Rick Martel – Dekoriert als Babyface, aber brillant als Heel

Die Wrestling-Karriere von Rick Martel

Bildquelle: John Jewell [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Die WWE Hall of Fame ist mittlerweile prall gefüllt. Insbesondere aus der goldenen Ära, den 80ern, sowie den cartoonesken 90ern haben viele lang gediente WWE Wrestler ihren Weg in die WWE-Ruhmeshalle gefunden. Doch ein Name fehlt erstaunlicherweise: Rick Martel, der in der WWE als Tag Team Spezialist Teil gleich dreier erfolgreicher Tag Teams war und später als „The Model“ Rick Martel seine Paraderolle als arroganter Schnösel fand, ist bis heute noch nicht in der Hall of Fame.

Überhaupt scheint es, dass Rick Martel gerne übersehen wird. Dabei war er ein technisch blitzsauberer Wrestler und konnte sowohl Titel in der WWF, der WCW und der AWA gewinnen. Später fand er mit seinem Model-Gimmick seine wohl einprägsamste Rolle – auch wenn das Gold (bis auf die WCW Television Championship) ausbleiben sollte. Dennoch fliegt Rick Martel bei vielen Fans heute weitgehend unter dem Radar. Zeit, das zu beheben! Mit einem Blick in die Vergangenheit.

Rick Martels Debüt mit 16

So wie Bret Hart kam auch Rick Martel (bürgerlicher Name: Richard Vigneault) aus Kanada und war Spross einer Wrestling-Familie. Entsprechend geradlinig führte sein Weg ins Pro Wrestling. Als sein Bruder Michel „Mad Dog“ Martel einen ausfallenden Wrestler in seiner Promotion zu kompensieren hatte, trat sein 16 Jahre junger Bruder Rick Martel auf den Plan. Dieser war bereits als Ringer in der High School recht erfolgreich unterwegs gewesen. Etwas, was sich vorteilhaft auf seine Arbeit im Ring übertrug, wo er sich schnell zurechtfand wie ein Fisch im Wasser.

Von 1972 bis 1980 verdiente sich Rick Martel in Kanada sowie anschließend in Wrestling-Territorien auf der ganzen Welt seine Sporen. 1980 kam er erstmals bei der WWF unter. Durch sein gutes Aussehen und seine technischen Fertigkeiten schien er zum Babyface prädestiniert und kam als solches in der WWF Tag Team Division zum Einsatz. Etwas, was auch bei seinem nächsten Run gewissermaßen eine Spezialität von Rick Martel werden sollte. Doch zuerst formte er ein Tag Team mit Tony Garea. Gemeinsam holten die beiden zweimal Tag Team Gold in der WWF.

1982 verließ Rick Martel jedoch die WWF wieder und kam bei der AWA unter, wo er bis 1986 bleiben sollte. Dort hatte Rick Martel den wohl erfolgreichsten Singles-Run seiner Karriere und wurde gar zum drittlängsten AWA World Heavyweight Champion. Ein Titel, den er in einem Match gegen die japanische Legende Jumbo Tsuruta gewinnen konnte. Es folgten hochkarätige Matches mit Ric Flair, Jimmy Garvin, Nick Bockwinkel und King Tonga. Nach 19 Monaten verlor Martel den Titel an Stan Hansen.

Zweiter WWF-Run führt wieder zu Tag Team Gold

Rick Martel kehrte 1986 zur WWF zurück und fasste dort direkt wieder in der Tag Team Division Fuß. Gemeinsam mit Tom Zenk formte er das Tag Team Can-Am Connection, ein lupenreines Babyface Tag Team, das über Looks und Technik die Sympathien der Zuschauer erobern konnte. Das Team wurde prominent eingesetzt und siegte oftmals über hochkarätige Gegner aus der damals glänzend besetzten WWF Tag Team Division. Das Team eröffnete gar die legendäre WrestleMania III mit einem Sieg im Opening Match gegen Cowboy Bob Orton und Don Muraco. Doch zum scheinbar vorgezeichneten Titelerfolg sollte es nie kommen, da sich Tom Zenk aufgrund eines Disputs rund um die Bezahlung aus der WWF verabschiedete.

 

 

Die WWF schrieb Zenk aus den Shows. Da die Can-Am Connection inmitten einer Fehde mit den Islanders war, musste sich Martel dieser nun allein erwehren. Doch unverhoffte Hilfe kam von Tito Santana, der in dieser Zeit auch als spanischer Kommentator diente. Er kam Martel vom Kommentatorenpult aus zur Hilfe. Gemeinsam formten sie anschließend das Tag Team Strike Force. Ein Team, das in puncto Auftreten (bis hin zum Einmarschlied) quasi eine direkte Kopie des Can-Am Connection Gimmicks war. Als Strike Force konnten Martel und Santana der Hart Foundation die Tag Team Titel entreißen, die sich als wiederkehrender Gegner von Strike Force entpuppen sollte. Bei WrestleMania IV waren es dann jedoch Demolition, die Strike Force die Titel abnehmen konnten.

