Die Rockers – Gefeiert und nicht gekrönt

Infos, Porträt und Steckbrief zu The Rockers

Bildquelle: John McKeon [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Es erscheint wie ein Treppenwitz der Wrestling-Geschichte: Gleichwohl Shawn Michaels und Marty Jannetty unabhängig voneinander beide jeweils Tag Team Champions in der WWE werden konnten, so war ihnen dieses Glück gemeinsam – zumindest offiziell – nicht gegönnt. Dabei waren die beiden Midnight Rockers/Rockers ein wegweisendes Tag Team, das mit seinem dynamischen, agilen Stil aus einer Phalanx von WWF-Muskelbergen hervorstechen konnte.

Sowohl für Marty Jannetty als auch für Shawn Michaels war das Tag Team der Rockers mehr als nur ein Sprungbrett in die jeweiligen Karrieren als Wrestler. Die beiden agilen Wrestler gingen einen schnellen, technischen Stil, der damals nicht weit verbreitet war und waren in der WWF gefeierte Babyfaces. Unabhängig davon, wie unterschiedlich sich die Karrieren von Shawn Michaels und Marty Jannetty nach dem Split der Rockers in der WWF entwickeln sollten, waren sie als Gespann durchaus populär. Doch ihr einziger Titelerfolg in der WWE-Geschichte ist heute inoffizieller Natur.

Durchbruch in der AWA

Die Wege von Shawn Michaels und Marty Jannetty kreuzten sich bereits Mitte der 1980er, als beide noch angehende Wrestler waren. Da beide sich anfreundeten, lag es nahe, dass sie auch im Ring zusammen eingesetzt wurden. Und so ergab es sich, dass die beiden als Tag Team, jedoch ohne ein echtes Tag Team Gimmick, in dieser Zeit bereits für eine Woche regionales NWA Tag Team Gold halten konnten. Danach trennten sich ihre Wege zunächst wieder. Das Tag Team der Midnight Rockers sollte sich erst später, 1986 in der AWA (American Wrestling Association), gründen.

Die AWA musste im Zuge der aggressiven WWF-Expansion einen echten Aderlass erdulden. So waren Leute wie Hulk Hogan, Jesse Ventura, Gene Okerlund, Wendi Richter und Bobby Heenan im Vorfeld allesamt zur WWF gewechselt, die sich rasant zum unumstrittenen Marktführer in Sachen Wrestling entwickeln konnte. Händeringend suchte die AWA also nach jungen Wrestlern und konnte so in ihren letzten Jahren noch einige später prägende Figuren etablieren. Darunter neben den Rockers beispielsweise Curt Hennig (alias Mr. Perfect), Vader, Scott Hall (alias Razor Ramon), die Wrestlerin Madusa (oder auch Alundra Blayze), die Nasty Boys oder den späteren WCW-Reformer Eric Bischoff.

Erste Chance vertan

In der AWA entwickelten sich die Midnight Rockers zu zwei Top-Babyfaces, die gemeinsam in zum Teil blutigen Fehden die Tag Team Division aufwirbelten und sich dabei schließlich die Tag Team Championship der AWA umschnallen konnten. Durchaus eine Auszeichnung sowie eine Standortbestimmung für die relative Popularität des Teams. Denn trotz aller kommerziellen Wirren war die AWA hinter der WWF und der zerbröckelnden NWA immer noch die Nummer drei im Lande und in der Lage, durchaus viele zahlende Zuschauer zu ziehen und Stadien füllen.

Doch durch die ungleich tieferen Taschen der WWF wurde die AWA immer mehr zu einer Satelliten-Liga für den Klassenprimus. So sollten später alle der zuvor genannten Talente über kurz oder lang bei der WWF und/oder WCW landen. Auch Shawn Michaels und Marty Jannetty sahen die Zeichen der Zeit und unterschieben einen Vertrag bei der WWF, um das sinkende Schiff zu verlassen. Allerdings sollten sich die beiden Midnight Rockers, die ihr Gimmick wohl etwas zu sehr auslebten, dabei gehörig in den Fuß schießen. Beide wurden wegen exzessivem nächtlichen Feierns nach nur wenigen Wochen wieder gefeuert.

