Was macht Jake "The Snake" Roberts heute?

Jake

Bildquelle: John McKeon from Lawrence, KS, United States [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Fragt man WWE- bzw. WWF-Fans, welche die 80er aktiv miterlebt haben, wer ihre Lieblings Bösewichte waren, dann wird der Name Jake "The Snake" Roberts wohl überdurchschnittlich oft fallen. Die Schlange gilt im Wrestling heute noch als Referenz dafür, wie ein Heel psychologisch im Ring zu agieren hat. Das Ganze gepaart mit seinen kalten, subtil bedrohlichen Promos, die ganz seinem Gimmick als kaltblütiger Opportunist entsprachen.

Allerdings steht Jake "The Snake" Roberts auch sinnbildlich für viele bekannte Wrestler aus jener Zeit, die gesundheitlich und vor allem in puncto Drogenkonsum total eskaliert sind. Viele bis hinein in ein frühes Grab. Doch anders als bei den meisten seiner Weggefährten war es nicht allein das absurd hektische Wrestling-Business, das ihn in die Abhängigkeit trieb. Denn Jake "The Snake" Roberts trank bereits mit elf Jahren. Er kam aus einem zerrütteten Haushalt, in dem Gewalt und sexueller Missbrauch herrschten.

Jake "The Snake" Roberts, ein Genie im und um den Ring. Doch ein ziellos Getriebener abseits davon. Heute ist er geheilt und spricht mit schonungsloser Offenheit über die Dämonen, die ihn zeitlebens geplagt haben.

Keine glückliche Kindheit

Aurelian Jake Smith Jr. (wie Jake "The Snake" Roberts mit bürgerlichem Namen heißt) war ein über alle Maßen schwieriger Start ins Leben in die Wiege gelegt. Seine Mutter war kaum eine Teenagerin, als sie ihn auf die Welt brachte. Das lag daran, weil sein Vater, Grizzly Smith (selber ebenfalls ein Wrestler), päderastische Neigungen hatte. Eigentlich war dieser mit der Mutter der damals 13-jährigen, und somit Jakes Großmutter, liiert. Doch als diese schlief, stattete Grizzly Smith dem Kinderzimmer einen Besuch ab und zeugte dort seinen Sohn mit einer 13-Jährigen.

Jakes Vater selber war ein starker Alkoholiker und war selber nahezu permanent außer Haus, da er als Wrestler durchs Land zog. Seine Kinder über die choreografierte Natur dieser Kämpfe aufzuklären, kam dem Mustervater dabei natürlich nicht in den Sinn, sodass Jake konstant um seinen Vater fürchtete. Insbesondere weil dieser angeblich im Ring erlittene Verletzungen auch zu Hause verkaufte. Jakes Großmutter war die einzige Erzieherin in seinem Leben, zu der er liebevoll aufschauen konnte. Doch starb sie recht früh an Krebs.

Noch schlimmer wurde es, als Grizzly Smith eine neue Lebenspartnerin bekam. Diese Stiefmutter bereitete Jake endgültig eine richtige Hölle auf Erden, da sie ihn schlug und gelegentlich gar sexuell missbrauchte. Später erfuhr Jake ein abermaliges Trauma, als seine Schwester im Alter von 18 Jahren unter sehr verdächtigen Umständen verstarb. Als junges Mädchen wurde sie regelmäßig Opfer der sexuellen Übergriffe des Vaters und musste wohl gar drei abgebrochene Schwangerschaften über sich ergehen lassen. Als sie später mit einem 55-Jährigen Mann von zu Hause floh, wurde sie wieder schwanger. Dann trat allerdings dessen Ex-Frau auf den Plan und ließ Jakes Schwester aus Rache verschwinden. Ein Mord konnte ihr nie nachgewiesen werden, da niemals je eine Leiche gefunden wurde. Bis heute nagt insbesondere diese voraussichtliche Ermordung seiner Schwester mehr an Jake als alles Andere.

Wrestling als Fluch und Segen zugleich

Jake "The Snake" Roberts wurde, wie auch sein Halbbruder und seine Halbschwester (die übrigens später ebenfalls angab, vom Vater von Kindesbeinen an missbraucht worden zu sein), ein Wrestler. Teils wollte er sich damit gegenüber seinem Vater beweisen, der ihn immerzu gering schätzte, ihm gar ins Gesicht gesagt hatte, dass er es im Leben zu nichts bringen würde. Als sehr gekonnter, kalkulierender Redner und mit einer dunklen Ausstrahlung sollte Jake "The Snake" Roberts ein charismatischer Magnet werden, der die Meriten seines Vaters bei Weitem übertraf. Und was ihm im Ring an Athletik fehlte, machte er durch Timing, gute Fan-Interaktion und ein Gespür für den Matchverlauf wieder wett.

