Bildquelle: --CM 14:40, 1. Jan. 2012 (CET) [ CC BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Petko´s Fight Night: Nick Hannig besiegt Ryan Ford - Langweilige Veranstaltung in Berlin
Ein ausgedehnter Boxabend über elf Kämpfe stand am gestrigen Abend in der noch jungen Verti Music Hall in Berlin auf dem Programm. Es war das erste Box-Event, das jemals in dieser Halle ausgetragen wurde. Das Ganze promotet unter dem Banner von Petko‘s Fight Night. Ein Promoter, der regelmäßig veranstaltet und via Livestream Boxen an Samstagabenden bietet. Eine kleine, feine Sache – gemessen daran, dass Boxen heute im Fernsehen auf der roten Liste der halb toten Sportarten steht. Zumindest in Deutschland.
Leider war auch an diesem Kampfabend, der mit zwei starken Hauptkämpfen noch einen versöhnlichen Ausgang fand, leider wieder sträflich offensichtlich, warum das so ist. Gerade im Bereich der Undercard wurden wieder so transparente Miss-Matches geboten, dass einem jeden Fan entweder Schames- oder Zornesröte ins Gesicht steigen müsste.
Box-Bullshit-Kämpfe, die keine andere Bewandtnis hatten, als eine Kampfbilanz eines Kämpfers des Hauses aufzupolieren! Und das zum Teil in einer Manier, wie man sie so schlimm sonst nur vom alten Sauerland gewohnt ist.
Morsink und Yildirim mit Siegen
Los ging die Übertragung mit Ionut Trandafir Ilie (17-30-3) gegen Nick Morsink (6-1) im Super-Mittelgewicht. Ilie ein Mann aus Frankreich mit rumänischen Wurzeln. Morsink ein deutscher Nachwuchskämpfer. Der Kampf war auf sechs Runden angesetzt. Diese nahm er auch in Anspruch. Am Ende setzte es eine vertretbare Punktentscheidung zugunsten von Nick Morsink. Er konnte gewinnen, ohne jedoch wirklich zu glänzen. So ein bisschen ließ er den Killer-Instinkt gegen einen Gegner missen, der durchaus verwundbar war und gerne die Hände baumeln ließ. Überdies ein klarer Reichweitenvorteil für Morsink, der den Kampf zwar bestimmen jedoch nicht dominieren konnte. Möglicherweise noch ein paar Adaptionsschwierigkeiten bei Morsink, der im Kickboxen bereits große Erfolge erzielen konnte.
Auch der nächste Kampf eine Affäre im Super-Mittelgewicht. Diesmal über acht Runden. Der Bosnier Slavisa Simeunovic (32-35) gegen den ungeschlagenen Berliner Taycan Yildirim (6-0). Simeunovic ein 39 Jahre alter Veteran vom Typ Glaskanone (28 Siege und 27 Niederlagen durch KO). Taycan Yildirim gilt mit seinen zarten 18 Lenzen hingegen als extrem aussichtsreiches Talent. Das konnte er hier durchaus zeigen. Er überwältigte den betagten Bosnier mit blitzschnellen Kombinationen, sodass dieser mehrfach und schon früh aufs Knie runter musste. Auch wenn das, zumindest beim ersten Mal, sehr taktisch wirkte. Doch Simeunovic hatte hier nichts anzumelden. In Runde zwei machte Taycan Yildirim dann konsequent den Deckel drauf, sodass der Ringrichter zu Recht einschreiten musste.
Walth mit einem klasse Sieg
Weiter ging es im Cruisergewicht mit Amir Solak (2-8) gegen Denny Heidrich (3-1). Auch dies ein offensichtlicher Aufbaukampf. Der Kampf angesetzt auf vier Runden. Amir Solak abermals ein eingeplanter Verlierer aus Bosnien mit einem Strohkinn, der alle acht Niederlagen durch KO erlitt. Heidrich ein Lokalmatador. Eine verhaltene erste Runde. Schon früh konnte man sehen, dass Solaks acht Niederlagen nicht von ungefähr kamen. Kein gutes Timing in seinen Aktionen. Alles wirkte steif und war geprägt von miserablem Distanz-Management. Doch Heidrich war zunächst sehr zurückhaltend in diesem nur auf vier Runden angesetzten Kampf. In der Zweiten lief es dann schon wesentlich eindeutiger für Heidrich, der mehrfach klar traf und Solak angeklingelt zurückließ. Solak jedoch auch ohne jegliche Kopfbewegungen. Keine Meidbewegungen in der Defensive, keine Anstalten, den Kopf von der zentralen Linie zu nehmen, wann immer er selber schlug. Statisch und vollkommen talentfrei! Er servierte sein sprödes Kinn auf dem Silbertablett. In der Dritten ließ ein Niederschlag mit folgendem KO nicht lange auf sich warten. Neunter KO gegen Solak, der sich sportlich umorientieren sollte, wenn er sich nicht zu Gemüse prügeln lassen will.
