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Tatanka – Ein echter Indianer im WWE-Ring
Redet man mit Kindern der 90er, die damals die WWF verfolgt haben aber seither keinerlei Draht mehr zum Wrestling haben, dann erinnern sich viele sicherlich immer noch an Tatanka. Der phasenweise unbesiegte Indianer aus der WWF kannte in der Tat keinen Schmerz. Wann immer er zu seinem Kriegstanz ansetzte, wurde es bald zappenduster für seine Gegner. Und auch wenn das im Grunde genommen nur eine Neuauflage von Hulk Hogans „Hulking Up“ war, so funktionierte das phasenweise doch erstaunlich gut. Denn nicht wenige dieser ehemals kindlichen Wrestling-Fans wähnten Tatanka als einen ihrer Favoriten.
Dieser Autor hier kennt sogar einen Fall, in dem eines dieser Kinder der 90er aufhörte Wrestling zu schauen, weil es den Heel-Turn von Tatanka, der sich plötzlich auf die Seite des Million Dollar Man Ted DiBiase schlug, nicht verkraften konnte. Was vielen dieser Wrestling-Fans in langen vergangenen Kindertagen nicht bewusst sein mag – Tatanka wrestelt auch heute noch! Er ist überdies in der Tat ein echter Indianer und hat in kombinierten acht Jahren in der WWF/WWE (trotz einer gerade zu Beginn enormen Popularität) niemals auch nur einen einzigen Titel halten können. Etwas, was beim heutigen Titel-Karussell in der WWE unvorstellbar erscheint.
Eine NFL-Karriere ausgeschlagen
Chris Chavis, wie Tatanka mit bürgerlichem Namen heißt, ist ein geborener Indianer vom Stamm der Lumbee. Ehe er zum Pro Wrestling kam, war er bereits ein regional erfolgreicher Bodybuilder und konnte gutes Geld als regionaler Manager einer erfolgreichen Fitness Center Kette verdienen. Aus eben diesem Grund schlug er gar einen Free Agent Vertrag aus, der ihm von den Miami Dolphins geboten wurde. Doch dies war zur Zeit des 1987er Spieler Streiks in der NFL und das ihm gebotene Salär lag wohl deutlich unter dem, was er als Manager verdiente, sodass er sich dagegen entschied.
Ähnlicher Geschäftssinn war es dann wohl auch, der ihn zur Wrestling-Karriere bewog. Entdeckt wurde Chavis der Legende nach von Buddy Rogers (dem originalen „Nature Boy“), der ihn daraufhin zu einer Wrestling Karriere überreden wollte. Ehedem hatte Chris Chavis gar nichts mit Wrestling am Hut gehabt. Er schaute sich daraufhin einige Tapes von WWF-Veranstaltungen an und konnte daran ermessen, wie unfassbar populär die WWF damals war. Dann keimte der Gedanke in ihm auf, dass auch er so seine Brötchen verdienen könnte und Chavis ließ sich schließlich von Larry Sharpe trainieren.
Eines der populärsten Midcard Faces aller Zeiten?
Als echter Indianer war das „Gimmick“ von Tatanka, wenn man es überhaupt so nennen will, von Anfang an klar: Er war ein wrestelnder Indianer. Er debütierte zunächst bei der North American Wrestling Association, die von WWF-Booker George Scott geleitet wurde. Dort sollte er auf die WWF-Karriere und auf erste Tryouts diesbezüglich vorbereitet werden. Eben diese WWF-Karriere nahm ab 1991 ihren Anfang, beschränkte sich jedoch zunächst auf nicht übertragene Dark Matches. Sein TV-Debüt feierte Tatanka am ersten Februar 1992 im Live-TV gegen Pat Tanaka.
Tatanka war von Anfang ein Babyface in der WWF. Seine erste größere Fehde stellte ihn gegen „The Model“ Rick Martel. Genau der richtige Handgriff, wie sich zeigen sollte. Nicht nur konnte der zu diesem Zeitpunkt noch relativ grüne Tatanka von der Zusammenarbeit im WWE Ring mit einem starken Techniker wie Rick Martel profitieren. Rick Martel war auch als materialistischer, arroganter Heel der perfekte Gegenpol zum tugendhaften Indianer auf dem Kriegspfad. Im Zuge der Fehde wurde Tatanka also immer populärer beim Publikum. Ein erstes Gipfeltreffen zwischen Tatanka und Rick Martel kam bei WrestleMania VIII zustande, woraus Tatanka siegreich hervorging.
