Luna Vachon – Die ungekrönte Heavy Metal Queen

Wrestlerin Lucha Vachon im Porträt

Bildquelle: Paparazzo Presents [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Durch ihr ausgefallenes Aussehen und überzogen vulgäres Auftreten war Luna Vachon eine der auffälligsten Erscheinungen im Frauen-Wrestling der 90er Jahre. Auch wenn sie vorrangig den meisten wohl noch als Valet bzw. Managerin von Shawn Michaels, anschließend Bam Bam Bigelow und später Goldust in Erinnerung blieb, war sie vor allem in puncto Wrestling eine der wenigen Fackelträgerinnen für das Frauen Wrestling in den 90ern, das in dieser Phase (zumindest in den USA) nicht gerade eine Glanzzeit durchlief.

Vachon war eine ausgebildete Wrestlerin und konnte durchaus im Ring liefern. Allerdings waren die Rahmenbedingungen dafür, dies unter Beweis zu stellen, in den 80ern und 90ern nicht besonders günstig. Dies möglicherweise auch ein Grund dafür, warum Luna Vachon niemals einen Women's Titel in der WWF oder WCW erobern konnte, gleichwohl sie für beide Promotions antrat.

Wrestlerin gegen familiäre Widerstände

Gertrude Elizabeth Vachon war die Adoptivtochter von Butcher Vachon, dem Bruder von Mad Dog Vachon – beide bekannte Wrestler. Gleichwohl sie „nur“ ein Adoptivkind war, hatte sie dennoch Wrestling im Blut. Von klein an war ihr klar, dass sie ebenfalls Wrestlerin werden wollte (so wie ihre Tante Vivian Vachon). Die Vachon-Familie riet ihr davon ab, da eine Karriere als Wrestler (umso mehr noch als Frau) damals ein sehr zähes Geschäft war. Gertrude ließ sich nicht beirren. Auch nicht von ihrem guten Freund Andre The Giant, der ihr ebenfalls davon abriet.

Sie debütierte 1985 für Fabulous Moolahs All-Women's Promotion. Allerdings missfiel Vachon die Zusammenarbeit mit Moolah relativ rasch, sodass daraufhin sie als "Angelle Vachon" in Florida auftrat. Dort teilte sie sich eine Wohnung mit anderen Wrestlern, darunter Scott Levy (später besser bekannt als Raven). Anschließend konnte sie bei Florida Championship Wrestling anheuern, wo sie als "Trudy Herd" backstage Interviews moderierte. In einer Wrestling-Storyline wurde sie schließlich von Kevin Sullivan (der schon immer ein Fan okkulter Gimmicks war) zu einer satanisch anmutenden Wrestlerin umgeformt. Dies prägte sowohl ihr Gimmick als auch ihren Look nachhaltig, da sie sich fortan den Kopf an den Seiten kahlschor, einen Mohawk und Gesichtsbemalung trug.

Dieser Look half ihr auch, vermehrt wieder als die gelernte Wrestlerin anzutreten, die sie eigentlich war. Typischerweise immerzu als Heel. Sie bekam es erstmalig mit Madusa Miceli zu tun. Eine Rivalität, die sowohl in der WWF als auch in der WCW wieder aufflammen und jeweils zu den Highlights von Luna Vachons Karriere zählen sollte. In den restlichen 80ern und frühen 90ern gehörten die AWA (American Wrestling Association) und Stu Harts Stampede Wrestling zu ihren wichtigsten Anlaufstationen.

Erster WWF-Run mit einigen Karriere-Highlights

1992 begleitete Luna Vachon ihren damaligen Mann (der später als Gangrel Karriere machen sollte) zur WWF, wo dieser versuchen wollte, einen Job zu kriegen. Allerdings zeigten sich die Verantwortlichen eher von Luna Vachon beeindruckt und wollten ihr kurz darauf einen Job anbieten. Dock keiner (nicht einmal ihre Eltern) wusste, wo sie zu dieser Zeit zu finden war. Vince McMahon ließ gar einen Privatermittler einschalten, um die Wrestlerin ausfindig zu machen. Wie sich erwies, jobbte sie zu dieser Zeit als Kellnerin in Florida. Sie nahm das Vertragsangebot der WWF an und war erstmals bei WrestleMania IX als neues Valet an der Seite von Shawn Michaels zu sehen. Als solches dauerte es nicht lange, bis sie sich mit ihrer Vorgängerin, Sensational Sherri, in die Haare bekam, was zur ersten WWF Fehde von Luna Vachon führte.

