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Jürgen Kohler Porträt: Der „Kokser“, Fußballgott & legendärer Verteidiger
In den 1990er Jahren zählte Jürgen Kohler zu den besten und meist gefürchtetsten Verteidigern der Welt. Die Fußballlegende und BVB-Ikone wurde Welt- und Europameister, Meister in Deutschland und Italien und gewann die Königsklasse. Sport-90 erinnert im Jürgen Kohler Porträt an die große Karriere des Königs der Grätsche und verrät, was es mit seinem Spitznamen „Kokser“ auf sich hat.
Jürgen Kohler wurde am 6. Oktober 1965 im pfälzischen Lambsheim geboren, wo er auch bis zu seinem 16. Lebensjahr beim TB Jahn Lambsheim kickte. Zwar galt er schon damals als vielversprechendes Abwehrtalent und spielte in verschiedenen Auswahlen der Region, doch größere Klubs der Region sollten nicht auf ihn aufmerksam werden. Kohler half seinem Schicksal auf die Sprünge, ergriff Eigeninitiative und wurde als 15-Jähriger selbst beim damaligen Bundesligisten SV Waldhof Mannheim vorstellig.
Jürgen Kohler: Von Waldhof Mannheim für Rekordablöse zum 1. FC Köln
Der SVW nahm den jungen Jürgen Kohler 1982 in seiner Jugend auf, stattete ihn zeitnah mit einem Profivertrag aus und am 7. April 1984 feierte er beim 2:0-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern sein Bundesliga-Debüt. Bei Waldhof Mannheim hatte der Innenverteidiger mit Trainer Klaus Schlappner einen großen Förderer und Kohler brach für seinen Traum Profifußballer zu werden seine Lehre als Kfz-Mechaniker ab.
Und mit Jürgen Kohler sollte es schnell bergauf gehen. 1987 wechselte der damals 21-Jährige von Mannheim zum 1. FC Köln. Die Ablöse belief sich auf 2,3 Millionen DM, was Kohler zu jener Zeit zum teuersten Abwehrspieler der Bundesliga machte. Beim Effzeh blieb der 1,80 Meter große Rechtsfuß zwei Jahre, in denen er nicht nur absolute Stammkraft war, sondern auch seine ersten internationalen Erfahrungen sammelte. In der Saison 1988/89 erreichte Kohler mit Köln das Achtelfinale im UEFA-Cup, dem Vorgängerwettbewerb der Europa League.
Wechsel zum FC Bayern: Jürgen Kohler wird erneut teuerster Verteidiger
Im Sommer 1989 sicherte sich der FC Bayern die Dienste von Jürgen Kohler, der erneut für Rekordablöse wechselte. Über drei Millionen DM legten die Münchner für den knallharten Verteidiger hin, der von der „FAZ“ einst treffend als „Stopp-Schild auf dem Fußballplatz“ bezeichnet wurde. Damit war Kohler mal wieder der teuerste Abwehrspieler in Deutschland.
In München konnte Jürgen Kohler dann seine ersten Titel bejubeln. 1990 wurde er mit den Bayern Deutscher Meister und holte zudem zweimal den deutschen Superpokal (1990, 1991). Außerdem erreichte er mit dem FCB zweimal das Halbfinale im Europapokal der Landesmeister. Kohler war längst zum besten deutschen Innenverteidiger avanciert. Und als 1991 Juventus Turin anklopfte, folgte er den Lockrufen aus Italien. Denn die Serie A war damals das heilige Fußballland, die beste Liga der Welt.
1991 bis 1995: Erfolgreiche Jahre bei Juventus Turin
Juve machte rund 7,5 Millionen Euro locker, um den für seine Grätschen bekannten und extrem willensstarken Verteidiger aus München loszueisen. In Italien bekam Jürgen Kohler ob seiner knallharten Spielweise den Spitznamen „Massino“ (bissiger Hund) und sportlich sollte es ebenfalls bestens für ihn laufen.
Er war eine feste Säule im Abwehrzentrum und konnte mit Juventus weitere Silberware abräumen. 1993 wurde Kohler mit der Alten Dame unter Trainer Giovanni Trapattoni italienischer Meister. Seine Teamkollegen bei der Bianconeri waren damals u.a. Torwart Angelo Peruzzi, Mittelfeldstars wie Antonio Conte oder David Platt oder die legendären Offensivakteure Roberto Baggio, Gianluca Vialli oder Fabrizio Ravanelli. Zudem holte Kohler mit Juventus Turin im selben Jahr den UEFA-Pokal, nachdem man im Endspiel Borussia Dortmund souverän bezwang. 1992 wurde der „Kokser“ außerdem noch als bester ausländischer Spieler der Serie A ausgezeichnet.
