Die unterschiedlichen Fahrertypen im Radsport

Welche Radsport Fahrertypen gibt es?

Bildquelle: I, Nicrid16 [CC BY-SA 2.5], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Radsport ist ein extrem performancelastiger Sport. Wenn es an einem Tag bis zu über 200 Kilometer zu fahren gilt, um am Ende idealerweise als Erster über die Linie zu kommen oder wenigstens sicherzustellen, dass dieses einem Teamkameraden gelingt, dann geht das an die Substanz. So wie es unterschiedliche Streckenprofile im Profi-Radsport gibt, so gibt es auch unterschiedliche Fahrertypen, die in diesen Rennabschnitten dominieren und von unterschiedlichen taktischen Bedeutungen für ihre Teams sind.

Größtenteils gibt die Physis vor, welcher Fahrertyp ein Radprofi ist. Ein Hüne von knapp zwei Metern wird kaum zum elitären Kletterer taugen, während ein 58-Kilo-Hänfling kaum mit den kraftvollen, schnellen Sprintern mithalten können wird.

 

Aber auch mentale Aspekte, wie technische Kurvenfahrt, langes Einhalten einer aerodynamischen Haltung oder Risikobereitschaft und Kontrolle (bspw. in Abfahrten) können eine wichtige Rolle spielen. Im Folgenden soll es genau darum gehen: Welche Fahrertypen gibt es im Radsport und welchen taktischen Wert bringen sie für ihr Team?

Fahrertyp Allrounder im Radsport

Nahezu alle Radrennfahrer haben ihre individuellen Stärken und Schwächen. Jedoch müssen diese Extreme nicht sonderlich ausgeprägt sein, sodass viele Radrennfahrer mehr oder minder Allrounder sind. Ihre Qualität besteht darin, dass sie sich als Helfer auf einer relativen Vielzahl an Streckenprofilen bewähren können. Als Helfer (auch genannt „Domestiques“) stellen sie sich konsequent in den Dienst der Mannschaft, operieren als Windbrecher und machen Tempo.

Dabei können ihnen unterschiedliche Aufgaben zuteilwerden. Als Pace-Setter fahren sie vorneweg und halten das Tempo im Feld hoch, wann immer dies taktisch angezeigt ist. Beispielsweise um Ausreißer zurückzuholen, damit der eigene Sprinter im Team eine Chance auf den Sieg wahrnehmen kann. Etwas abwertend bezeichnet, jedoch besonders aufwendig, ist der Job als „Wasserträger“. Insbesondere wenn die Strecke in den Bergen oder in technisch anspruchsvollen Sektoren eng wird, sind sie besonders wichtig, da sie kontinuierlich zwischen den Versorgungsfahrzeugen hinter dem Feld und den eigenen Kameraden rotieren müssen. Ein Knochenjob! Vor allem in den Bergen, da ein rhythmisches Fahren dabei kaum möglich ist.

Fahrertyp Sprinter im Radsport

Sprinter sind zumeist bullige Fahrer, die recht breit gebaut und zumeist (jedoch keineswegs immer) größer gewachsen sind. Sie können für kurze Zeit wahnsinnig schnell fahren, sind jedoch meistens abgemeldet, sobald es vermehrt bergauf geht. Die meisten World Tour Teams im UCI Radsport sind immer bedacht darauf, ein bis zwei starke Sprint-Kapitäne in ihren Reihen zu haben, da diese über die Saison hinweg viele Rennerfolge bringen können, was wiederum den Sponsoren gefällt. Doch Sprinter müssen zumeist nicht nur schnell fahren können, sondern auch ein gutes Gefühl für Positionierung im Fahrerfeld entwickeln. Wer auf der Zielgeraden drei Dutzend Fahrer vor sich hat, hat schon verloren!

Eben hier kommt es auch besonders auf die Anfahrer im Sprinter-Zug an. Diese versuchen ihren Mann innerhalb der letzten Kilometer an der Spitze des dahinjagenden Feldes zu positionieren, und zu halten. Meist besteht ein solcher Sprinter-Zug aus drei Fahrern, die in Reihe vor dem Sprinter fahren und sich für ihn aufopfern. Der Erste im Bunde ist dabei zumeist ein guter Zeitfahrer, der über mehrere Kilometer hinweg ein hohes Tempo gehen kann. Der Nächste ist in aller Regel selbst schone ein recht schneller Fahrer, der vor allem taktisch und sehr bedacht auf Position fahren kann. Also technisch anspruchsvoll, um den Zug hinter ihm durch die finalen Kurven und Positionsgeplänkel zu führen. Der Letzte im Bunde ist der Leadout-Sprinter bzw. Anfahrer, der selber zumeist ein starker Sprinter ist und seinen Mann in den letzten 200 bis 300 Metern aus seinem Windschatten heraus auf die Reise schickt.

 

 

Als gegenwärtige sowie historische Beispiele für starke Sprinter können Mario Cipollini, Peter Sagan, Elia Viviani oder natürlich Erik Zabel gelten, der beim Tour de France Radrennen Deutschland gleich sechsmal in Folge mit dem grünen Trikot beglückte.