Es folgte Nika Kokashvili (20-18-1) gegen Edgar Walth (5-0) im Super-Federgewicht. Ein Kampf über sechs Runden. Für Walth war Kokashvili der bislang erfahrenste Gegner im Profibereich. Doch Walth konnte die ersten zwei bis drei Runden mit größerer Agilität und mehr offensiver Varianz bereits klare Anteile für sich erobern. Er zeigte sich in großartiger Form und boxte den erfahrenen Georgier nach allen Regeln der Kunst. Der wurde allerdings noch mal munter und gab sich stur. Doch auch in die Defensive gedrängt zeigte Walth hier eine gemessene und boxerisch reife Vorstellung. Hier schien sein besonders erfolgreicher Amateurhintergrund durch. Er gewann eine klare Punktentscheidung! Eines der wenigen deutschen Talente in den niedrigen Gewichtsklassen, bei dem vorstellbar wäre, dass er irgendwann mal deutlich weiter oben mitmischt!
Müller besiegt abermals Ushona
Weiter ging es mit einem eingeschobenen Swing Bout im Super-Weltergewicht, der auf vier Runden angesetzt war. Abermals ein klarer Aufbaukampf. Wieder zog man einen notorischen Loser aus Bosnien an Land. Dragoljub Stanojevic (0-6) gegen Mohamed Khaloua (5-0). Stajunevic ein Mann, der von Kombinationen jedweder Art offenbar nichts hielt. Alle Schläge von ihm nur "one and done". Nichtsdestotrotz tat sich Khaloua, der bislang nur gegen solche Gurken geboxt hat, schwer. Zu ungenau waren seine Schläge und er fand nicht in die Distanz. Zwar nahm er so ziemlich alle Runden über das Volumen und den Vorwärtsdrang. Aber hätte Stanojevic auch mal die eine oder andere Kombination geschlagen, wäre das hier schon viel enger gewesen. Technisch war dies der bislang schwächste Kampf des Abends. Gott sei Dank war das Elend nach nur vier Runden vorbei. Punktsieg für Khaloua.
Prompt ging es weiter im Weltergewicht. Ein Kampf über acht Runden und ein Rückkampf zwischen Bethuel Ushona aus Namibia (36-7-1) und Rico Müller (24-2-1). Ushona war auch schon gegen Sebastian Formella in Erscheinung getreten. Nun darf sich der 36-jährige Afrikaner seine nächsten Brötchen verdienen, indem er als Kontrahent zwischen deutschen Top Boxern herumgereicht wird. Dies laut Boxrec übrigens einer von drei Zwei-Sterne Kämpfen auf dieser Card. Schon traurig, wenn so etwas das wettbewerbliche Highlight darstellt. Man sieht: Das Boxen macht anno 2019 in Deutschland da weiter, wo es 2018 aufgehört hat.
Dieser Kampf war technisch jedoch zunächst recht ausgeglichen. Beide bemüht, das Volumen an sich zu reißen. Ein Kampf auf einem ungleich besseren Niveau als die meisten zuvor. Müller agierte immer wieder mit ausfallartigen Kombinationen, wohingegen Ushona mit der Führhand auf Punktesammlung ging. Das machte ihn immer dann am effektivsten, wenn der Kampf lang auf Distanz geführt wurde. Allerdings war Ushona immer wider im Break gefährdet, wenn beide Kämpfer nach Zusammenstößen auseinandergingen, da er die Hände nur langsam wieder hochnahm. In der Konsequenz die klareren Treffer für Müller. Zudem ein Punktabzug in der Fünften gegen Ushona, nachdem er zum wiederholten Male tief schlug. Zum Ende hin kippte der Kampf vollends zugunsten von Müller, da Ushona fast nur noch auf die Deckung schlug, sodass ein Großteil seiner Aktivität ungefährlich verpuffte. Folglich enteile Müller auf den Punktzetteln. Ushona kein Mann mit genügend Power, um da noch irgendwas zu rütteln. Dennoch ein technisch recht anständiger Kampf. Müller siegte verdient.