Zweiter AWA-Titel

So sahen sich die beiden übernächtigten Midnight Rockers nun wieder in der Verlegenheit, durch die Territorien ziehen zu müssen. Letztlich kamen sie bei CWA in Memphis unter, einer Partnerliga der AWA. Dort traten die Beiden jedoch als sich selbst glorifizierende Pretty Boy Heels auf. Im Grunde genommen ein Image, wie es Shawn Michaels später als Heartbreak Kid aufgreifen sollte. Die Midnight Rockers lieferten sich bei der CWA daraufhin mehrere Ringschlachten mit den Nasty Boys und konnten sich später die Tag Team Titel der CWA sichern.

 

 

Dadurch kamen sie auch wieder bei der AWA auf den Schirm und konnten dort abermals anheuern. Jedoch traten sie hier wieder als Babyfaces auf, während sei zeitgleich dazu bei der CWA als Heels unterwegs waren. Da nationales Kabelfernsehen in diesen Tagen noch nicht weit verbreitet war, dürfte diese Scharade nur sehr informierten Wrestling-Fans aufgefallen sein. In der AWA sicherten sich die Midnight Rockers ein zweites Mal die Tag Team Titel, woraufhin sie ihre CWA Titel niederlegen mussten. Doch als die Beiden mehr Geld und einen Vertrag einforderten und ihnen dies nicht bewilligt wurde, verließen sie die AWA endgültig.

Das dynamische Duo der WWF

Danach drifteten die Beiden für kurze Zeit ohne eine namhafte Anstellung umher. Doch offensichtlich hatte sie Vince McMahon noch auf dem Schirm. Dieser kontaktierte sie und gab ihnen eine zweite Chance. Nun mehr als „Rockers“ traten sie in der WWF auf und stiegen dort rasch in der Gunst der Fans. Hierbei konnten die Rockers eine ohnehin starke Tag Team Division mit ihrem innovativen Stil komplettieren und sich dabei eine Nische im Herzen der Fans sichern. Insbesondere starke Matches mit den Brainbusters (Arn Anderson und Tully Blanchard) brachte die Rockers auf den Schirm vieler Fans.

Obwohl die Rockers als dynamische Babyfaces durchaus bei den Fans wohlgelitten waren, hatten sie in ihren Matches bei Großveranstaltungen meist eher das Nachsehen. Trotz unbestrittener Popularität versauerten sie so ein wenig inmitten der WWF Tag Team Division – auch wenn diese zugegebenermaßen mit populären Teams gespickt war. Allerdings lieferten sie meist im Ring. So auch bei ihrem Sieg über den Orient Express beim Royal Rumble 1991. Ein Match, dem für damalige Verhältnisse überraschend viel Zeit gegeben wurde und das von vielen Wrestling-Fans gepriesen wurde.

 

 

Unsichtbare Tag Team Champions

Auch wenn die Rockers niemals offiziell die WWF Tag Team Gürtel halten konnten, so gewannen sie diese in der Tat am 30. Oktober 1990. Und zwar gegen die Hart Foundation. Jedoch beruhte, mit Ausnahme der Pay-Per-Views, sämtliches WWF-Fernsehen damals auf Aufzeichnungen. Live-Free-TV wurde in der WWE historisch erst mit Monday Night RAW zu einer dauerhaften Größe. Was sich also im Ring abspielte und was davon letztlich ausgestrahlt wurde, lag im Ermessen der WWF. Genau dieser Umstand sollte der inoffiziellen Titelregentschaft der Rockers zum Verhängnis werden.

Am besagten Tag entrissen die Rockers der Hart Foundation die Tag Team Titel. Doch während des Matches mit der Hart Foundation löste sich nach einem Corner Tackle von Jim Neidhart das oberste Ringseil, wodurch viele der dynamischen Spots nicht mehr oder nur sehr reduziert möglich waren. Das Ringseil wurde nur notdürftig repariert und das Match plätscherte anschließend unspektakulär vor sich hin. Es konnte auch im Schneideraum nicht mehr gerettet werden. Entsprechend wurde es nie ausgestrahlt. Auch eine anschließende Titelverteidigung der Rockers gegen Power & Glory wurde niemals gesendet.