 

 

Später kam es dann zu einer passenden Kombo, als Luna Vachon zum Valet und teilweise auch zur Partnerin in Mixed Tag Team Matches von Bam Bam Bigelow wurde. Möglicherweise die Phase in ihrer Karriere, an die sich die meisten Fans von damals erinnern. Sie unterstützte Bam Bam von außerhalb des Rings in seinen Fehden gegen Tatanka und Co. Auch in einer Fehde gegen Doink The Clown sollte Luna eine Rolle spielen, als sie zum Ziel von dessen Streichen wurde. Bei WrestleMania X besiegten Bam Bam Bigelow und Luna Vachon Doink und dessen Mini Alter-Ego "Dink" in einem Tag Team Match.

Kurz danach fand mit Madusa, die nun als Alundra Blayze in der WWF antrat, eine alte sportliche Rivalin von Luna Vachon ihren Weg in die WWF. Das Ganze vor dem Hintergrund der wiederbelebten Women's Championship, welche Blayze rasch erobern konnte. In einer Serie von Matches versuchte Luna Vachon, dieser den Titel zu entreißen, zog dabei aber stets den Kürzeren. Luna Vachon und Bam Bam Bigelow entzweiten sich. Als diese kurzerhand (in ihrer On-Air Funktion als dessen Managerin) den Vertrag von Bam Bam Bigelow an Ted DiBiase verkaufte, trennten sich deren Wege. Stattdessen nahm Vachon Bull Nakano unter ihre Fittiche und setzte diese darauf an, den Titel von Blayze zu gewinnen, was Nakano auch tatsächlich gelang. Allerdings verließ Vachon die WWF kurz darauf. Nicht jedoch ohne noch ein Stück Wrestling-Geschichte zu schreiben, als sie zum ersten weiblichen spielbaren Charakter in einem WWF-Videospiel (WWF RAW - 1994) wurde.

Intermezzos in ECW und WCW sowie zweiter WWF-Run

Luna Vachon wrestelte danach für eine kurze Zeit in den Indies, ehe sie von Kevin Sullivans Ehefrau Nancy auf die ECW aufmerksam gemacht wurde. Mit ihrem Gimmick passte Luna dort natürlich hin wie Topf auf Deckel. Sie wurde zu einem Valet von Tommy Dreamer, der eine Fehde mit Vachons einstigem Zimmergefährten aus Florida, Raven, am Laufen hatte. Ferner bekam sie es mit dem Vampire Warrior zu tun (eigentlich ihr Ehemann, David Heath, ehe er zu Gangrel wurde). Besonders kurios war jedoch eine Serie von Konfrontationen mit Stevie Richards, den sie sogar in einem Käfig-Match besiegen konnte. In diesem Jahr (1995) endete Luna Vachon auf Rang 306 der Pro Wrestling Illustrated 500, eine jährlich erscheinende Rangliste dieses renommierten Wrestling-Magazins. Luna Vachon war erst die zweite Frau, der dies jemals gelang!

Ein kurzer Run in der WCW 1997 drehte sich vor allem um eine Match-Serie mit Madusa. Gleichwohl Vachon in vielen dieser Matches stark auftreten konnte, gingen die Siege jedoch letztlich immer wieder an ihre ewige Rivalin. Noch im selben Jahr heuerte sie wieder bei der WWF an, wo sie mit ihrem etablierten Gimmick bestens als neue Managerin an die Seite von Goldust passte, der zu diesem Zeitpunkt eine selbst für seine Verhältnisse bizarre Gimmick-Phase durchlief und teilweise im Sado-Maso Outfit im WWF-Ring antrat. Die wohl prägendste Rivalität dieses zweiten WWF-Runs waren ihre Matches gegen Sable, die damals auf einer Welle der Popularität schwamm. Nicht zuletzt, weil sie sich als bereitwilliger Augenschmaus für die damals zunehmend pubertäre Zielgruppe der WWF bestens eignete.

