allem um eins. Nur ums Geschäft! Das kann man prinzipiell verstehen. Aber ob man es auch gut finden muss, ist die andere Frage.


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