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Marcel Reif im Porträt: Legende am Fußball-Mikro - Torfall, Diva & die Nr.1
Unter den Fußballkommentatoren war Marcel Reif lange Zeit die unangefochtene Nummer eins. Dabei begann seine TV-Karriere in der Politik, ehe er bei RTL und Sky zum absoluten Star-Kommentator avancierte und während seiner über 30-jährigen Laufbahn rund 1.500 Spiele kommentierte. Unsterblich mache sich die hochdekorierte Reporter-Legende mit dem „Torfall von Madrid“ und „Kahn! Die Bayern!“. Das Marcel Reif Porträt stellt den Wahl-Schweizer genauer vor.
Marcel Reif wurde am 7. November 1949 im polnischen Walbrzych (Waldenburg) als Marc Nathan Reif geboren. In früher Kindheit emigrierte seine Familie, seine Mutter war eine deutsche Katholikin, sein Vater polnischer Jude, wegen des grassierenden Antisemitismus von Polen für kurze Zeit nach Israel.
Marcel Reif: Fußball beim 1. FCK - TV-Karriere startete in der Politik
Zwei Jahre (1958) später ging es für den damals achtjährigen Marcel Reif, der viele Verwandet im Holocaust verloren hatte, von Tel Aviv nach Deutschland. Sein Vater hatte eine Anstellung bei den US-Streitkräften in Kaiserslautern gefunden. Hier spielte der spätere Kommentatoren-Star u.a. beim 1. FC Kaiserslautern. Und das durchaus erfolgreich als Innenverteidiger und später im offensiven Mittelfeld. Reif, der bis heute eng mit den Roten Teufeln verbunden ist, schaffte es bis in die südwestdeutsche Jugendauswahl.
Marcel Reif machte in Heidelberg sein Abitur und studierte anschließend in Mainz an der Johannes-Gutenberg-Universität Publizistik, Politik und Amerikanistik. Zugleich verdiente er sich seine ersten Meriten im TV-Journalismus. Denn Reif begann 1972 als freier Mitarbeiter in der politischen Redaktion beim ZDF. Er verfasste Beiträge für die Nachrichtensendungen „heute“ und „heute-journal“, wurde Reporter und war zwischen 1981 bis 1983 im Londoner ZDF-Büro tätig. An Sport und das Kommentieren von Fußballspielen war damals gar nicht zu denken.
Kommentator Reif: Dieter Kürten als Mentor - „10 Jahre kritiklose Nummer 1“
Als Marcel Reif zu seiner Enttäuschung der Posten als London-Korrespondent verwehrt blieb und er 1984 vom frischgebackenen ZDF-Sportchef Dieter Kürten umworben wurde, „lief ich mit fliegenden Fahnen zum Sport über“. Der damals 35-jährige Reif kommentierte im Fußball und Eishockey und fungiert vorerst als Assistent von Kommentator Kürten, den er selbst als seinen Mentor bezeichnet.
1986 kommentierte Reif sein erstes Live-Spiel im Fernsehen. Es war das Endspiel im Europapokal der Pokalsieger zwischen Atlético Madrid und Dynamo Kiew. Viele weitere Endspiele sowohl im Europapokal als auch bei Welt- und Europameisterschaften sollten folgen. Reif schaffte es innerhalb weniger Jahre zum besten Fußballkommentator, wozu er auch mehrfach ausgezeichnet wurde (u.a. Grimme-Preis, Deutscher Fernseh-Preis). „Spätestens nach der WM 1990 war ich zehn Jahre lang völlig kritiklos die Nummer eins“, sagte Reif Ende 2019 in einem Interview mit dem „Spiegel“.
1994: WM-Finale zum Abschied - Marcel Reif wechselt vom ZDF zu RTL
Anfang der 1990er-Jahre war Marcel Reif drei Jahre Redaktionsleiter des „Sport-Spiegels“, einer Sportsendung des ZDF. Den öffentlich-rechtlichen Sender kehrte Reif, der längst zum Star-Kommentator aufgestiegen war, dann 1994 den Rücken. Sein letzter ZDF-Einsatz war das WM-Finale 1994 zwischen Brasilien und Italien (3:2 i.E.).
RTL verpflichtete Marcel Reif 1994 als neuen Chefkommentator und seine Stimme war regelmäßig bei Fußballspielen, vor allem aus der Champions League, der Sendung „Anpfiff“ zu hören. Während seiner Station bei RTL ereignete sich auch der legendäre „Torfall von Madrid“.
Unvergessen: Das umgefallen Tor von Madrid mit Marcel Reif & Günter Jauch
Zugetragen hat sich das ganze am 1. April 1998. Vor dem Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund war ein Tor im Fußballstadion Santiago Bernabeu umgefallen und musste gänzlich ersetzt. Lange 76 Minuten mussten Kommentator Marcel Reif und Moderator Günter Jauch die Zuschauer völlig überraschend überbrücken und die Zuschauer möglichst bei Laune halten.