Jürgen Kohler findet sein großes Glück beim BVB
Nach vier Jahren bei Juve zog es Jürgen Kohler 1995 nach Deutschland zurück. Mit 30 Jahren heuerte er bei Borussia Dortmund an, die noch einmal über 5 Millionen DM für den erfahrenen Haudegen hinblätterten. Eine lohnende Investition. Denn der BVB und Jürgen Kohler waren wie füreinander gemacht und der Klub zur großen Liebe des „Kokser“.
Aber auch andersrum könnte die Zuneigung und Respekt kaum größer sein. In Dortmund wurde Kohler für seine kämpferische und nie aufgebende Spielweise schnell zum Publikumsliebling. Zudem sollte der Weltklasseverteidiger Jürgen Kohler im Herbst seiner Karriere mit dem BVB seine erfolgreichste Zeit auf Vereinsebene erleben.
1997 - Kohler wird nach legendärem Spiel gegen ManUnited zum Fußballgott
Seine Ausbeute in sieben Jahren bei Borussia Dortmund: Deutscher Meister 1996 und 2002, der Triumph in der Champions League 1997 und der Gewinn des Weltpokals 1997! Unvergessen und zugleich das Spiel seines Lebens war das Champions-League-Halbfinale 1997 gegen Manchester United.
Im Old Trafford siegte der BVB wie im Hinspiel 1:0, wobei Jürgen Kohler trotz grippalen Infekts auflief, und eine außerirdische Leistung ablieferte. Er grätschte, kämpfte und ackerte was das Zeug hielt und wurde zum unüberwindbaren Albtraum der Red Devils. Der 32-jährige Kohler klärte durch aberwitzige Rettungsaktionen gleich drei Mal auf der Linie und brachte somit die Superstars und heutigen Fußballlegenden wie Eric Cantona, David Beckham und Ryan Giggs zur Verzweiflung. Jürgen Kohler machte sich mit diesem Auftritt unsterblich und bekam dafür vom BVB-Anhang den Beinamen „Fußballgott“!
Unrühmlicher Abschied: Rot für Jürgen Kohler im UEFA-Cup-Finale
Das letzte seiner insgesamt 637 Pflichtspiele als Profi, in denen er 48 Tore erzielte, sollte allerdings unrühmlich verlaufen. 2002 im Endspiel des UEFA-Cups gegen Feyenoord Rotterdam flog Jürgen Kohler in der 31. Minute nach einer Notbremse mit glatt Rot vom Platz. Der BVB verlor am Ende mit 2:3, doch sein immenses Ansehen litt darunter nicht im Geringsten und der Fußballgott wird nicht nur in Dortmund bis heute enorm geschätzt.
Aber nicht nur auf Vereinsebene kann Jürgen Kohler auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken. Für Deutschland bestritt der Abwehrspieler insgesamt 105 Länderspiele (2 Tore), nahm an fünf großen Turnieren teil (WM 1990, 1994 und EM 1988, 1992, 1996) und wurde mit der DFB-Auswahl 1990 Weltmeister sowie sechs Jahre später Europameister. Bei der EM 1996 verletzte sich Kohler, der die deutsche Elf als Kapitän anführte, allerdings gleich im ersten Gruppenspiel gegen Tschechien am Knie und fiel für den Rest des Turiners aus.
Der „Kokser“: Sprachbarriere - Gaudino verpasst Jürgen Kohler den Spitznamen
Apropos Nationalmannschaft: Hier bekam Fußballgott Jürgen Kohler übrigens auch seinen Spitznamen „Kokser“ verpasst. Und zwar 1990 von Maurizio Gaudino. Der italienischstämmige Mittelfeldspieler hatte Schwierigkeiten Umlaute auszusprechen und tat sich entsprechend mit dem Namen „Jürgen“ schwer. Gaudino nannte Kohler kurzerhand „Kokser“ (abgeleitet vom umgangssprachlichen „Koks“ für „Kohle“). Und seither war Jürgen Kohler nur noch der „Kokser“!
Dem Fußball blieb der „Kokser“ auch nach seiner aktiven Laufbahn treu. Allerdings mit wenig durchschlagenden Erfolg. Er startete 2002 als Trainer der deutschen U21-Auswahl, wechselte aber im Frühjahr 2003 als Sportdirektor zu Bayer Leverkusen. Danach begann eine wilde Achterbahnfahrt als Trainer oder sportlicher Leiter mit glücklosen Engagements beim MSV Duisburg und VfR Aalen, ehe er viele Jahre vornehmlich im Amateurbereich als Trainer verbrachte. Und was macht Jürgen Kohler heute? Er ist als Vermögensberater und Unternehmensrepräsentant tätig.