Fahrertyp Kletterer im Radsport

Kletterer sind die Bergkönige des Radsports und meist von hagerem, drahtigem Bau. Sie können auch auf langen Anstiegen und selbst dann, wenn die Luft dünner wird, immer noch ein hohes Tempo gehen. Solche Bergfahrer sind in den großen Rundfahrten auch zumeist die Favoriten oder mindestens eminent wichtige Helfer in solchen Bergetappen, da hier die rennentscheidenden Lücken geschaffen werden. Allerdings sind sie fast nur im Rahmen von ein- bis dreiwöchigen Rundfahrten von Bedeutung, da die meisten Eintagesrennen eher hügelige bis flache Angelegenheiten sind. Und auch wenn die meisten Kletterer an kürzeren Anstiegen sicher nicht schwach sind, glänzen dort zumeist Andere.

Berühmte Kletterer waren beispielsweise Marco Pantani, Alberto Contador, Gino Bartali, Richard Virenque und Lucien Van Impe.

Fahrertyp Puncher/Puncheure im Radsport

Der Puncher bzw. Puncheur ist der klassische Eintagesspezialist. Dies sind zumeist Fahrer, die auf nahezu sämtlichen Streckenprofilen eine starke Leistung abliefern können. Sie sind in aller Regel Allrounder, die jedoch eher starke Sprinter als starke Kletterer sind. Vor allem sind sie meist antrittsstark und keine Schlechten, wenn auch eher selten herausragende Zeitfahrer.

Ihre Antrittsstärke macht sich vor allem in hügeligen Abschnitten bezahlt, wo sie schnell besonders große Lücken schlagen und effektiv attackieren können. Während sie in Etappenrennen insofern immer für einen Etappenerfolg gut sind, sind sie mit Blick auf das Gesamt-Klassement jedoch meist chancenlos, da sie in den Bergen fast immer zu schwach sind. Ausnahmen, wie jüngst Julian Alaphilippe bei der Tour de France 2019, bestätigen die Regel.

Ein weiteres Beispiel für einen Puncher und echten Klassikerjäger, der aber auch bei Grand Tours eine Rolle spielen konnte, ist er Ire Sean „King“ Kelly, der heute, im gesetzten Alter, bei Eurosport Radsport kommentiert.

 

 

Fahrertyp Ausreißer im Radsport

Nicht immer müssen sich Allrounder in den Dienst der Mannschaft stellen. Oftmals wird ihnen gestattet oder es wird gar ausdrücklich verlangt, dass sie früh in der Etappe angreifen, um sich vorne abzusetzen und auf eigene Rechnung bzw. im Bunde mit einigen Fahrern anderer Teams zum Ziel zu kommen und dort, vor dem eigentlichen Fahrerfeld, den Sieg einzufahren. Ausreißer, die überdurchschnittlich oft erfolgreich sind, sind zumeist Fahrer, mit gutem taktischen Rennverständnis, die im Radwettkampf eine offensive Fahrweise bevorzugen und einen starken Antritt haben. Sie wissen, wann es sich zu attackieren lohnt und bei welchen Etappen man sich besser gar nicht erst die Mühe macht.

Rennfahrer, die als erfolgreiche Ausreißer Lob und Anerkennung errungen haben, sind beispielsweise: Jacky Durand, Thomas Voeckler, Thomas de Gendt oder der ehemalige deutsche Radrennfahrer Jens Voigt.

Fahrertyp Zeitfahrer/Roleur im Radsport

Zeitfahrer sind Fahrer, die über eine Distanz von bis zu mehreren Dutzend Kilometern eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit realisieren und aufrechterhalten können. Sie müssen es aushalten, auf dem Rennfahrrad eine gedrungene, aerodynamische Haltung besonders lange einzuhalten. Vor allem müssen sie ein sehr gutes Gefühl für die eigene Krafteinteilung haben. Starke Bahnfahrer, die auf Straßenrennen umsatteln, sind nicht selten gute bis herausragende Zeitfahrer.

Als Beispiele können der deutsche Radsportler und vierfache Weltmeister im Einzelzeitfahren Tony Martin gelten. Auch Fabian Cancellara gewann diese spezielle Disziplin der Radsport-WM viermal. Gegenwärtig gilt Primoz Roglic als einer der stärksten Zeitfahrer.

Fahrertyp Klassementfahrer im Radsport

Klassementfahrer sind Team-Kapitäne bei mehrtägigen bis großen Rundfahrten (wie bspw. die weltbekannte Tour de France), die dort den Gesamtsieg oder zumindest eine gute Platzierung anstreben. Sie sind dazu auf ein taktisch diszipliniertes und aufopferungsbereites Team angewiesen, das sich in diesen Dienst stellt. Die Klassementfahrer selbst müssen zumeist starke Kletterer und/oder starke Zeitfahrer sein. Auf keinen Fall dürfen sie in einer dieser beiden Disziplinen eklatante Schwächen haben. Andernfalls werden sie eine Rundfahrt, insbesondere so es sich um einer der dreiwöchigen Grand Tours handelt, kaum gewinnen können.

Die erfolgreichsten Klassementfahrer der Radsport Geschichte sind: Fausto Coppi und Alberto Contador sowie die anerkannten Rekord Tour de France Sieger Miguel Indurain, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Jacques Anquetil.


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