Bildquelle: Ed Webster [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Barry Horowitz – Der König der Jobber
Im Wrestling gibt es eine Hierarchie, die früher noch ein ganzes Stück rigider war als heute. So hatte man auf der einen Seite die Main Eventer, die bisweilen Mega-Stars, wie Hulk Hogan oder der „Macho Man“ Randy Savage sein konnten. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Jobber oder das "Enhancement Talent". Wrestler, die nur dazu da sind, bekannte Wrestler (oder solche, die es werden sollte) over zu bringen und gegen sie zu verlieren.
Jobber sind im Grunde genommen die Low Level Journeymen des Wrestlings. Im Boxen wären sie wohl die Typen mit der 7-42 Kampfbilanz. Gerade in den 80ern und vor allem 90ern waren Jobber regelmäßig im WWF-Fernsehen zu sehen. Selbst den Fans im Kindesalter wurde schnell klar, dass diese Typen ohne sichtbaren Einmarsch, mit austauschbarem Badehosen-Look und scheinbar mit bürgerlichem Namen (sie hatten quasi nie ein erkennbares Gimmick) zum Verlieren da waren. Das hat das wöchentliche WWF-Fernsehen damals zu einer bisweilen drögen Angelegenheit verkommen lassen. Doch ein Jobber konnte in der Tat seinen Jobber-Status selbst zum Gimmick machen. Barry Horowitz! Ein Mann dessen Pose darin bestand, sich selber auf die Schulter zu klopfen und der mit einem unverhofften Sieg nach langer Durststrecke über Nacht plötzlich zum beliebtesten Underdog in der WWF wurde.
Vom Start weg als Jobber bei der WWF eingesetzt
Barry Horowitz (was auch sein bürgerlicher Name ist) trainierte 18 Monate lang unter Boris Malenko, ehe er in Florida debütierte. In den folgenden Jahren reiste er quer durch die Territorien und sammelte Erfahrung in den USA, Kanada und in Puerto Rico. In Championship Wrestling from Florida konnte er den NWA-Titel des Territoriums in einem Turnier erobern. Während dieser Zeit trat Barry Horowitz als „Stretcher“ Jack Hart auf und verkörperte meist einen Heel.
1987 bis 1990 kam er dann in der WWF unter. Auch dort blieb er ein Heel und wurde meist eingesetzt, um aufsteigende Babyfaces over zu bringen. Gelegentlich formte er ein Tag Team mit Steve Lombardi, einem anderen bekannten WWF-Jobber, der jedoch viele unterschiedliche Rollen spielte (wie bspw. den Brooklyn Brawler oder eine Inkarnation von Doink the Clown). Zwar würde Horowitz durchaus auch gelegentlich gewinnen, jedoch immer nur bei House Shows oder in Dark Matches (nicht ausgestrahlte Vorkämpfe bei TV-Tapings). 1990 ging Horowitz dann zur WCW, wo er dieselbe Rolle spielte. Dort nahm er an über 50 Matches teil, konnte aber nur eines davon gewinnen. Von 1991 bis 1993 war Horowitz dann Teil der Global Wrestling Federation in Texas, wo er zweimal deren Light Heavyweight Titel halten konnte, ehe die Promotion bankrott ging.
Weiterer Run in der WWF formt unwahrscheinliches Jobber Image
Ab 1991 war Horowitz dann auch wieder in der WWF zu sehen, wo er weiterhin als Trittbrett für aufsteigende Wrestler und neue Talente (sowie zum Teil auch für etablierte Stars) diente. Bei diesen Gelegenheiten war Horowitz, der technisch solide ausgebildet war, des Öfteren im Fernsehen zu sehen, sodass er (für einen Jobber eigentlich ziemlich unüblich) einen gewissen Wiedererkennungswert erlangen konnte. Dennoch verlor Horowitz nahezu ausschließlich in dieser Phase. Ab 1992 nahm er auch wieder an House Shows der WWF teil, verlor jedoch, bis auf eine Ausnahme, jedes Match in diesem Jahr!
Erst ab 1993 konnte Barry Horowitz wieder einige Siege einfahren – jedoch allesamt in Dark Matches. Sein inoffizielles PPV-Debüt gab Horowitz 1993 inkognito bei den Survivor Series. Denn er war einer der maskierten „Knights“, die an der Seite von Shawn Michaels gegen die Hart Familie antraten. Ein Match, das als Initialzündung für die legendäre Bruderfehde zwischen Owen Hart und Bret Hart dienen sollte. Fortan wurde Horowitz in etwas prominenteren Matches eingesetzt. So forderte er gemeinsam mit dem 1-2-3 Kid die Quebecers um ihre Tag Team Titel heraus, scheiterte jedoch knapp.