 

 

Segensreich war für ihn dabei, dass er seinem desaströsen Zuhause den Rücken kehrte und naturgemäß reichlich Ablenkung in seiner neuen, aufregenden Tätigkeit fand. Doch seine Dämonen nahm er mit auf die Reise. Schon vor seinem Eintritt ins Wrestling-Business war der junge Jake "The Snake" Roberts ein lupenreiner Alkoholiker gewesen. Etwas, was sich nun intensivierte. Ganz zu schweigen davon, dass noch diverse andere Drogen dazu kamen, wie sie in der Umkleide und abseits davon unter den Wrestlern zu jener Zeit die Runden machten. Doch sollte es vor allem der Alkohol bleiben, der Jake "The Snake" Roberts bis ins hohe Alter begleitete und an den Rand der Selbstzerstörung spülte.

Eine Ikone der 80er WWF

Jake "The Snake" Roberts sollte gewissermaßen zum Beinahe-Superstar der WWF werden. Ehe er dort unterkam, war er in den 70ern zunächst in Louisiana und dann in einer weiteren Reihe von regionalen Promotions aktiv. Sein größter Erfolg dabei war der Gewinn der 6-Man-Tag-Team-Championshp bei der WCCW (World Class Championship Wrestling) an der Seite von Gentleman Chris Adams und Gino Hernandez gegen die Von Erich Brüder. Doch erst in der WWF, wo er ab 1986 anheuerte, entwickelte Jake "The Snake" Roberts sein Alter Ego. Er kam fortan mit einer Boa im Jutesack, genannt Damien, zum Ring. Ein ungewöhnliches Alleinstellungsmerkmal. Ferner betrat er den Ring nur noch, indem er auf dem Bauch unter dem untersten Ringseil hindurchglitt – ganz einer Schlange ähnlich. Die Schlange “Damien“ (sowie diverse Nachfolger) wurde im Laufe der Jahre übrigens von unterschiedlichen Schlangen verkörpert.

Durch seine reduzierten und doch souverän vorgetragenen Promos entwickelte Jake "The Snake" Roberts ein subtil bedrohliches Gimmick, das ganz seinem tierischen Begleiter entsprach. Eingedenk dessen und seiner guten Arbeit im Ring wurde Roberts bei den Fans immer beliebter und erhielt gar ein eigenes Talk-Segment – das Snake‘s Pit. Im Laufe seines ersten WWF-Runs (von 1986 bis 1992) wandelte sich Roberts zwangsläufig zum Babyface. Er bekam so wohlwollende Reaktionen von den Fans, dass der WWF nichts Anderes übrig blieb, als ihn zum Babyface umzukehren. Und das just bevor Jake "The Snake" Roberts eigentlich eine Rivalität mit Hulk Hogan aufbauen sollte. Doch in einer Zeit, als die Formel Babyface gegen Heel noch viel rigider gehandhabt wurde als heute, war das undenkbar. Und so brachte Roberts offenkundige Popularität ihn ironischerweise um mehrere Main Events und fette Zahltage.

Der richtige Ort zur falschen Zeit

Solche Entwicklungen, bei denen Roberts in letzter Minute um in Aussicht gestellt Pfründe gebracht werden sollte (oftmals aus reinem Pech), sollten sich mehrfach wiederholen, wodurch er sich nie unter die historisch großen WWE Titelträger einreihen konnte. Schon im Vorfeld der nicht zustande gekommenen Rivalität mit Hulk Hogan musste ein Intercontinental Titel Run vertagt werden, da sich Jake "The Snake" Roberts nach einer Serie von Schlägen mit einer Gitarre durch den Honky Tonk Man (dem amtierenden Intercontinental Champion) am Genick verletzt hatte und die WWF sich folglich gegen den Titelwechsel entschied. Damals waren die Gitarren noch nicht präpariert. Jake "The Snake" Roberts wurde also eine echte Gitarre über dem Schädel zerdonnert. Keine gute Idee, wie sich zeigte. Dass Roberts die Verletzung verschleppte, war auch einer der Gründe dafür, warum er einige Jahre später unters Messer musste.

