Die Nasty Boys – Grob und berüchtigt

The Nasty Boys im Porträt

Bildquelle: Endlessdan [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Die goldene Ära der WWF um Hulkamania gilt auch als eine goldene Ära des Tag Team Wrestlings. Selbst in der Attitude Ära, die einige legendäre Tag Teams hervorbringen sollte, war das WWF-Roster nicht so gespickt mit starken Tag Teams, an die sich auch heute noch ein jeder Wrestling-Fan erinnert. Legion of Doom, die originale Hart Foundation, Demolition, die Steiner Brothers, Money Inc., die Rockers, die British Bulldogs, die Brainbusters u.v.m. Ab Mitte der 80er bis Anfang der 90er gab sich ein Who-Is-Who der Tag Team Geschichte in der WWF die Klinke in die Hand. Eine Glanzzeit des Tag Team Wrestlings, wie sie seither nie so ganz wiederkam.

Doch selbst inmitten dieser illustren Geschichte und bärenstarken Tag Team Division schaffte es mit den Nasty Boys ein bis dahin eigentlich noch recht unerfahrenes Tag Team, hervorzustechen und sowohl in der WWF als auch in WCW Titelgold zu holen. Was sie aufs Tableau brachten war ein Look, der aus heutiger Sicht nicht sonderlich bemerkenswert erscheint (quasi jeder Indy-Hardcore oder gar Death Match Wrestler läuft heute so rum). Doch damals stachen die Punks im grellen Street Look im cartoonesken Hochglanz-Produkt des damaligen Mainstream-Wrestlings hervor und beschränkten sich im Ring überwiegend darauf, die Fäuste fliegen zu lassen. Etwas, was sie bei verschiedenen Gelegenheiten auch Backstage taten. Denn die Nasty Boys hatten einen Ruf als harte Prügler, der aus ihrer steifen Arbeit im Ring und diversen echten Auseinandersetzungen Backstage resultierte.

Fast von Anbeginn vereint

Brian Knobbs und Jerry Sags, wie die beiden Nasty Boys im Einzelnen heißen, waren bereits Kindheitsfreunde und beschlossen kurz nach Beginn ihrer Wrestling-Karriere (1985), gemeinsame Sache im Wrestling zu machen. Während die meisten Tag Teams durch einen Booker oder Promoter geformt werden, machten die Nasty Boys (wie sie sich selbst tauften) von da an klar, dass es sie nur im Doppelpack gab.

Eine Entscheidung, die ihnen nicht im Wege stehen sollte. Bereits im berüchtigten Memphis-Territorium konnten sie erste Duftmarken setzen, wo sie als Heel Tag Team in ein Programm mit den Midnight Rockers (Shawn Michaels und Marty Jannetty) verstrickt wurden. Eine Fehde zwischen beiden Teams, die später auch in der WWF über die Bühne gehen sollte. Erstes Titelgold setzte es ab 1989 in Florida Championship Wrestling, wo die „Nasties“ bis 1990 gleich fünfmal das Tag Team Gold der Promotion einsacken konnten.

Prägender Run in der WWF

1990 wurde dann die WCW auf das effektive Heel Tag Team aufmerksam. Dort setzte man sie als Rivalen der Steiner Brothers ein, woraus die Nasty Boys jedoch als Verlierer hervorgingen. Danach ging es rüber zur WWF, wo der Titelerfolg nicht lange auf sich warten ließ. Ihnen wurde Jimmy Hart als Manager an die Seite gestellt, der damals gefühlt jedes Heel Tag Team managte, das nicht bei drei auf dem Baum war. In einem Tag Team Battle Royal um den Spot als Top-Herausforderer, setzten sich die Nasty Boys gegen sechs andere Teams durch. Dadurch wurden sie zu den Top Herausforderern und trafen bei WrestleMania VII auf die Hart Foundation. Beim SummerSlam 1991 mussten die Nasty Boys die Titel dann wieder an die Legion of Doom abgeben.