Reif und Jauch schafften dies Anekdoten und geistreicher, bildhafter Sprache wie „Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan wie heute“ (Zitat Reif) oder „Das erste Tor ist schon gefallen“ (Zitat Jauch). Für ihre improvisierte und bis heute legendäre Moderation wurden Marcel Reif und Günter Jauch mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Nur eine von zahlreichen Auszeichnungen, die Reif während seiner Karriere erhielt.
1999: Reif von RTL zu Sky - „Kahn! Die Bayern“ als legendäre Reif-Ausruf
Als RTL 1999 überraschend die Übertragungsrechte für die Champions League an „TM3“ verlor, wechselte Reif als 58-Jährige zum Pay-TV-Sender Sky, der damals noch Premiere hieß. Bis Mitte 2016 war er Chefkommentator und berichtete in diesen 17 Jahren von drei Weltmeisterschaften, diversen Champions-League-Endspielen und kommentierte über 500 Bundesliga-Spiele. Als Marcel Reif als damals 66-Jähriger seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängert, trat Wolff-Christoph Fuss bei Sky in die Reif-Fußstapfen.
Reif hat das Live-Kommentieren in Deutschland mit teils spitzer Zunge auf ein neues Niveau gehievt und lieferte einige Sternstunden ab. Am Mikrofon kombinierte er Emotionen, Witz und Kompetenz und sprach frei raus, was er dachte. Beim Kommentieren nahm er sich nach eigener Aussage auch stets die englischen Kollegen zum Vorbild, die sich durch präzise, auf den Punkt genaue Sprache auszeichnet. Mit Erfolg. Denn sein Ausruf „Kahn! Die Bayern!“ (als Oliver Kahn hielt im CL-Finale 2001 den letzten Elfer gegen Inter Mailand hielt) dürfte vielen Fans noch heute in den Ohren klingen.
Marcel Reif polarisierte - Fan-Attacke im eigenen Auto vor Revierderby
Als Fußballkommentator war Marcel Reif zwar äußerst beliebt. Doch längst nicht alle Zuschauer waren ihm wohlgesonnen. Denn der teils divenhafte Reif polarisierte mit seinem Stil und Fußballfans sahen in ihm angesichts negativer Kommentare immer mal wieder einen Bayern-, Dortmund- oder Schalke-Hasser.
Das gipfelte darin, dass sich Marcel Reif in der Saison 2015/16 einer Fan-Attacke ausgesetzt war. „Vor dem Derby Dortmund gegen Schalke hatte ein Mob mein Auto eingekreist und hin- und hergerüttelt“, beschrieb Reif die Situation, die einen Beitrag zu seinem Karriereende als Live-Kommentator beitrug. „Auf dem Beifahrersitz saß meine Frau und hatte die nackte Angst in den Augen. Da habe ich mir gesagt: Vielleicht ist es besser, wenn du aufhörst. Das wollte ich mir nicht antun.“
Nach Kommentator-Aus: Reif wird Doppelpass-Experte & bekommt Bild-Podcast
In Deutschland war Marcel Reif ab Mitte 2016 auch nicht mehr als Live-Kommentator in den Fußballstadien zugegen. Dafür übernahm er noch einmal in der Schweiz das Zepter auf der Kommentatoren-Kommandobrücke und begleitete von 2018 bis 2021 für den Schweizer Pay-TV-Sender Blue + (ehemals Teleclub) die Spiele der Königsklasse.
Doch seine Fußball-Meinung hat in Deutschland nach wie vor großes Gewicht, sodass Reif in den Medien weiter präsent ist. Zwischen 2016 bis 2021 fungierte Reif als Experte bei der Fußball-Talkshow „Doppelpass“ auf Sport1, wo er in fünf Jahren 108 Einsätze hatte. Seit 2020 ist er als Experte für die „Bild“-Zeitung aktiv und betreibt mit „Reif ist live“ einen eigenen Podcast.
Marcel Reif privat: Schweizer, 3 Ehen, 3 Söhne & Ex-Kettenraucher
Bereits seit 1997 lebt Marcel Reif in der Schweiz. Die heute 72-jährige Kommentatoren-Legende wohnt in der Nähe von Zürich in der Gemeinde Rüschlikon (Stand August 2022). 2013 hat der TV-Mann die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen und zeitgleich die deutsche Staatsangehörigkeit abgelegt.
Sein Beziehungs- und Familienleben verlief ähnlich bunt wie sein Berufsleben. So kann er auf drei Ehen zurückblicken und ist zudem Vater von drei Kindern. Aus seiner ersten Ehe mit Frau Ria stammt sein ältester Sohn namens Jan. Von 1999 bis 2006 war Marcel Reif mit der 21 Jahre jüngeren Schweizer Sportredakteurin Sandra Weber verehelicht, mit der der Sportreporter zwei Söhne namens Tim und Nick hat. Seit April 2010 ist Reif mit seiner heutigen Frau Marion Kiechle verheiratet. Die Medizinprofessorin und Gynäkologin aus München verhalf Marcel Reif zu einem gesünderen Lebensstil. Nachdem er Kiechle kennenlernte, hörte der ehemalige Kettenraucher - der bis zu zwei Schachteln Zigaretten pro Tag qualmte - mit dem Rauchen auf.