Radsport: Wie verläuft die Tour de France 2020? - Ein erster Zwischenbericht

Zwischenbericht Tour de France 2020

Bildquelle: Hejsa CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Unter dem Druck und den besonderen Umständen der Corona-Krise sind nahezu alle sommerlichen Sportereignisse von Weltrang abgesagt worden. Nicht so die Tour de France 2020, die lediglich etwas später im Jahr stattfindet, als es unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre. Eine echte Wildcard von einer Tour de France, bei welcher der Tour de France Gewinner 2020 nur sehr schwer zu antizipieren ist. Auf der einen Seite stehen viele nominell starke Teamkapitäne. Vor allem jedoch ließ sich nicht viel über die Form erahnen, da die meisten anderen Radwettbewerbe im Vorfeld abgesagt worden waren. So war die Tour de Suisse 2020 abgesagt worden und auch das andere traditionelle Vorbereitungsrennen, das Critérium de Dauphiné, war nur in reduziertem Umfang ausgetragen worden.

Ganz spurlos gehen die Corona bedingten Umstände nicht am Wettbewerb vorbei. Zuschauermengen sollen vermieden werden, weshalb bei Starts und Zieleinkünften der Etappen strenge Auflagen herrschen. Aus eben diesem Grund startete die Tour auch dieses Jahr nicht (wie sonst üblich) mit einem Prolog und es wird auch nur ein einziges Einzelzeitfahren geben, bei dem es recht viel bergauf geht. Überhaupt ist diese Tour de France für Bergfahrer gemacht. Zu ihnen gehört auch der deutsche Radsportler und Bora-Hansgrohe Teamkapitän Emanuel Buchmann, der seinen vierten Rang im vergangenen Jahr verbessern und bei dieser Tour de France unbedingt aufs Podium will.

Wie nah oder fern er diesem Ziel ist, so wie alles andere, lässt sich unserem ersten Zwischenbericht zur Tour de France 2020 entnehmen!

Schwierige Startbedingungen

Anders als sonst üblich, startete die diesjährige Tour de France nicht mit einem Prolog. Stattdessen sprang man gleich ins kalte Wasser mit einer Etappe, die in Nizza begann und endete. Und einem Sprung ins kalte Wasser glich diese Etappe in der Tat, denn regnerische Bedingungen führten zu vielen Stürzen. Am härtesten traf es Pavel Sivakov, der aufgrund mehrerer Stürze geschlagene 13 Minuten verlor! Mehrere Ausreißer versuchten ihr Glück, doch letztlich konnte sich Alexander Kristoff in einer Sprintankunft vor Radsportweltmeister Mad Pedersen und Cees Bol durchsetzen. Er streifte als Erster das gelbe Trikot bei der Tour de France 2020 über.

Auch die zweite Etappe startete und endete in Nizza. Vom Profil her hätte sie jedoch kaum unterschiedlicher als die Etappe vom Vortag sein können, denn es setzte sogleich 4.000 kollektive Höhenmeter, verteilt auf drei Berge (eine 2. Kategorie sowie zwei 1. Kategorien). Bereits früh wurde attackiert. Darunter mischte sich mit Peter Sagan sogar ein Sprinter – wohl, um beim ersten Zwischensprint mitreden zu können. Denn dass es hier keine Sprintankunft geben würde, so viel war mal sicher. Am Ende gewann Julian Alaphilippe die Etappe. Wieder einmal präsentierte sich der angriffslustige Franzose früh als Publikumsliebling und eroberte gelb. Hinter ihm kamen Marc Hirschi und Adam Yates über die Ziellinie. Auch Max Schachmann war unter den ersten zehn zu finden. Doch die meisten der wirklich starken Bergfahrer hatten sich an diesem Tag noch bedeckt gehalten.

Dreimal Start in Nizza

Die dritte Etappe führte von Nizza nach Sisteron. Unter den Ausreißern lieferten sich Benoit Cosnefroy sowie Anthony Perez einen Kampf um das noch „junge“ gepunktete Trikot. Dabei sollte Perez großes Pech haben. Zwar konnte er im Rennverlauf zum virtuellen Leader in der Kategorie um das Bergtrikot werden, stürzte jedoch während einer Abfahrt und musste mit gebrochenem Schlüsselbein ausscheiden. Am Etappenziel kam es zum zu erwartenden Sprint, wobei sich Caleb Ewan vor Sam Bennett durchsetzte. Alaphilippe blieb jedoch in Gelb.