Schamlose Aufbaukämpfe – Ursprünglicher Gegner kam nicht über Grenze
Der nächste Kampf führte ins Schwergewicht. Die Promotion läutete abermals den Jobber-Alarm: "Bosnien, wie brauchen einen Loser!" Zur Rettung eilte Drazan Janjanin (19-26). Ein Mann, der seine letzten sechs Kämpfe allesamt verloren hatte. Er durfte Emir Ahmatovic (4-0) als risikoarmer Prüfstein und Steigbügelhalter dienen. Fairerweise muss man aber auch dazu sagen, dass Drazan Janjanin als Reservist diente, da der ursprünglich angedachte Gegner aus Georgien nicht über die Grenze kam. Ahmatovic konnte den Kampf in Runde zwei vorzeitig beenden. Er hatte einen gewaltigen Reichweitenvorteil, den Janjanin zu keiner Sekunde egalisieren konnte. Dieser versuchte zwar in Manier eines "Swarmers" mit Pendelbewegungen in den Nahbereich zu kommen, konnte den Kampf jedoch nie dort halten. Bereits in Runde eins wurde er niedergeschlagen. Ahmatovic war zu keinem Zeitpunkt gefährdet.
Weiter ging es mit einem Kampf über acht Runden im Halbschwergewicht: der Deutsch-Afrikaner Stephane Tchamba (3-1) gegen Maltas Malik Zinad (11-0). Promotion-Neuling Zinad erhielt hier ebenfalls einen transparenten “Gimme Fight“ gegen einen offensichtlich unterlegenen Gegner, der sich hier schwer zusammenschlagen lassen durfte. Weniger Erfahrung und weniger Reichweite für Stephane Tchamba, für den nach zwei Runden der Bart ab war. Das Ganze nach mehreren harten Niederschlägen. Wirklich ein Witz! Wieso boxt jemand nach elf Siegen und null Niederlagen gegen so einen Gegner? Ganz einfach: weil er zwölf Siege und null Niederlagen haben soll.
Noch mehr schamlose Aufbaukämpfe
Sollte jemand gedacht haben, dass die absurd offensichtlich einseitigen Kampfansetzungen des Abends endlich am Ende wären, so sah er sich nun eines Besseren belehrt. Denn mit Michael Vosyka aus Tschechien (7-41-1) wurde ein besonders talentfreier Boxsack ans Tageslicht gezogen. An ihm durfte sich Arthif Daniel (12-3) aus England gesundstoßen. Daniel ein Boxer, der sich sportlich ausschließlich von solchen Totalausfällen ernährt. In 15 Kämpfen ist ihm noch nie jemand im Ring begegnet, der eine positive Kampfbilanz hatte. Da war selbst ein Michael Vosyka noch nicht mal die größte Null, auf die er je getroffen ist. Es folgte ein sterbenslangweiliger Kampf, der über die vollen sechs Runden ging. Letztlich gelang es Daniel, sich einen weiteren bedeutungslosen Club-Fighter einzuverleiben.
Vosyka ein miserabler Boxer, von dem man nie und nimmer gedacht hätte, dass er schon in über 50 Kämpfen war. Dazu eine Physis, die bar jeder Sportlichkeit war. Daniel jedoch nicht viel besser. Ein Einäugiger, der sich darauf spezialisiert hat, unter den Blinden zu wüten. Wahrscheinlich wird er als ungefährlicher Kontrahent aufgebaut, auf den man bei Petko´s Fight Night oder andernorts dann dankbar zurückgreifen wird, wenn man jemanden sucht, dessen Kampfrekord weit mehr Qualität impliziert als wirklich da ist. Zumindest solange man nicht genauer hinsieht. Der Nächste bitte!
Es folgte eine weitere unsportliche Ansetzung im Mittelgewicht der Frauen. Elene Sikmashvili (8-7) gegen Weltmeisterin Christina Hammer (23-0). Bereits nach der ersten Runde schaute die Georgierin trüb aus der Wäsche. Sportlich war das hier so weit auseinander, wie es die Kampfbilanzen vermuten ließen. In Runde zwei folgte dann rasch und zu niemandes Überraschung der Kampfabbruch. Wieder stellt sich die Frage, was so eine Ansetzung soll. Und die Antwort liegt wie immer nahe: 08/15 Box-Bullshit!
Kangül verteidigt als Außenseiter seinen Titel
Zeit für den Co-Main Event. Vartan Avetisyan (18-0-1) gegen Yusuf Kangül (17-3-1). Dabei ging es um die WBC-Mediterranean-Meisterschaft im Super-Mittelgewicht. Kangül als kämpfender DHL-Fahrer vielleicht noch dem einen oder anderen als Gegner von Vincent Feigenbutz in Erinnerung. Er war hier der Titelverteidiger. Der Kampf auf zehn Runden angesetzt. Zäher Beginn in der Ersten. Kangül agierte abermals aus einer engen Verteidigung heraus. Dennoch konnte Avetisyan eingangs die deutlicheren Treffer verbuchen, trotz dessen dass Kangül die Mitte übernahm.