„Horowitz wins!“
Horowitz war nun regelmäßiger als sonst im WWF-Fernsehen zu sehen. Sogar ein enger Wettstreit gegen Jeff Jarrett um dessen Intercontinental Championship war drin. Zwar verlor Horowitz weiterhin, doch die Mehrzahl der Matches und dass diese länger ausfielen, gab Horowitz mehr Gelegenheit, seine technischen Anlagen zu zeigen und sein Gimmick, als beherzter Verlierer, zu pflegen. Bis dann der schicksalhafte erste TV-Sieg gegen den Body Donna Skip kam. Dieser wähnte sich schon siegreich, als Barry Horowitz ein Pin-Manöver anbrachte und Skip für drei auf der Matte hielt. Die Fans waren außer sich und die Kommentatoren konnten es nicht glauben!
Für die nächsten paar Monate wurde Barry Horowitz zu einem umjubelten Underdog in der WWF und konnte sogar noch einige weitere Male gewinnen. So konnte er unverhofft den Japaner Hakushi besiegen, mit dem er sich später zusammentat. Und beim SummerSlam 1995 konnte Horowitz Skip in einem Rematch besiegen und seinen ersten PPV-Sieg einfahren.
Endlich ein eigener Einmarsch
Fortan macht die WWF Horowitz' jüdischen Hintergrund zu einem Bestandteil seines Gimmicks. So wurde eine fröhliche Version des jüdischen Volksliedes "Hava Nagila" zu seinem Einmarschlied. Ferner verkörperte Horowitz einen stereotypem Nerd. In Zivil zeigte sich Horowitz mit einer großen Brille, vollständig zugeknöpften Hemden und einem Taschenschutz. Horowitz bildete ein Tag-Team mit Hakushi, dem er die amerikanische Kultur in kleinen, komödiantischen Einspielern näherbringen wollte.
Bei der Survivor Series 1995 taten sich Barry Horowitz und Hakushi mit Bob Holly und Marty Jannetty zusammen, unterlagen jedoch Skip, Rad Radford, Tom Prichard und dem 1-2-3 Kid. Einen Monat später bei In Your House 5 besiegte Horowitz gemeinsam mit Hakushi und den Smoking Gunns die Body Donnas, Yokozuna und Isaac Yankem (später besser bekannt als Kane) in einem Dark Match beim Pay-per-View. In House Shows tat sich Horowitz regelmäßig mit Fatu und Hakushi zusammen, um Siege Skip, Kama und Yankem zu erringen.
Beliebtester Jobber aller Zeiten?
Naturgemäß war die Halbwertszeit von Barry Horowitz Run als gefeierter Underdog begrenzt. Denn dass er nicht mehr zum großen Star werden würde, war jedem klar und wäre auch schwer vermittelbar gewesen. Doch der Enthusiasmus über seine Siege konnte auch nicht ewig währen. Und so ging Horowitz bald wieder seine Jobber Wege. Ab 1996 verlor er fast wieder nur noch. Von 1997 bis 2000 war er dann bei der WCW, wo er jedoch ebenso nur als Jobber fungierte. Dort wurde er auch Teil der Siegesserie von Bill Goldberg, dem er den offiziellen 92. Sieg bescherte. Ansonsten besiegte er während seines WCW-Runs mit Hardbody Harrison und Barry Darsow zwei Undercarder.
Bis 2013 blieb Barry Horowitz der Indy-Szene treu, beschränkte sich aber überwiegend auf Shows in und um Florida, wo er als Ernährungsberater arbeitete. 2013 hatte Horowitz dann seine letzten Matches beim jährlichen Malenko Memorial Cup (zu Ehren seines einstigen Coaches, Boris Malenko). Dort konnte Barry Horowitz ein Match gegen Kenny Kendrick gewinnen und ging sogar aus dem Malenko Cup Battle Royal als Sieger hervor. Ein versöhnliches Ende für einen der bekanntesten und beliebtesten Jobber aller Zeiten, das wohl auch seinem so geehrten Mentor gefallen hätte! Horowitz wins! Der Einzug in die Hall of Fame der WWE blieb ihm bis heute verwehrt (Stand Oktober 2022).