Bildquelle: CNN International via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Vorschau auf Joshua vs. Ruiz Jr. - Die US-Werbetrommel läuft so langsam an
Am 1. Juni soll der derzeit vierfache Weltmeister im Boxen Schwergewicht, Anthony Joshua, auf Andy Ruiz Jr. treffen. Ein recht ungefährlicher Kampf für ihn, gegen einen Gegner, der sich hauptsächlich von Journeymen und abgehalfterten Veteranen ernährt. Ein roter Teppich also für Anthony Joshua, der sogleich effektvoll sein Debüt in den USA feiern will. Das Ganze immerhin im Madison Square Garden.
Das Box-Business in den USA scheint sich also, eingedenk dieser Ansetzung (der Gegner und die Kulisse) nun auch offiziell hinter Joshua zu stellen. Denn dass mittlerweile ein Kampf sowohl gegen Wilder als auch gegen Fury richtig Geld einbringen würde, wie es das Schwergewichts-Boxen schon lange nicht mehr gesehen hat, liegt auf der Hand.
Der möglichst risikoarme und öffentlichkeitswirksame Markteintritt in die USA ist da eine naheliegende, notwendige Formsache. Entsprechend setzte sich Anthony Joshua, der vielleicht am besten vermarktbare Schwergewichts-Champion seit Mike Tyson, mit CNN zum Interview hin. Die Hype-Maschine läuft! Und als Schmiermittel dienen dabei die alten Narrative, wie man sie im Boxsport schon so häufig gehört hat: Anthony Joshua, den das Boxen von der Straße geholt hat. Der Mann hat immerhin Gras verkauft (oder verkaufen wollen?), sich geprügelt und Löcher in den Schuhen gehabt. Was für ein Monster!
Von der Straße zum Weltmeistergold
So setzte sich der Olympiasieger im Boxen von 2012 mit CNN zum Interview hin. Dort schien man auf Biegen und Brechen bestrebt, Joshua als den geläuterten Kämpfer von der Straße zu präsentieren. Ein Stereotyp, der im Boxen zwar nicht ohne Berechtigung ist. Vor allem aber ist es eine Geschichte, die Sympathie erzeugen soll. Sympathie für den kommenden Mann im Boxen Schwergewicht. Joshua ist 29 Jahre alt und inmitten seines Zenits. Was die Kombination aus Vermarktbarkeit, Look und Fähigkeiten im Ring angeht, ist er das Beste, was dem Schwergewicht seit Langem passiert ist. Zeit, die Massen ins Boot zu holen und den amerikanischen Markt zu öffnen. Dazu greift man auf das altbewährte Narrativ zurück, das man dort nur zu gut kennt: den amerikanischen Traum!
Zugegeben: Gemessen an den Ethnien und sozialen Hintergründen, die im Boxen zahlreiche erfolgreiche Kämpfer hervorgebracht haben, kommen viele Boxer tatsächlich aus bitterer Armut (die meisten kehren übrigens auch dorthin zurück). Und bei nicht wenigen ist der Boxsport eine Alternative zum kriminellen Broterwerb. Dass die Mafia und der Boxsport früher dicht verwoben waren, kam nicht von ungefähr. Aber wie nun das Bild des geläuterten Kriminellen, den die schiefe Bahn gradlinig in den Ring geführt hat, bei Joshua bemüht wird, wirkt schon ein wenig albern. So sagte er zu seinen kriminellen Machenschaften (Besitz von Cannabis und die “Absicht“ damit zu handeln): „Ich führte einen Lebensstil, der nicht meiner war - er wurde durch andere beeinflusst. Um mein Einkommen zu verdienen, habe ich einen Stil geführt, der nicht gesetzeskonform war. Und dann kam ich in Schwierigkeiten. Also musste ich auf die harte Tour lernen, dass niemand über dem Gesetz steht."
Warum Joshua funktionieren wird
Das riecht alles sehr nach komisch bemühter Image-Schmiede. Extrem vage blieb es auch, als Joshua nach seiner furchterregendsten Erfahrung außerhalb des Boxsports gefragt wurde. Statt einer Gruselgeschichte über gezogenen Messer und Schüsse in der Nacht antwortete der Boxweltmeister: "Ich habe viele Dinge gesehen und durchgemacht. Ich danke Gott dafür, dass ich nie eine Nahtoderfahrung erleben musste. Also bin ich in diesem Sinne gesegnet. Das Schrecklichste für mich wäre es, vor meiner Zeit gehen zu müssen. Ich möchte ein erfülltes Leben führen.“ Klingt eher nach Tiger Woods als nach Mike Tyson.
Dabei sind irgendwelche forcierten Anekdoten über eine dramatische Hintergrundgeschichte überhaupt nicht notwendig. Joshua ist ein gut aussehender, dekorierter, athletisch gesegneter, hart arbeitender und medienwirksamer Champion, der mühelos eine gute Figur vor der Kamera macht. Er weiß, dass er sich in die Geschichtsbücher eintragen kann und dass ihm mit Wilder und Fury zwei gewaltige Zahltage bevorstehen. Gegen Gegner, die ihm klar unterlegen sind. Joshua hat die Allüren, die man ihm mit dem Narrativ des geläuterten Kriminellen überzustülpen versucht, überhaupt nicht nötig. Joshua erzeugt Sympathie durch Ausstrahlung. Und zwar immer dann, wenn er sehr offen über das Business spricht. Den Rauch und die Spiegel kann er eigentlich getrost Wilder und Fury überlassen.
Die Maschine läuft
Mit Andy Ruiz Jr. wird Joshua ein Gegner im Madison Square Garden aufgetischt, der wenig Gefahr ausstrahlt. Ruiz Jr. ist wenig mehr als ein Gatekeeper. Ein sehr kalkulierter Test, den Joshua mit wehenden Fahnen bestehen dürfte. Ursprünglich sollte Joshua gegen Big Baby Jarrell Miller antreten. Ein Gegner von einem ähnlich kompetitiven Profil wie Ruiz Jr. Allerdings wurde Miller des Dopings überführt.
Die Markteinführung von Anthony Joshua läuft auf Hochtouren und alle Zeichen stehen auf Erfolg. Bleibt nur zu hoffen, dass man sich anschließend mit Wilder oder Fury recht zeitnah einig wird. Eingedenk des Rückkampfs, den es zwischen diesen beiden mit großer Sicherheit geben wird, stehen dem Boxen wohl drei große Kämpfe im Schwergewicht bevor, wie man sie so zuletzt wohl zu den aktiven Zeiten der Herren Tyson, Lewis, Holyfield und Bowe gesehen hat. Auch wenn von dem gegenwärtigen Trio im Schwergewicht (Joshua, Wilder und Fury) wohl allein Joshua das Talent hätte, mit diesen Legenden irgendwann mal vielleicht zu Recht verglichen zu werden … und nicht nur kommerziell.
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