Tour de France - Skandale, Rekorde und Anekdoten

Anekdoten, Rekorde und Skandale der Tour de France

Bildquelle: Ronan Daniel CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Die 106. Auflage der Tour de France steht vor der Tür. Als älteste Grand Tour der Welt ist sie der Radwettkampf schlechthin im Radsportkalender und an Prestige unerreicht im Radsport. Zwar gibt es mit dem Giro d'Italia und der Vuelta Espana zwei vergleichbare Grand Tour Rennen. Doch was die Dichte an Favoriten und somit an wettbewerblichem Stellenwert angeht, hat die Tour de France die Nase vorne. Sie ist gewissermaßen der sportliche Gipfel der UCI World Tour. Es gibt keine höhere Auszeichnung im Radsport, als Tour de France Sieger zu werden!

1903 erstmalig ausgefochten und seither mit Ausnahme der beiden Weltkriege und ihrer Verwerfungen (1915 bis 1918 sowie 1940 bis 1946) kontinuierlich ausgetragen, hat die Tour de France natürlich eine reiche Historie sowie etliche Rekorde hervorgebracht. Welch besserer Zeitpunkt als der jetzige, nun da das Rennen bald wieder ansteht, einen Blick auf einige dieser Anekdoten, Skandale und Statistiken zu werfen?

Die Rekordgewinner der Tour de France

Inoffiziell ist bekanntermaßen Lance Armstrong mit sieben Tour de France-Siegen der Rekordgewinner der französischen Rundfahrt. Offiziell wird ihm jedoch die Anerkennung dieser sieben Erfolge verweigert, nachdem das umfangreiche Doping aufgeflogen ist, das in seinem Team Zeit seiner Tour de France Karriere gang und gäbe war. Inwiefern das berechtigt ist, kann man zur Diskussion stellen. Gemessen daran, dass auch so ziemlich alle relevanten Rivalen von Armstrong ebenfalls gedopt waren. Aber da auch niemandem an seiner Stelle die Siege zugesprochen wurden, passt das schon. C‘est la vie!

Offiziell anerkannte Rekordhalter sind die folgenden fünffachen Tour Sieger (in chronologischer Reihenfolge): Der Franzose Jacques Anquetil, Belgiens Eddy Merckx (oft als bester Radfahrer aller Zeiten wahrgenommen), Frankreichs Bernard Hinault und Spaniens Miguel Induràin. Englands Chris Froome (Team INEOS) ist mit vier Tour-Siegen kurz davor, sich diesem Klub anzuschließen. Jedoch nicht dieses Jahr, da er verletzungsbedingt die Tour de France verpassen wird. Eddy Merckx hat mit 34 Etappensiegen mehr Tour de France Etappen gewonnen als irgendwer sonst. Allerdings sitzt ihm mit Mark Cavendish ein Ausnahmesprinter im Nacken (30 Etappensiege), der auch dieses Jahr wieder mit dabei ist. Eddy Merckx war auch einer von nur drei Fahrern, die jeweils acht Etappen innerhalb einer Tour de France gewinnen konnten und der einzige Fahrer, dem dies gar bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten (1970 und 1974) gelang.

Früher war alles schwerer

1903 waren die Fahrräder natürlich nicht im Geringsten mit den leichten und übertragungsstarken Sportgeräten heutiger Tage zu vergleichen. Das Sieger-Fahrrad von Maurice Garin, dem Sieger der ersten Tour de France 1903, war eine Monstrosität aus Edelstahl und wog unfassbare 18 Kilogramm! Das ist rund dreimal so schwer wie ein heutiges Profi-Rennrad. Allerdings war die erste Tour de France auch “nur“ 2.428 Kilometer lang (heute liegt die Distanz stets um die 3.500 Kilometer). Dafür waren einige der frühen Tour de France Editionen auch deutlich länger. Die längste Tour de France (1926) brachte es gar auf 5.745 Kilometer. Mehr als 3.000 Kilometer länger also, als es noch 23 Jahre zuvor im Gründungsjahr der Fall gewesen war. Man bedenke, dass die Fahrräder auch zu dieser Zeit immer noch ungleich schwerer waren als heute. Die längste Etappe wurde 1919 gefahren. Sie betrug stolze 480 Kilometer!