 

 

Allerdings war diese Rivalität (anders als jene mit Madusa/Blayze) keineswegs nur inszeniert. Luna Vachon und Sable konnten einander wirklich nicht ausstehen, was auch in mehreren körperlichen Auseinandersetzungen backstage resultierte. Vachon war gekränkt, weil Sable (die sich zwar verkaufen konnte, aber eine miserable Wrestlerin war) mit Championship Gold bedacht wurde, während sie selbst als verdiente Veteranin immer nur die zweite Geige spielen durfte. Überdies galt Sable hinter den Kulissen als eitel und abgehoben. So hinterließ der zweite WWF-Run, der bis 2000 währen sollte, wohl gemischte Gefühle bei Vachon. Zwar bekam sie mehr Gelegenheit zu wresteln, weil das Roster an Wrestlerinnen viel größer wurde als noch während ihres ersten Runs. Gleichzeitig wurden diese jedoch zunehmend sexualisiert, was Vachon nicht zusagte.

Ein tragisches Lebensende

Bis 2007 blieb Luna Vachon als Managerin ihres Mannes Gangrel sowie als Wrestlerin aktiv. Sie tourte dabei durch kleinere und mittlere Wrestling-Promotions auf der ganzen Welt. 2007 wurde Luna Vachon noch mit einem finalen Title-Run geehrt, als sie bei der nordamerikanischen Indy-Promotion Great Lakes Championship Wrestling den Frauentitel gewann und diesen in ihrem letzten Match verteidigte, sodass sie sich als Champion der Promotion zur Ruhe setzte. Sie verdiente daraufhin ihre Brötchen als Fahrerin eines Abschleppwagens. Bereits 2006 ließ sie sich von David Heath (Gangrel) scheiden, verblieb aber im Guten mit ihm.

In der Weihnachtszeit 2009 folgte ein schwerer Schicksalsschlag, als das Haus von Luna Vachon niederbrannte. Zwar kam dabei keiner zu Schaden, aber sie verlor ihre gesamte Habe. Darunter viele ihrer zweifelsohne sehr teuren Erinnerungsstücke, die sie in ihrer Zeit als Wrestlerin gesammelt hatte. Mick Foley und andere Wrestler initiierten anschließend einen Aufruf an die Fans, entsprechende Erinnerungsstücke, die sie entbehren wollten, an Luna Vachon zu schicken. Im Sommer 2010 kam dann die traurige Nachricht, dass Luna Vachon, die zwischenzeitig bei ihrer Mutter untergekommen war, an einer Überdosis Medikamenten (ein Cocktail aus Benzodiazepinen und Schmerzmitteln) gestorben war. Luna Vachon hatte schon vorher mit einer bipolaren Störung zu kämpfen gehabt und das Feuer rund ein halbes Jahr zuvor muss eine schlimme persönliche Krise eingeleitet haben. Allerdings konnte nie wirklich abschließend geklärt werden, ob es sich bei dieser Überdosis um Selbstmord oder um ein fatales Versehen gehandelt hatte.

Luna Vachon war der schwarze, schrille Paradiesvogel im Frauen-Wrestling der 80er und vor allem 90er. Doch vor allem war sie eine Pionierin unter den Wrestlerinnen, die in dieser Zeit immer noch damit zu kämpfen hatten, extrem marginalisiert zu werden. Als gelernte Wrestlerin, die das Gewerbe aus freien Stücken ergriffen und direkt von ihrem Stiefvater gelernt hatte, war sie ihrer Zeit definitiv voraus gewesen. Doch wie so oft wird so etwas leider immer erst hinterher gebührend gewürdigt. Vachon konnte Zeit ihrer Karriere zwar nie die Frauen-Titel von WWF oder WCW erobern, dafür jedoch in zahlreichen anderen Promotions entsprechende Titel gewinnen.


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