Superstar Billy Graham – Der Prototyp

Porträt rund um Superstar Billy Graham

Bildquelle: shstrng [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

„Superstar“ Billy Graham war als Wrestler ein Fingerzeig für das, was kommen sollte. Kaum ein anderes Gimmick wurde derart häufig prominent kopiert wie jenes von Billy Graham. Nicht nur führte er den Bodybuilder-Look in die Welt des Pro-Wrestling ein. Er gilt auch als einer der innovativsten Micworker. Mit seinen Triaden und Promos am Mikrophon präsentierte er sich als großmäuliger Narzisst, der die Fans einerseits mit seinen Äußerungen gegen sich aufbringen konnte, gleichzeitig jedoch durch seine Scharfzüngigkeit auch Fans gewinnen konnte.

Jesse Ventura, der sowohl als Wrestler sowie als legendärer Color-Kommentator die WWF der 1980er prägte, kopierte das Gimmick von Billy Graham quasi eins zu eins. Und auch in anderen Wrestlern, wie Rick Rude, Hulk Hogan, Austin Idol, Ric Flair, Lex Luger, Don Muraco, Triple H, Scott Steiner, Dwayne „The Rock“ Johnson oder dem „Macho Man“ Randy Savage sind die Einflüsse von Billy Graham kaum zu übersehen. Gerade was die Bedeutung von Micwork und Look anbelangt, war wohl nie ein anderer Wrestler einflussreicher und wegweisender als „Superstar“ Billy Graham. Dass er nur einmal WWWF (World Wide Wrestling Federation) Champion wurde, war wohl allein der Booking-Philosophie von Vince McMahon Sr. geschuldet, der in dieser Rolle eigentlich nur Babyfaces duldete. Etwas, was später auch für ein spannungsreiches Verhältnis zwischen Graham und der WWE sorgen sollte.

Glaube und Kraftsport

Bereits als Fünftklässler begeisterte sich Eldridge Wayne Coleman (so der bürgerliche Name Billy Grahams) für das Gewichtheben. Zu den Idolen seiner Jugend gehörten Bodybuilding-Pioniere und Innovatoren wie Steve Reeves und John Grimek. Ferner wand er sich als Teenager früh dem christlichen Glauben zu und besuchte christliche Zusammenkünfte, wo er dem Herrn mit beeindrucken Kraftproben gefällig war. Beide Dinge sollten auf ihre Weise später sein wegweisendes Gimmick als erster großmäuliger Muskelprotz des Wrestlings, beeinflussen.

Zu seiner Schulzeit tat sich Coleman im Kugelstoßen hervor. Es folgten experimentelle Ausflüge ins Boxen sowie ins American Football. Doch eine Achillessehnenverletzung zwang zu einer Neuorientierung. So entschied sich Coleman, der sich zwischenzeitig als Rausschmeißer und Türsteher sein Geld verdiente, es mit dem Pro Wrestling zu versuchen. Zuvor war er jedoch im Bodybuilding recht erfolgreich, wo er 1961 den Mr. Teenage America Bodybuilding Contest der Westküste für sich entscheiden konnte. Derselbe Wettbewerb der Ostküste wurde übrigens von Frank Zane, einem später dreifachen Mr. Olympia, gewonnen.

Nächster Stopp: Stu Hart

Auch als Wrestler sollte Coleman seiner intensiven Kraftsport-Routine treu bleiben. In seiner besonders aktiven Phase als Bodybuilder 1968 (ein Jahr vor dem Wrestling-Debüt) trainierte er im damaligen Bodybuilding Mekka, dem Gold‘s Gym in Santa Monica. Dort war er mit Arnold Schwarzenegger per du, dem er auch anschließend freundschaftlich verbunden blieb. Beide landeten gemeinsam auf einem Bild von Joe Weiders Muscle Fitness Magazin. Coleman konnte 605 Pfund Bankdrücken – nur elf Pfund weniger als der damalige Weltrekord!