Böses Blut

So begab es sich, dass die Rockers niemals offiziell WWF Tag Team Gold hielten und ihr Titelgewinn keine Anerkennung fand. Dieser Vorfall könnte übrigens auch als Initialzündung für die spätere Rivalität zwischen Bret Hart und Shawn Michaels gelten, da Michaels lange Zeit davon überzeugt war, dass die Hart Foundation das Match absichtlich sabotiert hatte. Allerdings dürfte das Unsinn sein, da die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen es schlicht versäumten, eine richtige Reparatur zu ermöglichen. Für die Fernsehbilder hätte man den ganzen Vorfall dann leicht „weg“ editieren können.

Überhaupt war Bret Hart nicht Nutznießer dieser Entwicklung, da für ihn ein Singles-Push angedacht war, für den er sich aber von seinem Partner lösen musste. Dies verzögerte sich nun. Shawn Michaels hatte übrigens ein ähnliches Problem. Gleichwohl er und Marty Jannetty im Ring beide technisch versiert waren, war Michaels stets der charismatischere, ausdrucksstärkere der Beiden. Zumal er sich hinter den Kulissen zunehmend mit Marty Jannetty verkrachte. Dieser authentische Zwist führte Ende 1991 zum Split des Teams vor den Kameras, besiegelt mit dem berühmten Superkick gegen Marty Jannetty, der anschließend durch eine Glasscheibe geworfen wurde.

 

 

Ein dubioses Ende

Vince McMahon wurde vor dem Split des Tage Teams von Marty Jannetty angerufen, der um eine möglichst kurzfristige Vertragsauflösung für beide Rockers bat. McMahon erklärte sich damit einverstanden, wurde aber zu seiner Überraschung wenig später von Shawn Michaels darüber in Kenntnis gesetzt, dass dieser nie vorhatte, die WWF zu verlassen. Wie es zu diesem scheinbaren Missverständnis kam, wird von Michaels und Jannetty unterschiedlich dargestellt.

Laut Michaels hatte Jannetty zuvor behauptet, ein lukrativeres Angebot von der WCW bekommen zu haben, was sich dann aber als falsch erwies, woraufhin Michaels die WWF verständlicherweise doch nicht verlassen wollte. Jannetty hingegen behauptet bis heute steif und fest, dass Michaels ihn bedrängt hätte, Vince McMahon anzurufen, weil er sich davon wohl etwas Druck erhoffte, dass beide besser bezahlt werden (die Rockers waren eines der schlechter bezahlten Teams). Doch als Vince McMahon einer Vertragsauflösung einwilligte, hätte Shawn wohl Panik bekommen und wäre hinter Martys Rücken an Vince McMahon herangetreten.

Gründe für die Trennung

Wer und ob überhaupt einer von beiden hier die Wahrheit erzählt, werden wohl letztlich nur diese Beiden wissen. Gemessen daran, dass alle zwei als nicht ganz einfache Charaktere gelten (insbesondere zu dieser Zeit), ist es kaum möglich, Wahrheit und Eigeninteresse hier voneinander zu trennen, wenn man den Aussagen beider Männer zum Split der Rockers Gehör verleiht. Auch wenn außer Frage steht, dass Shawn Michaels von dieser Trennung weit mehr profitiert hat als Marty Jannetty.

Der Split der Rockers wurde zur Geburtsstunde von HBK, während Jannetty sich mit Ach und Krach in der Midcard halten konnte, ehe er langsam, aber sicher in der Versenkung verschwand. Auch eine Neuauflage der Rockers (New Rockers), bestehend aus Marty Jannetty und Leif Kassidy (Als Snow) konnte daran nichts ändern. Mitte der 2000er sprachen sich Michaels und Jannetty aber wohl wieder aus und traten bei vereinzelten Gelegenheiten sogar wieder gemeinsam im WWE-Ring auf. Jedoch nur sehr sporadisch, nicht zuletzt, weil Marty Jannetty immer wieder durch Drogenprobleme auffiel. Im August 2020 sorgte Marty Jannetty mit einem Facebook-Post für Aufsehen. In diesem gestand er einen Mord, den er in jungen Jahren begangen haben soll. Nachzulesen ist dies auch in seinem Porträt, welches wir auf Sport-90 veröffentlicht hatten.


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