Gino Bartali – mehr als nur ein Radsport-Held

Gino Bartali im Porträt

Bildquelle: Unknown (Mondadori Publishers), Public domain [CC BY-SA 0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Der italienische Radsport durchlebte in der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sein goldenes Zeitalter. Begünstigt wurde dies dadurch, dass nicht nur zwei der größten italienischen Radsportler, sondern zwei der größten Radsportler überhaupt als Rivalen aufeinandertrafen. Der eine war Fausto Coppi, der rein von seinen Anlagen her möglicherweise das größte Talent in der gesamten Radsportgeschichte gewesen ist. Der andere war Gino Bartali.

Gino Bartali war ein unfassbar starker Kletterer von enormer Leidensfähigkeit, der nicht nur dreimal den Giro d‘Italia und zweimal die Tour de France gewinnen konnte. Unfassbare siebenmal gewann er die Bergwertung des Giro d‘Italia – ein überdeutlicher Rekord! Ein weiterer Rekord, der ihn als überirdischen Kletterer auswies, gelang ihm bei der Tour de France 1948, wo er mit den Etappen 13, 14 und 15 drei Bergetappen hintereinander gewinnen konnte. Etwas, was seither niemandem mehr gelungen ist und ein unglaublicher Nachweis an Rennhärte!

Rivalität mit Fausto Coppi

Mit 13 Jahren arbeitet Gino Bartali in einem Radgeschäft, was auch sein eigenes Interesse am Radsport befeuerte. Alsbald begann er, sich in Jugend- und später in Amateur-Wettbewerben zu messen. Im Lager der Profis angelangt, dauerte es nicht lang, ehe er in seinen frühen 1920ern erstmals italienischer Meister werden konnte. Nahezu zwangsläufig entwickelten er und Fausto Coppi, der andere große italienische Radrennfahrer jener Zeit (er sollte bis heute ein Rekordgewinner des Giro d‘Italia werden) eine heftige Rivalität.

Heftig war die Rivalität insofern, da sie die Öffentlichkeit in Italien quasi spaltete. Bartali galt als religiöser Vorzeigeknabe und war Zeit seiner Karriere enorm beliebt. Coppi hingegen war überhaupt nicht religiös und war insofern progressiv politisch gesinnten Zeitgenossen der natürliche Sympathieträger. Die Rivalität der beiden sollte sich sportlich bei zwei Gelegenheiten offenbaren. Beim Giro d‘Italia 1940 fuhr der jüngere Fausto Coppi für Gino Bartali und war als Ausreißer unterwegs. Allerdings wurde immer offensichtlicher, dass Coppi für sich selbst in die Pedale trat, sodass Bartali schließlich die eigenen Teammitglieder anhielt, Coppi zu jagen. Dennoch konnte er den Gesamtsieg von Fausto Coppi nicht verhindern. Später, bei der Radsport-WM 1948 bekämpften beide einander sichtbar und versuchten sich lange im Windschatten des jeweils anderen zu halten, gleichwohl sie beide für Italien fuhren.

Steckbrief zu Gino Bartali

Nationalität: Italien

Spitzname: Der Fromme/Ginettaccio

Teams

1935 Frejus

1936–1945 Legnano

1946–1947 Tebag and Legnano

1948 Legnano

1949–50 Bartali – Gardiol

1951 Bartali – Ursus

1952 Tebag and Bartali

1953 Bartali

1954 Bartali – Brooklin

Die größten Erfolge von Gino Bartali

 

  • 2x Gesamtsieg bei der Tour de France (1938 und 1948)
  • 2x Bergwertung bei der Tour de France (1938 und 1948)
  • 12 Etappensiege bei der Tour de France
  • 3x Gesamtsieg beim Giro d'Italia (1936, 1937 und 1946)
  • 7x Bergwertung beim Giro d'Italia (1935, 1936, 1937, 1939, 1940, 1946, 1947)
  • 17 Etappen beim Giro d’Italia
  • Baskenland Rundfahrt (1935)
  • 2x Tour de Suisse (1946, 1947)
  • Tour de Romandie (1949)

 

 

  • Coppa Bernocchi (1935)
  • Italienischer Landesmeister im Straßenrennen (1935, 1937, 1940, 1952)
  • 3x Giro di Lombardia (1936, 1939, 1940)
  • Giro del Lazio (1937)
  • 3x Giro del Piemonte (1937, 1939, 1951)
  • Tre Valli Varesine (1938)
  • 4x Milan–San Remo (1939, 1940, 1947, 1950)
  • 5x Giro di Toscana (1939, 1940, 1948, 1950, 1953)
  • 2x Züri-Metzgete (1946, 1948)
  • 2x Giro dell'Emilia (1952, 1953)

 

Mehr als nur ein Prediger

Gino Bartalis Religiosität war ein sehr prominenter Charakterzug, der zu seiner Popularität im katholischen Italien beitrug. Gleich drei unterschiedliche Päpste segneten ihn und Bartali galt als so fromm, dass dies ihm gar den entsprechenden Spitznamen („Der Fromme“) einbrachte. Dabei war Bartalis Glaube keineswegs nur Zurschaustellung. So war bekannt, dass Bartali es zutiefst verabscheute, wenn seine Teamkameraden fluchten.

Vor allem aber bewies er sich im Zweiten Weltkrieg als Mensch von Anstand und großem Mut, als er sich als Fahrradkurier für die Untergrundbewegung beteiligte und unter Einsatz seines Lebens aktiv zur Rettung von rund 800 Juden vor den italienischen Faschisten und deutschen Nazis beitrug. Hierzu wurde ihm posthum die Auszeichnung des „Gerechten unter den Völkern“ sowie die israelische Staatsbürgerschaft zugesprochen.

Die Rivalität zwischen Bartali und Coppi war laut Bartali stets eine sportliche und nie eine persönliche gewesen – so sehr sie die Öffentlichkeit auch teilweise gespalten hatte. Vielleicht sahen sich die Beiden deswegen dazu veranlasst, sich bei einer Etappe während der Tour de France 1952 gegenseitig zu unterstützen, als sie einender mit Getränken versorgten. Zwei abgekämpfte Helden, die einander endlich die Hand reichen konnten.


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