Anschließend blieben die Nasty Boys noch eine ganze Weile im WWF-TV als prominentes Tag Team präsent, ohne jedoch die Tag Team Titel noch einmal erobern zu können. Es folgten Fehden gegen die Rockers und die Bushwhackers sowie gegen Hacksaw Jim Duggan und Sgt. Slaughter. Dadurch konnten sich die Nasty Boys noch einige Zahltage bei diversen Großveranstaltungen sichern. 1992 kam dann ein Faceturn, als Team-Manager Jimmy Hart die Nasty Boys überging und stattdessen seinen Schützlingen von Money Inc. eine Titelchance zukommen ließ.

 

 

Daraufhin kam die logische Fehde zustande – und eines der wenige Male, dass die Nasty Boys als Babyfaces auftraten. Zwar konnte die Nasty Boys in dieser Fehde, die sie bei den Survivor Series an die Seite der Natural Desasters und gegen Money Inc. und die Beverly Brothers stellte, eine gute Figur machen, aber die Titel konnten sie nicht erlangen.

Zweifelhafter Backstage-Ruf und Entlassung

Bei der WWF sank der Stern der Nasty Boys anschließend. 1993 wurde ihr WrestleMania-Match gegen die Money Inc. zugunsten des zurückkehrenden Hulk Hogan aufgegeben, der stattdessen mit Brutus „The Barber“ Beefcake auf Money Inc. traf. Ansonsten verbrachten die Nasty Boys Zeit damit, sich in ruppigen Matches gegen die Headshrinkers zu einer Reihe von Unentschieden und No-Contests zu prügeln. Dabei wurden auch diverse Gegenstände prominent als Waffen eingesetzt, was ein damals noch sehr ungewohnter Anblick im Mainstream-Wrestling war. 1993 folgte dann auch die Entlassung aus der WWF. Grund soll ein nicht näher definierter Vorfall Backstage gewesen sein, was die Nasty Boys jedoch bis heute abstreiten. Laut ihnen hätten sie Vince McMahon bewusst aufgesucht, weil sie rüber zur WCW wollten und in der WWF keine Perspektive mehr sahen.

Schwer zu sagen, wer hier die Wahrheit sagt. Doch dass die Nasty Boys einen dubiosen Backstage-Ruf weg hatten und im Ring teilweise als übereifrig galten, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Jahre lang brüsteten sich die Nasty Boys damit, keinen Geringeren, als Ken Shamrock vom Balkon eines zweiten Stocks geschmissen zu haben, was laut diesem auch der Wahrheit entspricht. Die Nasty Boys galten Backstage als recht konfrontativ und selbst Mick Foley – immerhin eine definitive Hardcore-Legende und der Mann, der sich vom Undertaker von einem Käfig durch einen Tisch schmeißen ließ – hielt die Nasty Boys im Ring für gefährlich unvorsichtig und hasste es, mit diesen zu arbeiten.

Dreifach Titelgold und prompter Absturz in der WCW

Was auch immer zum Abgang bei der WWF führte, kurz danach kamen die Nasty Boys bei der WCW unter. Dort konnten die Nasty Boys sich dreimal die Tag Team Championship sichern. Böse Zungen behaupten jedoch, dass daran der kreative Einfluss Hulk Hogans, der mit den Nasty Boys bis heute gut befreundet ist, nicht unbeteiligt war. Doch wäre es ungerecht, den Erfolg der Nasties in der WCW nur darauf zu reduzieren. Denn gerade 1994 hatten sie einige sehenswerte Matches mit Cactus Jack (Mick Foley) und Maxx Payne, die in puncto Hardcore eher zu dem gehörten, was man in der ECW zu sehen bekam – und das definitiv bevor WWF und WCW allgemein auf den Hardcore-Zug aufsprangen.

 

 

So kam es, dass die Nasty Boys 1994 auch zum PWI Tag Team des Jahres gewählt wurden – eben wegen dieser innovativen Street Fights (auch wenn ausgerechnet Mick Foley davon wohl nicht angetan war). Danach ging es jedoch abwärts. 1995 folgte noch eine ausgedehnte Fehde gegen Harlem Heat (Booker T und Stevie Ray) ehe es dann zu einem folgenschweren Aufeinandertreffen zwischen den Nasty Boys und den Outsiders der NWO (Scott Hall und Kevin Nash) kam.