Etappe Nummer vier führte von Sisteron nach Orcières-Merlette. Eine hügelige Angelegenheit für Puncher, die jedoch mit einer Bergankunft der 1. Kategorie anspruchsvoll endete. Früh fanden sich einige Ausreißer, die bis zu vier Minuten auf das Peloton herausfahren konnten. Unter ihnen Nils Politt, den man sicherlich nicht zum letzten Mal als Angreifer bei dieser Tour de France sehen wird. Jedoch war es mit Primoz Roglic letztlich einer der Favoriten bei der diesjährigen Tour de France, der die Etappe gewinnen konnte. Hinter ihm sein slowenischer Landsmann Tadej Pogacar. Noch waren die Kräfteverhältnisse jedoch recht nah beieinander, da eine große Gruppe bei diesem Sprint bergauf gemeinsam ankam. Darunter auch die meisten Favoriten, wie Thibaut Pinot, Egan Bernal usw.

 

 

Recht beunruhigend: Manu Buchmann verlor hier bereits neun Sekunden, was im Kontrast zu so vielen anderen starken Bergfahrern und so früh im Wettbewerb nicht gut aussah. Auch Enric Mas und Richard Carapaz verloren Zeit.

Adam Yates übernimmt gelb

Etappe fünf führte von Gap nach Privas und war wieder eine Angelegenheit für die Sprinter, gleichwohl sich mit Kasper Asgreen und Thomas de Gendt zwei bekannte Radfahrer an einer frühen Attacke versuchten – jedoch ohne Erfolg. Hier ließen die Teams der Sprinter sich nicht lumpen. Am Ende verpasste Cees Bol die Gelegenheit, einen sehr starken Lead Out durch sein Team Sunweb mit dem Etappensieg zu belohnen. Auf den letzten Metern ließ er sich noch von Wout Van Aert die Wurst vom Teller ziehen! Rang drei belegte Sam Bennett vor Peter Sagan, der sich somit das grüne Trikot sichern konnte. Gelb wechselte zu Adam Yates, da Alaphilippe im Zuge einer minderen Regelwidrigkeit mit Strafzeit belegt worden war.

Die sechste Etappe bescherte den ersten echten Ausreißer Erfolg bei dieser Tour de France. Die lang gezogene Etappe verlief im Wesentlichen flach, endete jedoch mit gleich drei Bergkategorien in Serie sowie mit einer leicht ansteigenden Zieleinfahrt. Es ging von Le Teil nach Mont Aigoual. Acht Ausreißer konnten eine Lücke von bis zu sechs Minuten schaffen. Die Gruppe bestand aus Nicolas Roche, Greg Van Avermaet, Jesús Herrada, Rémi Cavagna, Neilson Powless, Edvald Boasson Hagen, Daniel Oss und Alexey Lutsenko. Letztlich erwies sich Lutsenko an diesem Tag als der stärkste der Ausreißer und konnte mit 55 Sekunden Vorsprung als Erster über die Ziellinie fahren, nachdem er aus dem Zerfall der Ausreißergruppe als stärkster hervorgegangen war. Adam Yates blieb jedoch in Gelb.

Peter Sagan übernimmt das grüne Trikot mit der Brechstange

Auf dem Papier hätte die siebte Etappe von Millau nach Lavaur eigentlich eine weitgehend flache, ruhige Angelegenheit werden können. Doch Bora-Hansgrohe hatte wohl andere Pläne, als das Team von Anbeginn an Betrieb machte und ein hohes Tempo erzwang. Die Rechnung ging auf: Das Hauptfeld teilte sich und Peter Sagans Rivalen um das grüne Trikot verloren nach und nach den Kontakt. Eine Gruppe mit Ewan, Kristoff, Viviani, Bol, Greipel und Nizzolo war die erste in den Seilen. Irgendwann war dann auch Sam Bennett im grünen Trikot distanziert. Im reduzierten Schlusssprint setzte sich jedoch Wout Van Aert für Jumbo-Visma durch und gewann somit seine zweite Etappe bei dieser Tour de France. Ärgerlich! Peter Sagan konnte sich im Schlussspurt nicht gut positionieren und wurde nur 13ter. Zwar reichte das aus, um das grüne Trikot zu übernehmen. Jedoch war eine Chance, hier wichtige zusätzliche Punkte zu machen, vertan.

 

 

Etappe acht verlief von Cazères nach Loudenvielle und stellte den ersten echten Knüppel von einer Bergetappe dar. Zwei erste Kategorien sowie eine Sonderkategorie standen auf der Speisekarte. Die ersten am Buffet sollten eine Ausreißergruppe von zunächst 13 Fahrern sein. Unter ihnen abermals Neilson Powless, der wieder einer ambitionierten Attacke beiwohnte. Im Rennverlauf reduzierte sich die Gruppe, sodass letztlich nur acht Fahrer, mit zum Teil mehreren Minuten Abstand zueinander, vor den Favoriten ankamen. Der Franzose Nans Peters konnte dabei den wohl bedeutendsten Gewinn in seiner Karriere klar machen, als er die Etappe für sich entschied. Powless wurde Fünfter.