1969 nahm Coleman dann seine Wrestling-Karriere in Angriff. Für das entsprechende Wrestling-Training wand er sich sogleich an eine prominente Adresse. Es ging ins Dungeon nach Calgary, Kanada zu Stu Hart – seines Zeichens Vater von Bret Hart und Owen Hart und ein echter Talentschmied, der gerade in jener Zeit einen Spitzenwrestler nach dem anderen produzierte. Coleman debütierte unter seinem eigenen Namen. Doch kurz nach seiner Rückkehr in die USA änderte er ihn in Billy Graham – inspiriert durch den erfolgreichen Erweckungsprediger desselben Namens. Unter anderem aber auch, weil er damals mit Jerry Graham ein Tag Team formte und solcherart zu dessen Gimmick-Bruder wurde.

Die Geburt des Superstars

Billy Graham war zunächst vor allem in Tag Teams unterwegs und tourte durch die US-Territorien. Es war während eines Runs in Kalifornien, dass er sein Gimmick maßgeblich weiterentwickelte und es zu einem selbstherrlichen Muskelprotz interpretierte. Vor seinen Wrestling-Matches würde er andere Wrestler und Fans zum Armdrücken herausfordern (später kam auch noch Gewichtheben dazu), wo insbesondere Letztere natürlich völlig chancenlos blieben. Auch weil Graham immer noch zeitgleich im Bodybuilding aktiv war und einen Bizeps hatte, der dort selbst in höchsten Kreisen Anerkennung fand und Preise erzielte.

 

 

Die Transformation zum selbsternannten „Superstar“ vollzog sich 1972, als Graham bei der AWA (American Wrestling Association) unterkam. Fortan mauserte er sich unaufhaltsam zu einem Main-Eventer und teilte den Wrestling Ring mit einigen der größten Namen aus den USA und aus Japan, wo er auch mehrfach tourte. Animal Hamaguchi, Ken Patera, Ivan Koloff, Billy Robinson, Mad Dog Vachon, Rusher Kimura und Ivan Putski sollten unter anderen zu seinen Rivalen gehören. Mit Dusty Rhodes formte er phasenweise ein Tag Team. So wurde auch die WWWF erstmals auf ihn aufmerksam, wo er 1975/76 einen kurzen aber doch recht erfolgreichen Run hatte. Es folgten Programme mit legendären Main-Eventern wie Antonio Inoki, Harley Race und Bruno Sammartino.

Wachablöse für Bruno Sammartino

1977 kehrte Billy Graham zur WWWF zurück und konnte dort die zweite und letzte Titelregentschaft von Bruno Sammartino (dem historischen Langzeit WWE Champion schlechthin) beenden. Graham selbst verteidigte den Titel anschließend gegen namhafte Konkurrenten, wie Bruno Sammartino, Jack Brisco, Dusty Rhodes, Pedro Morales, Don Muraco, Mil Mascaras, Strong Kobayashi, Carlos Rocha und Riki Choshu. Auch traf er als amtierender WWWF-Champion in einem historischen Gipfeltreffen auf NWA Champion Harley Race, was jedoch im Time Limit Draw endete.

Neuneinhalb Monate nach Eroberung des Titels musste Graham den Titel jedoch an Bob Backlund abgeben. Eine Entscheidung seitens der WWWF, mit der „Superstar“ Billy Graham jedoch haderte, da er nach eigener Auffassung populär genug war, den Titel auch als Babyface halten zu können. Doch das Jahr war 1978 und ein so klar als Heel angelegter Charakter wurde einfach nicht als geeigneter Champion gesehen. Auch wenn Billy Graham in der Tat immens populär war. Hier war er seiner Zeit um rund zwei Jahrzehnte voraus gewesen. Denn erst rund 20 Jahre später sollte einem gewissen „Stone Cold“ Steve Austin ein Paradigmenwechsel in der WWF glücken.