Ähnliches Pech hatte Jake Roberts, als er Anfang der 90er eine Serie von Matches gegen den Ultimate Warrior bestreiten sollte. Zunächst stand er als dessen Mentor an seiner Seite, um ihn auf ein Match gegen den Undertaker vorzubereiten. Nur um den Ultimate Warrior zu hintergehen und zu verkünden, dass man einer Schlange niemals trauen dürfe. Alles war in Stellung für eine Fehde mit einem, wenn zu diesem Zeitpunkt nicht gar dem Top-Babyface der WWF. Und dann wurde der Ultimate Warrior gefeuert! Wieder ein Strich im Kerbholz, der in letzter Sekunde nicht zustande kam. Allerdings konnte Roberts später eine Fehde mit dem Macho Man Randy Savage durchziehen, die dessen Rückkehr in den WWF-Ring markierte. Eingeleitet mit einem Echten (wenn auch entgifteten) Kobra-Biss im Ring, der bis heute millionenfach auf YouTube geklickt wurde!

Verbrannte Erde bei WWF und WCW

Neben Mr. Perfect und Rowdy Roddy Piper gilt Jake "The Snake" Roberts wohl als der berühmteste Wrestler der goldenen Ära der WWF, der nie einen großen Titel halten konnte. Leider verlor seine Karriere mit dem Abgang 1992 stark an Glanz, da er nirgends mehr an die alten Tage anknüpfen konnte. Dabei beharrte Jake "The Snake" Roberts 1992 noch selber auf seine Entlassung, drohte gar WrestleMania zu boykottieren, sollte ihm diese nicht bewilligt werden. Grund war, dass ihm eine Position im Kreativ-Team, die ihm wohl vorher in Aussicht gestellt wurde, nicht zugebilligt wurde, als sich die Situation ergab. Später bereute Roberts diesen Abgang laut eigener Aussage jedoch.

Für ihn ging es zunächst zur damals logischen Alternative – zur WCW. Allerdings verließ er diese noch im selben Jahr. Ein vertraglicher Disput zwischen ihm und dem zwischenzeitlich neuen Ansprechpartner Bill Watts (er und Roberts waren sich wohl aus früheren Tagen nicht grün), bei dem es wohl um jede Menge Geld ging, sorgte für den raschen Abgang von Jake "The Snake" Roberts. Danach tourte dieser durch Promotions auf der ganzen Welt. Unter anderem kam er bei New Japan Pro Wrestling, bei der mexikanischen AAA Promotion und bei Jim Cornettes Smokey Mountain Wrestling unter.

Angekratzter Ruf und Rückkehr zur WWF

In dieser Phase als ringender Globetrotter wurde aber auch immer offenbarer, dass Jake "The Snake" Roberts langsam aber sicher nicht mehr Herr seines Handelns war. Er galt als unzuverlässig. So erinnerte sich Jim Cornette daran, wie er Jake "The Snake" Roberts zum Champion von SMW machte, bis dieser plötzlich nicht mehr erschien. Ständig brachte er irgendwelche Ausreden. Selbst dann, als SMW rund 15 Meilen von seinem Wohnort veranstaltete.

 

 

1996 kam Roberts nach rund einjähriger Pause vom Wrestling wieder bei der WWF unter. Zwar immer noch als Jake "The Snake" – diesmal jedoch mit einem zusätzlichen Gimmick als religiöser Eiferer. Hintergrund war, dass Roberts sich tatsächlich phasenweise als Wanderprediger betätigt hatte. So war er nicht zuletzt aus einem neu gefundenen Glauben heraus in dieser Phase (laut eigener Aussage) trocken. Ein Thema, das die WWF sogar direkt aufgriff. Beim King of the Ring 1996 traf der geläuterte Jake "The Snake" Roberts im Turnierverlauf auf Vader. Zwar bekam Jake "The Snake" Roberts den Sieg zugesprochen, verletzte sich aber tatsächlich in diesem Match, sodass er das Finale nur sehr kurz halten konnte und von einem gewissen „Stone Cold“ Steve Austin in nur wenigen Minuten einseitig ausgeschaltet wurde. Dieser eindeutige Sieg und die anschließende, berüchtigte Austin 3:16-Promo (in Anspielung auf den Bibelvers Johannes 3:16, den Roberts häufig zum Besten gab) galten als erster großer Meilenstein für „Stone Cold“ auf dem Weg zur Spitze.