In der Zweiten lauerte Kangül, wodurch er natürlich viel Aktivität abgab. Doch Avetisyan agierte teilweise aufreizend lässig. Dies wurde prompt bestraft, als er sich an den Seilen wiederfand und Kangül einige gute Treffer in einem wütenden Ansturm verbuchen konnte. Zum Ende hin aber wieder Avetisyan mit einigen Treffern – der Kampf wurde lebhafter.
In der Dritten schlug Avetisyan recht viel fehl. Das, obwohl Kangül den ganzen Kampf über dasselbe tat. Ohrenschützer anziehen und mit Pendelbewegungen zum Mann gehen. Avetisyan fand jedoch kein Mittel und gab hier viel Kontrolle ab, auch wenn die deutlichen Treffer auf beiden Seiten fehlten. Im weiteren Verlauf verfestigte sich das die taktische Textur. Kangül immer wieder mit Druck nach vorne und gefährlich, sobald er am Mann ankam. Allerdings bedingte seine enge Defensive auf dem Weg nach vorne, dass er so gut wie gar nichts aus der Distanz abfeuerte, wodurch Avetisyan wesentlich mehr Volumen verbuchen konnte, wenn auch vieles davon auf die Deckung ging. Doch die besten Wirkungstreffer waren stets bei Kangül. Und zwar immer dann, wenn er Avetisyan an den Seilen in Bedrängnis bringen konnte.
In den letzten drei Runden wurde der Kampf dann noch mal richtig schwungvoll, als Avetisyan etwas mehr Dringlichkeit an den Tag legte. Doch Kangül hielt dessen Volumen nach wie vor den Vorwärtsdrang und die Wirkungstreffer entgegen. Besonders lobenswert war, wie Kangül seine disziplinierte Deckung auf dem Weg nach vorne wahrte. Ein Kampf, in dem er Herz und Hirn bewies! Der knappe Punktsieg ging letztlich an Kangül, was auch das gerechte Ergebnis war. Anschließend kündigte Kangül an, dass er einen Rückkampf gegen Vincent Feigenbutz will, weil er das letzte Mal (als zweiter Reservist) keine wirkliche Vorbereitungszeit hatte. Ein Kampf, der nach dieser Vorstellung durchaus nicht ohne Reiz ist!
Hannig und Ford geben im Hauptkampf alles
Zeit für den Main Event. Kanadas Ryan Ford (15-3) gegen Nick Hannig (6-0), den Berliner Lokalmatador ersten Ranges. Ein Kampf um den vakanten WBC-Intenational-Titel im Halbschwergewicht. Hannig mit dem Rekord für den schnellsten Knockout (mit Anzählen) im Boxen – nur zwölf Sekunden! Ryan Ford bis 2015 auch in den MMA erfolgreich (22-5). Ein verhaltener Start. Keiner ließ in Runde eins bereits so richtig die Hände gehen. Beides Kämpfer mit Power, die sich hier nicht kalt erwischen lassen wollten. Auch in Runde zwei ging bei beiden vieles auf die Deckung. Insofern war es schwer, hier eine bedeutende Tendenz zu erkennen. Leichte Vorteile für Hannig. Jedoch nichts Zwingendes.
Erst in der Dritten konnte Hannig wirklich klare Vorteile für sich verbuchen. Vor allem in Form einiger Körpertreffer und Kombinationen, die er vorbei an der Deckung Fords abschließen konnte. Auch die Vierte musste man Hannig geben, der insbesondere mit einem Leberhaken Eindruck schinden konnte. Nach vier Runden war Hannig unbestritten vorne. Doch ab da an krallte sich Ford in diesen Kampf zurück. Ford ein enorm tougher Kämpfer, der weder im Boxen noch in den MMA jemals KO ging! Hannig wurde ab runde sieben eher langsamer.
Ford rückte ihm unentwegt auf die Pelle und suchte die In-Fights. Immer öfter fand er sie! Auch wenn Hannig nach wie vor immer wieder gute Schläge anbringen konnte und über die Wirkungstreffer sicher einige Runden verbuchen konnte. Doch das Volumen, das in den ersten vier Runden noch klar bei Hannig war, kippte mehr und mehr zu Ford.
Selbst in Runde acht und neun war das Tempo immer noch enorm hoch! Für den Rest des Kampfes sollte sich das nicht mehr wesentlich ändern. Eine klasse Vorstellung von beiden! Letztlich gewann Hannig die Punktentscheidung. Ford musste sich leider den Vorwurf gefallen lassen, die ersten Runden zu fahrlässig abgegeben zu haben und so ohne Not ins Hintertreffen geraten zu sein, was er nicht mehr mit letzter Konsequenz egalisieren konnte. Dazu traf Hannig im Kampfverlauf einfach zu oft, auch wenn Fords Herz und Physis überragend waren.
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