Schlägerei und Nackenverletzung beenden Höhenflug der Nasty Boys

Je nach dem, wen der Beteiligten man fragt, bekommt man eine andere Version zu hören. Sicher ist nur Folgendes. Bei einem Match zwischen den Teams wurde Jerry Sags von irgendeinem Projekt hart am Hinterkopf getroffen. Als er sich umdrehte, stand hinter ihm Scott Hall, den er naheliegenderweise für den Schuldigen hielt, sodass er auf ihn losging und inmitten des Wrestling-Matches ein echter Faustkampf entbrannte, der Hall einige Zähne kostete. Hintergrund, dass Jerry Sags so ausflippte, war eine bestehende Nackenverletzung. Diese hatte er angeblich erst auskurieren wollen, doch da die Matches zwischen den Nasty Boys und den Outsiders als Aufhänger für kommende Houseshows bereits offensiv beworben worden waren, ließen sich die Nasty Boys breitschlagen, diese dennoch wahrzunehmen.

Jerry Sags hielt sich dabei kalkuliert zurück und überließ Brian Knobbs die meiste Arbeit im Ring. Doch als es zu dem unglückseligen Treffer kam, brannten bei Sags daraufhin alle Sicherungen durch. So auch bei den Outsiders, von denen wohl Kevin Nash nach dem Match mit einem Baseballschläger in der Umkleide auf Jerry Sags losgehen wollte. Er ließ sich abhalten – jedoch nicht ohne zu drohen, dass die Nasty Boys hier an den falschen Baum gepinkelt hatten. Und so bewahrheitete es sich auch. Da Kevin Nash, Scott Hall und Hulk Hogan den WCW Main Event damals quasi in eigener Sache buchten, waren die Tage der Nasty Boys in der WCW gezählt. Nicht einmal die Freundschaft zwischen den Nasty Boys und Hulk Hogan konnte ihre Entlassung verhindern.

Weg von der Bildfläche

Ihr wenig ruhmreiches Ausscheiden bei der anderen großen Adresse in den USA sowie die Verletzung von Jerry Sags kosteten das Tag Team im Grunde genommen ihren Spot im Mainstream Wrestling. Danach tingelten sie nur noch durch die Indies und hatten lediglich nochmal einen kurzen Run in der WWE (2007). Doch auch der kam über ein Dark Match nicht hinaus, da die Nasty Boys sich bei ihrem Einmarsch wohl derart ausgiebig feierten und alles unnötig in die Länge zogen, dass daraufhin das TV-Taping in Zeitverzug kam. Ferner sollen sie abermals überhart im Ring zu Werke gegangen sein (unter anderem gegen einen jungen Drew McIntyre).

 

 

2010 gab es dann noch ein Intermezzo bei TNA, wo die Nasty Boys (abermals dank Freund Hulk Hogan) unterkamen und in ein zumindest nominell interessantes Programm gegen Team 3D (besser bekannt als die Dudleys) auf die Beine stellen konnten. Doch bei einem Treffen mit verantwortlichen des Fernsehsenders müssen die Nasty Boys wohl einen wenig ruhmreichen Eindruck hinterlassen haben, woraufhin sie zum nun mehr vierten Male aufgefordert wurden, die Koffer zu packen.

Was machen die Nasty Boys heute?

Seither waren die Nasty Boys nur noch sporadisch in obskuren Indy-Promotions zu sehen und sind auch weitgehend aus den Augen der Öffentlichkeit und dem aktiven Wrestling-Geschehen verschwunden. Brian Knobbs machte zuletzt damit von sich reden, 2019 an einer Blutinfektion erkrankt zu sein, deren Behandlung erst durch Crowdfunding durch Fans möglich wurde.

Alles in allem lässt sich wohl festhalten, dass den Nasty Boys ihr (nicht ganz ungerechtfertigter) Ruf und Image als pöbelnde Prügler selbst zu Kopf gestiegen ist. Denn auch wenn sie nicht an allen vorzeitigen Entlassungen allein schuld waren (zumindest in der WCW nicht), spricht es schon für sich, dass sie quasi bei jeder Mainstream-Wrestling-Promotion in den USA mindestens einmal gefeuert wurden. Das ist wohl eine dieser Wrestling-Geschichten, in denen die Kunstform nicht die Realität kopiert, sondern umgekehrt.


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