Siegesserie im TV
Bei den Survivor Series 1992 trafen Martel und Tatanka erneut aufeinander. Abermals blieb der Lumbee-Indianer siegreich. Zu diesem Zeitpunkt war Tatanka wohl so over wie nie. Bei WrestleMania IX im Caesars Palace traf er dann im Eröffnungskampf auf den Intercontinental Champion Shawn Michaels. Auch hier siegte Tatanka. Jedoch lediglich durch Count-Out, wodurch der Titel nicht wechseln konnte. Näher sollte Tatanka einem WWE-Titel nie wieder kommen!
Im WWF-TV blieb Tatanka für über anderthalb Jahre unbesiegt. Dies brachte Jahre später etliche Fans fälschlicherweise dazu, zu mutmaßen, dass seine unbesiegte Serie jene von Bill Goldberg in der WCW überträfe. Das ist jedoch nicht ganz richtig, da Tatanka bei nicht im TV übertragenen House Shows durchaus öfters verlor. Nur im WWF Fernsehen blieb er unbesiegt – wohingegen Goldbergs Siegesserie sich auf alle Formate erstreckte (wohl auch weil das Internet zu dieser Zeit schon seine ersten Schritte machte).
Ein orientierungsloser Heel-Turn
Doch ähnlich wie bei Bill Goldberg war das Reißen der Siegesserie der Anfang vom Ende von Tatankas populärem Zenit. Denn am 30. Oktober 1994 ließ man ihn ausgerechnet gegen Ludvig Borga verlieren. Dieser sollte ein neuer Top-Heel in der WWF werden, zündete jedoch nicht die Bohne bei den Fans und kam nie über eine Rezeption als 08/15 „finsterer Ausländer“ hinaus. Diese Niederlage, gegen jemanden der selbst in der WWF nie die erhoffte Rolle spielen sollte, wirkt im Nachhinein wie eine unglaubliche Verschwendung von Tatankas unbesiegten Tagen. Darauf folgte eine alberne Fehde zwischen Tatanka und IRS, der Tatankas Kopfschmuck besteuern wollte, den er von Chief Jay Strongbow und Wahoo McDaniel geschenkt bekommen hatte.
Doch der größte Fehler folgte, als man Tatanka 1994 zum Heel machte. Dabei war dieser Wandel an sich noch nicht einmal schlecht inszeniert. Tatanka beschuldigte Lex Luger, sich an den Million Dollar Man verkauft zu haben, was in einem Match zwischen den beiden resultierte. Am Ende dieses Matches stellte sich jedoch heraus, dass es Tatanka war, der sich an den Million Dollar Man Ted DiBiase verkauft hatte. War dieser Wandel zwar überraschend und gut in Szene gesetzt, so versackte Tatanka danach ereignislos in der Million Dollar Corporation, wo er nur einer von vielen war. Zumal Tatanka als Babyface quasi immer besser funktioniert hat.
Tatanka Titelsammler im Indy-Bereich
Was Tatanka in dieser Zeit auch nicht weiterhalf: Er wurde in einen Rechtsstreit hineingezogen, da sich ein WWE Wrestler (Jimmy Del Ray) ziemlich übel an einer Frau vergangen hatte, nachdem sie von ihm unter Drogen gesetzt worden war. Es stand der Verdacht im Raum, dass Tatanka auch dabei gewesen wäre, da er und Del Ray abends zusammen gesehen worden waren. Doch vor Gericht konnte Tatanka seine Unschuld zweifelsfrei beweisen.
Es folgte noch eine Fehde gegen Bam Bam Bigelow, bei dem quasi die umgekehrte Konstellation vorlag wie bei Tatanka, da Bigelow in eine Babyface Rolle gezwungen wurde, die ihm eigentlich nicht lag. Im Herbst 1996 verabschiedete sich Tatanka dann aus der WWF. Allerdings ging diese Trennung von Tatankas Seite aus, da er den Reisestress nicht mehr mitmachen wollte. Er nahm ab 1997 wieder Bookings im Indy-Bereich an, die er sich selbst einteilen konnte. Zur WCW wollte er hingegen nicht, wahrscheinlich weil ihn dort derselbe Reisestress (mehr oder minder) wie in der WWF erwartet hätte.
Damit begann ein bis heute anhaltender Run von Tatanka im Indy-Bereich, wo er bei etlichen kleinen Promotions dieser Welt Titelgold holen konnte. Durchaus auch mehrfach in Deutschland! Ein späterer WWE-Run (2005-2007) verlief eher ernüchternd, da Tatanka mit seinem Indianer „Gimmick“ dort wie aus der Zeit gefallen schien und quasi nur für andere jobbte. Außerdem machte die WWE dann den Fehler, ihn wieder zum Heel zu machen. Tatanka verließ die WWE zwar 2007, kehrte aber hier und da für gelegentliche Überraschungsauftritte zurück. Heute hat Tatanka einen WWE Legenden-Vertrag und wrestelt bestenfalls noch in Teilzeit.