Bei den Favoriten und starken Bergfahrern kamen Miguel Ángel López, Adam Yates, Egan Bernal, Mikel Landa, Guillaume Martin, Primoz Roglic, Nairo Quintana und Rigoberto Uran gemeinsam an. Tadej Pogacar konnte mit einer späten Attacke wieder etwas Zeit auf diese Gruppe gutmachen und wurde Neunter. Enric Mas, Richard Carapaz, Manu Buchmann und (sehr überraschend) Thibaut Pinot verloren Zeit. Thibaut Pinot kam erst über 25 Minuten nach dem Etappensieger Peters an! Damit ist sonnenklar, dass Pinot bei dieser Tour keine Rolle spielen wird, wenn es um das Gesamt-Klassement geht.

Ein erstes Stand-Off der Favoriten?

Die neunte und letzte Etappe vor dem ersten Ruhetag führte von Pau nach Laruns. Eine Etappe mit einem bunten Strauß an Bergwertungen (von 4. Kategorie bis 1. Kategorie), die jedoch annähernd flach enden würde. Auch hier gab es einige klare Standortbestimmungen. Trotz eines intensiven Rennbeginns konnte sich vorerst keine Ausreißergruppe lösen. Erst der Schweizer Marc Hirschi konnte eine Lücke schaffen. Dahinter eine Gruppe aus acht Verfolgern, unter ihnen der deutsche Radrennfahrer Lennard Kämna.

 

 

Hirschi baute seinen Vorsprung mit starker Einzelleistung auf viereinhalb Minuten aus. Die Verfolger wurden derweil vom Peloton geschluckt. Das Hauptfeld um die Klassement-Fahrer verringerte auch sukzessive den Abstand zu Hirschi, sodass auch diese Gruppe selbst sich immer weiter ausdünnte. Unter den Opfern war Emanuel Buchmann. Später musste auch Adam Yates im gelben Trikot die Segel streichen, als einer Attacke von Tadej Pogacar nur Primoz Roglic, Egan Bernal, Mikel Landa und Richie Porte folgen können. Porte muss später ebenfalls abreißen lassen. Die vier namhaften Verfolger schlossen schließlich zu Hirschi auf und es kam zum Sprintduell der Fünf, wobei Pogacar die stärksten Beine hatte. Das gelbe Trikot wechselte indes zu Primoz Roglic.

Buchmann wird wohl leider keine Rolle spielen

Natürlich stehen die großen Königsetappen noch an. Doch eingedenk des sehr bergigen Profils der diesjährigen Tour de France lassen sich schon einige belastbare Impressionen sammeln. Und laut denen sieht es nicht gut aus für die Ambitionen von Manu Buchmann. Der ist im Gesamt-Klassement schon jetzt mit 5 Minuten und 45 Sekunden klar auf Rang 18 verwiesen. Wann immer die nominellen Favoriten bei dieser Tour den Hammer niedersausen ließen, gehörte Buchmann wenig später zu den Opfern. Scheinbar hat Emanuel Buchmann seinen Sturz im Rahmen seiner Vorbereitung doch nicht ganz so gut verwunden, wie erhofft.

Aus dem Kampf um die Bergwertung lässt sich noch nicht viel lesen. Hier liegt mit Benoît Cosnefroy noch ein klarer Außenseiter vorne, der sich etliche Fleiß-Punkte bei seinen Attacken und Kilometern in Ausreißergruppen verdienen konnte. Doch sobald erst einmal in den Bergen von einigen Schwergewichten (oder sollte es eher heißen: Leichtgewichten?) die Sparrings-Handschuhe ausgezogen werden, dürfte den sympathischen Underdog wohl die Realität einholen. Im Kampf ums grüne Trikot möchte man hingegen sagen: „The same procedure as every year!“ Denn wieder einmal ist Renntaktik-Fuchs Peter Sagan in Front. Und das, ohne bislang eine Etappe gewonnen zu haben.

Die nächsten sechs Etappen, zwischen dem heutigen und dem nächsten Ruhetag, gehören zu den längsten Etappen der diesjährigen Tour de France. Auch zwei Bergankünfte, eine der ersten und eine der Sonderkategorie, wird es geben. Dabei wird sich weiterhin die Spreu vom Weizen trennen. Doch die wirklich entscheidende Rennphase wird wohl erst in der letzten Rennwoche folgen.


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