Frust und Niedergang

So wurde der charismatische, aber klar als Heel angelegte „Superstar“ Billy Graham von Bob Backlund besiegt, der zwar als kompetenter Wrestler, jedoch auch als biederer Saubermann galt, den man besser von jedem Mikrophon fernhielt. Es sollte nicht von ungefähr kommen, dass Vince McMahon Jr. später, als er die WWF von seinem alten Herren übernahm, wenig Zeit verlieren würde, um Bob Backlund zu entthronen und Platz für Hulk Hogan zu machen – einen Mann, der in vielerlei Hinsicht eine direkte Billy Graham Kopie war.

 

 

Billy Graham wand sich verbittert von der WWWF ab. Jedoch nicht ohne noch einmal eine klassische Fehde mit einem legendären Texas Bullrope Match gegen seinen ehemaligen Tag Team Partner, Dusty Rhodes, hinzulegen. Anschließend hatte Graham nochmal einen Run in der NWA, aber seine Engagements wurden Ende der 70er und Anfang der 80er immer spärliche. Graham schien fertig zu sein mit dem Wrestling. Umso überraschender war seine Rückkehr zur WWF 1982, wo er mit einem völlig neuen Gimmick aufschlug. Merklich schlanker und mit kahl rasiertem Schädel gab er nun einen Meister der Kampfkünste. Mit diesem Gimmick-Wandel hoffte Graham wohl auf eine mögliche Akzeptanz als Babyface seitens der Promotion.

Doch das neue Gimmick floppte in zweifacher Hinsicht. Nicht nur war es eine zu radikale Veränderung dessen, was den Billy Graham Charakter vorher ausgemacht hatte – er blieb auch weiterhin ein Heel. So kehrte Graham alsbald zu seinen Wurzeln zurück. Allerdings wurde bei seinen Runs in WWF, AWA und NWA in den 80ern immer offensichtlicher, dass Billy Graham nur noch ein Schatten seiner selbst war. Bereits 1989 brauchte er eine künstliche Hüfte, was das Ende seiner aktiven Karriere einleitete. Jedoch blieb er der WWF noch eine Weile als Kommentator erhalten.

Gespanntes Verhältnis zur WWE

Heute hat „Superstar“ Billy Graham einen Legenden-Vertrag bei der WWE und ist seit 2004 Mitglied der WWE Hall of Fame. Doch zur WWE hat Billy Graham seit seinem Titelverlust ein sehr angespanntes „komm her/geh weg!“ Verhältnis. So war Billy Graham in mehrere Rechtsstreite mit der WWE verzettelt, bei denen er jedoch meist eher eine unrühmliche Figur machte. Auch ätzte er in diversen Zusammenhängen immer wieder öffentlich gegen die WWE, was (je nach Zusammenhang) Zustimmung fand oder einfach nur als Nachtreten eines Gekränkten begriffen wurde.

Ferner hat Billy Graham seit seinem aktiven Karriereende immer wieder mit den Spätfolgen seine Jahrzehnte langen Steroidmissbrauchs zu kämpfen. 2002 bekam er bereits eine Lebertransplantation. Dadurch wurde Graham selber später ein vehementer Gegner von Steroidmissbrauch und warnte öffentlich vor dieser Praxis.

Auch wenn Billy Graham insbesondere eingedenk der Zeit nach seiner Karriere ein streitbarer Charakter ist, so lässt sich eins nicht leugnen: Als aktiver Wrestler war er einer der wichtigsten Innovatoren des Wrestling-Business! Was die Prägung dessen, wie ein erfolgreicher Wrestler zu sein hat, anbelangt, ist Billy Graham mühelos auf einer Stufe mit Gorgeous George, El Santo, Rikidozan, Dusty Rhodes und Lou Thesz anzusiedeln. In nahezu jedem WWE Wrestler, der jemals zum dauerhaften Main-Eventer wurde, erkennt man mindestens einen Aspekt wieder, den Billy Graham etabliert hat.


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