Gleichwohl das Prestige der Tour de France offenkundig ist und das Sportereignis, als eines der größten der Welt gilt, sind die Preisgelder verglichen zu anderen Sportarten eher gering. So betrugen die ausgeschütteten Preisgelder bei der Tour de France 2018 in Summe rund 2,3 Millionen Euro. Das Ganze verteilt über sämtliche Teams (22 an der Zahl). Dabei konnten nur die sieben erfolgreichsten Teams (nach Etappensiegen sowie Dominanz in den unterschiedlichen Kategorien) je mehr als 100.000 Euro einstreichen. Der restlichen Teams bekamen zum Teil gar deutlich weniger. Verglicht man dies mit den Einkünften in anderen Sportarten von Rang und Namen, ist das geradezu mickrig. Und das für drei Wochen Schwerstarbeit!

Medizinische sowie tatsächliche Abkürzungen

Maurice Garin, der erste Tour de France Sieger sowie kurioserweise Kettenraucher und Weinliebhaber, sollte sogleich zur ersten Skandalfigur werden. Als keineswegs unerfahrener Radler (so gewann er auch Paris-Roubaix im Vorfeld zweimal), kannte er natürlich alle Tricks. Und die waren nicht unbedingt besonders sportlich. Sein erster Tour-Sieg von 1903 gilt zwar als legitim, ist jedoch etwas dubios. Denn Garin gewann mit drei Stunden Vorsprung! Nach wie vor Rekord, obwohl die Strecke damals kürzer war als bei irgendeiner anderen Auflage und obwohl ein Fahrer vor ihm, Hippolyte Aucouturier, disqualifiziert wurde, da er sich von einem Auto hatte ziehen lassen. Bei der zweiten Auflage war es dann Maurice Garin, dem der Sieg aberkannt wurde. Er hatte nachweislich, wie einige andere Fahrer, Abkürzungen genommen, die in seinem Fall sogar Zugfahrten beinhalteten. Das ging soweit, dass letztlich der Fünftplatzierte, Henri Cornet, als Sieger der Tour de France 1904 anerkannt wurde. Er war der am höchsten platzierte Fahrer, dem man keinen Betrug nachweisen konnte.

 

 

Mit der Zeit verlagerte sich der Betrug auf die medizinische Ebene. Durchgehende Streckenführung, mehr Zuschaueraufkommen sowie die immer detailliertere mediale Beobachtung machten kreative Abkürzungen natürlich unmöglich. Allerdings wurde das Doping mit der Zeit immer ausgereifter und bewegte sich gerade inmitten des 20. Jahrhunderts noch in einer rechtlichen Grauzone. So sprach der erste fünffache Tour Sieger, Jacques Anquetil, noch sehr offen davon. Er sah es gar als sein gutes Recht an. Immerhin erwartete man von ihm ja auch Übermenschliches. Also konnte er seine Auffassung nach nehmen, was er wollte, was rechtlich damals sogar korrekt (wenn auch verpönt) war.

Doping im Windschatten bei der Tour de France

Tatsächlich kann keiner der vier anerkannten Rekordsieger das Doping-Schreckgespenst vollends abschütteln. Der unbestritten legendäre Eddy Merckx wurde in seiner Karriere zweimal positiv getestet (außerhalb der Tour de France). Ferner wurde im Nachhinein bekannt, dass er Corticosteroide nutzte, die aber erst später verboten wurden. Was die Vermutung nahelegt, dass viele Fahrer dieses Schlupfloch kannte, und nutzten. Und selbst Bernard Hinault und Miguel Induràin haben keine ganz weißen Westen. Bernard Hinault verweigerte 1982 eine Doping-Kontrolle und Induràin wurde 1994 (außerhalb der Tour) positiv auf Salbutamol getestet. Überdies pflegte er Beziehungen zu einem dubiosen Sportmediziner (Francesco Conconi). Übrigens ist Bernard Hinault erstaunlicherweise der letzte Tour de France Sieger aus Frankreich. Seit 1985 warten die Franzosen also darauf, dass wieder mal ein Landsmann gewinnt.

Als Inbegriff des sauberen Tour-Siegers gilt heutzutage Greg LeMond, dem niemals Doping nachgewiesen wurde und bei dem sich auch nie Verdachtsmomente ergeben haben. Der US-Amerikaner gewann die Tour de France dreimal (1986, 1989, 1990). Darunter feierte er auch den knappsten Sieg der Tour-Geschichte, als er 1989 mit gerade einmal acht Sekunden vor Laurent Fignon (seinerseits Toursieger von 1983 und 1984) die letzte Etappe beendete und ihm so nach mehrfachem Hin und Her (nie waren die beiden im Tour-Verlauf weiter als eine Minute voneinander getrennt gewesen) noch das gelbe Trikot in Paris entreißen konnte. Dies gilt bis heute als das dramatischste Finale der Tour de France Geschichte!



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