Heftiger Absturz für rund 15 Jahre

Während Austin seine Brandrede als King of the Ring Sieger hielt, wurde der geschlagene und, wie gesagt, tatsächlich verletzte Jake Roberts aus der Halle geschleppt. Ein bezeichnendes Bild, denn es war der letzte wirklich große Auftritt von Jake Roberts bei einer WWF-Großveranstaltung. Danach bekam er den ehemals versprochenen Platz im Kreativ-Team, galt aber als schwieriger, wankelmütiger Charakter. Laut eigener Aussage fiel ihm damals der Übergang schwer, weil er eigentlich auch gerne noch wrestlen wollte, dazu aber körperlich nur noch eingeschränkt in der Lage war.

Roberts wurde rückfällig. Damit leitete er eine Abwärtsspirale ein, die knapp 15 Jahre Bestand haben sollte. Im Februar 1997 wurde Roberts von der WWF entlassen. Er tingelte für den Rest seiner Karriere in unregelmäßigen Abständen durch diverse Independent Promotions. Wie besorgniserregend sein Zustand war, wurde dabei erstmals 1999 beim völlig verkorksten Heroes of Wrestling PPV offenbar, wo Jake Roberts stockbesoffen vor den Kameras erschien und eigentlich im Main Event gegen Jim Neidhart kämpfen sollte. Dieser wurde notgedrungen zu einem Tag Team Match zwischen Roberts und Yokozuna gegen Neidhart und King Kong Bundy umgebucht, damit man Roberts möglichst aus dem Geschehen im Ring fernhalten konnte.

Rettung durch einen ehemaligen Schüler

Auch weitere Auftritte über die Jahre gaben nicht wirklich Anlass zur Hoffnung. So wurde Jake "The Snake" Roberts einmal im Vorfeld eines Wrestling-Auftritts abermals völlig betrunken und eingeschlafen in seiner Kabine gefunden. Um sich herum rund 20 Fläschchen Wodka. Viele Fans antizipierten Jake Roberts schon als eine baldige Todesanzeige. Doch 2012 wendete sich endlich das Blatt! Roberts, bei dem alle Maßnahmen bis dahin versagt hatten, kam bei seinem Freund und ehemaligen Lehrling Diamond Dallas Page unter, der seinen Mentor nicht vor die Hunde gehen lassen wollte.

Jake Roberts war zu diesem Zeitpunkt übergewichtig und in erbärmlicher Kondition. Laut eigenen Angaben konnte er kaum Distanzen zu Fuß zurücklegen, ohne sofort kurzatmig zu werden. Eben dort setzte DDP unter anderem an. Mit seinem patentierten Yoga-Programm machte er Jake Roberts wieder fit und sorgte dafür, dass dieser so gesund aß, wie wohl in seinem ganzen Leben noch nicht. Ferner verlangte er von ihm ab, dass es keinen Tropfen Alkohol geben würde. Und tatsächlich konnte Roberts mit DDPs Hilfe sein Leben im reifen Alter von heute über 60 Jahren auf die Reihe bringen. Hierbei machte sich auch im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt, dass Jake Roberts immer noch einige Fans hatte. Diese folgten einem Spendenaufruf, um notwendige Operationen für ihn zu bezahlen, was einen sonst so kalkuliert kalten Jake "The Snake" Roberts zu Tränen rührte!

In der inspirierenden Dokumentation „The Resurrection of Jake the Snake“ (Die Wiederauferstehung von Jake The Snake) ist dieser Prozess der Heilung festgehalten. Heute ist Jake "The Snake" Roberts zum ersten Mal in seinem Leben im weitestgehenden Sinne gesund. Die Depression, die seiner Sucht zugrunde lag, gilt als überwunden. Wenn überhaupt hat sein Werdegang bewiesen, dass er konstitutionell ein harter Hund ist. So hat er (unter vielen anderen) beispielsweise die drei Weggefährten überlebt, die beim Heroes of Wrestling Debakel mit ihm im notgedrungenen Tag Team Match im Ring waren. Und selbst eine zweifache Lungenentzündung und der Krebs haben ihn seit seiner Heilung nicht in die Knie zwingen können. Aber wie sollten sie auch? Eine Schlange hat keine Knie!


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