Erst der Heel-Turn führt zum perfekten Gimmick

Kurz nach dem Titelverlust bei WrestleMania nahm sich Rick Martel eine Auszeit von einem halben Jahr. Laut Storyline wegen einer Verletzung. Tatsächlich jedoch nahm er sich diese Zeit, um sich um seine schwer erkrankte Ehefrau zu kümmern. Im Januar 1989 kehre er zurück. Bei der folgenden WrestleMania V ging es für Strike Force dann gegen die Brainbusters (Arn Anderson und Tully Blanchard). In diesem Match traf Tito Santana seinen Partner Rick Martel versehentlich mit dem Flying Forearm Smash. Der verließ daraufhin entnervt den Ring und überließ Santana den beiden Brainbusters.

Dies bedeute nicht nur das Ende von Strike Force als Tag Team. Fortan wurde Rick Martel zum Heel. Es dauerte nicht lange, bis er eine neue Persona entwickelte. „The Model“ Rick Martel war geboren! Ein schnöseliger, narzisstischer Schönling, der stets sein eigens kreiertes Parfüm mit zum WWE Ring brachte. Getauft auf den Namen „Arrogance“. Dieses sprühte er gerne arglosen Gegnern ins Gesicht, wenn der Ringrichter gerade nicht hinschaute. Das Model-Gimmick passte zu Rick Martel wie gesalzene Erdnüsse zu Bier. Als arroganter Heel konnte er eine ganz neue Art der Publikumsinteraktion zeigen und schien allgemein großen Spaß an der Rolle zu haben. Ganz zu schweigen davon, dass dahinter immer noch ein technisch starker Wrestler steckte.

Prominenter Einsatz in der Upper Midcard

Es folgte die logische Fehde gegen Tito Santana. Ferner konnte sich Rick Martel, der nun erstmals auf Solo-Pfaden in der WWF wandelte, mit einem klaren Sieg über Koko B. Ware im Opener von WrestleMania VI profilieren. Es folgten zwei recht prominente Upper Midcard Fehden. Eine gegen Jake „The Snake“ Roberts und eine gegen Tatanka, der aus dieser Fehde als phasenweise brandheißes Babyface hervorgehen konnte und auch später immer wieder mit Rick Martel aneinandergeraten sollte. Inmitten seiner Fehde gegen Jake Roberts gelang es Rick Martel, mit seinem Team jenes von Roberts bei den Survivor Series 1990 glasklar mit 4-0 zu besiegen. Das erste Mal, dass so etwas bei den Survivor Series vorkam!

Ferner gelang es Rick Martel, im Royal Rumble 1991 53 Minuten im WWE Ring zu überdauern, was damals einen Rekord darstellte! Anschließend folgte eine in der damaligen WWF extrem seltene Heel- gegen Heel-Fehde, als Rick Martel und Shawn Michaels es miteinander zu tun bekamen. Dies gipfelte in einem Match beim SummerSlam 1992 in Wembley, in welchem die beiden Schönlinge vorab abgesprochen hatten, einander nicht ins Gesicht zu schlagen, nur um diese Vereinbarung dann natürlich im Match zu brechen.

 

 

Stagnation und Karriereende

Ab 1993 sank jedoch der Stern von „The Model“ Rick Martel. Er diente immer häufiger anderen als Trittbrett nach oben. Auch wurden seine TV-Auftritte sporadischer. Stattdessen trat er vermehrt bei nicht übertragenen House Shows auf. Spärliches Highlight dieser Zeit sollte ein Match gegen Razor Ramon werden. In einem Battle Royal verblieben dieser und Rick Martel als letzte beide WWE Wrestler im Ring, sodass diese beiden eine Woche darauf als Herausforderer um den vakanten Intercontinental Titel aufeinandertrafen. Dort hatte jedoch Razor Ramon das bessere Ende für sich.

Auch wenn Martel bis 1994 in der WWF blieb und 1995 noch einmal überraschend im Royal Rumble zurückkehrte (wo er Jim Neidhart ersetzte), so wurde immer offensichtlicher, dass er in der WWF über den Status eines Edel-Jobbers nicht mehr hinauskommen würde. Martel wand sich dem Immobiliengeschäft zu und nahm nur noch gelegentliche Bookings bei kleineren Wrestling-Promotions an – darunter auch bei der deutschen CWA.

Rick Martel 1998 erneut bei der WCW unter Vertrag

1998 heuerte er dann noch einmal bei der WCW an – jedoch wieder als Babyface. Dort gewann er prompt die WCW TV Championship gegen Booker T, was ihn zu einem der wenigen Wrestler machte, der in der AWA, WWF sowie der WCW Titel gewinnen konnte. Doch danach schlug das Verletzungspech zu. In einem Rematch gegen Booker T landete Martel unglücklich auf dem obersten Ringseil, was zu gerissenen Bändern sowie zu einem Beinbruch führte. Als er sich kurz darauf abermals verletzte (ironischerweise in einem Match gegen Booker Ts Bruder Stevie Ray), war der Bart endgültig ab für Rick Martel.

In der Nachbetrachtung erscheint Rick Martel wie einer jener Handvoll WWE Wrestler, bei denen man sich ständig sagt: „Wäre nicht mehr drin gewesen?“ Gemessen an seinen Qualitäten scheint dem so. Doch Titelwechsel waren in der damaligen WWF weit seltener als heute. Und Heels waren oft nur Übergangschampions. So war „The Model“ Rick Martel zwar ein großartiger Heel, jedoch zur falschen Zeit am falschen Ort. Dennoch scheint es wie ein Treppenwitz, dass Rick Martel in seiner besten Rolle, als Heel Version von „The Model“ Rick Martel, nicht einen Titel gewinnen konnte.


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