Fausto Coppi – zu gut für die Tour de France

Infos und Blick auf die Karriere von Fausto Coppi

Bildquelle: J.D. Noske (Anefo) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Wenn es eine ernst zu nehmende Konversation darüber gibt, welche Radsportler den Status von Eddy Merckx als größter Radfahrer aller Zeiten anfechten könnten, dann kommt dabei nur eine sehr kurze Liste an Namen herum. Doch ein Name, der genannt werden muss – möglicherweise gar allen anderen voran – ist jener von Fausto Coppi. Der italienische Radsport hat viele Größen und Legenden hervorgebracht. Doch kein Stern scheint dort heller als jener von Fausto Coppi.

Er ist der alleinige Rekordsieger von Il Lombardia. Mit fünf Gesamtsiegen gehört Fausto Coppi (wie auch Eddy Merckx) zu den Rekordsiegern des Giro d‘Italia. Und wie Eddy Merckx war Fausto Coppi ein unfassbar starker Allrounder. Doch anders als Eddy Merckx konnte Fausto Coppi seine Karriere nicht kontinuierlich durchziehen, da ihm der Zweite Weltkrieg dazwischen funkte. Überdies war das Karriereende von Fausto Coppi von zahlreichen Verletzungen, dem tragischen Verlust seines Bruders während eines Radrennens sowie einer auf ihn abzielenden, widerwärtigen, medialen Hetzkampagne in Italien geprägt. Entwicklungen, die ihn am Ende seiner Laufbahn als Schatten seiner selbst zurückließen, ehe er mit nur 40 Jahren an Malaria verstarb.

Fausto Coppi - Der geborene Radsportler

Bereits als Kind war Fausto Coppi dem Fahrrad verfallen. Anstatt zur Schule zu gehen, die er wohl als recht quälend empfand und mit 13 Jahren beendete, wollte er vor allem eins: Radfahren! Auch wenn er dazu mit der Rostlaube der Familie vorliebnehmen musste. Doch als sein Onkel sowie sein Vater der brodelnden Leidenschaft des jungen Fausto Coppi gewahr wurden, spendierten sie ihm das Geld für einen ersten angepassten Rahmen.

Dazu musste der junge Fausto Coppi, der darüber zu Tränen gerührt war, sich Geld in einer Schlachterei verdienen, um nach Genua zu fahren, wo er einen solchen Rahmen erhalten konnte. Doch der scheinbar vollkommen ehrlose Radhändler ließ den zunehmend am Boden zerstörten Jungen vom Lande gleich neunmal anreisen. Immer wieder vertröstete er ihn, dass es noch dauern würde, ehe er ihm einfach einen Rahmen von der Stange gab, den der junge Fausto zähneknirschend annahm.

Doch so reich an Hürden dieser Einstieg gewesen sein mag, er sollte schon bald die ersten Früchte tragen. Schon in jungen Jahren nahm Coppi erfolgreich bei Radrennen der Amateure und wenig später bei den Profis teil. Hierbei kreuzten sich seine Wege früh mit einem anderen Fahrer, der selbst zu einer italienischen Radsportlegende und zu Fausto Coppis Erzrivalen werden sollte: Gino Bartali!

Rivalität zwischen Fausto Coppi und Gino Bartali

Diese Rivalität nahm schon sehr früh Gestalt an. Denn mit nur 20 Jahren (1940) gewann Fausto Coppi zum ersten Mal den Giro d‘Italia! Das Pikante daran: Er war im selben Team mit Gino Bartali, der eigentlich als der Teamkapitän galt. Doch der offenkundig formstärkere Fausto Coppi nahm während der Rundfahrt das Zepter in die Hand und fuhr in den entscheidenden Etappen einfach auf eigene Rechnung vorneweg. Gino Bartali instruierte die anderen Teamkollegen im Gegenzug, das Tempo anzutreiben, um den „Fahnenflüchtigen“ zu stellen. Beide arbeiteten als Teamkollegen aktiv gegeneinander!

Die Rivalität sollte zu einem fortbestehenden und beherrschenden Thema in den Karrieren beider Männer werden. Selbst acht Jahre später arbeiteten sie in der italienischen Nationalmannschaft aktiv gegeneinander. Das ging soweit, dass die beiden Streithähne von der italienischen Nationalauswahl für drei Monate suspendiert wurden, da sie beim WM-Straßenrennen 1948 im Aufstieg jeweils versuchten, möglichst lange am Hinterrad des jeweils anderen zu kleben, um von dessen Windschatten zu profitieren. Hier wusch keine Hand die andere!

Phasenweise unnachahmliche Dominanz

Fausto Coppi galt sowohl vor und umso mehr nach dem Zweiten Weltkrieg (währenddessen er in britische Kriegsgefangenschaft geriet) als einer der besten Radfahrer der Welt. Nicht nur weil er mit 20 Jahren quasi im Alleingang seinen Ersten von fünf Giro-Siegen holte. Zwei Jahre später stellte er einen Stundenrekord auf, der 15 Jahre Bestand behalten sollte, ehe es den großen Jacques Anquetil brauchte, diesen zu überbieten. Gerade auf nationaler Ebene war Fausto Coppi kaum zu schlagen. So dominierte er die wichtigsten italienischen Rennen in einer Phase, die zu den stärksten des italienischen Radsports gehörte.

 

 

Beeindruckend war dabei die Deutlichkeit, mit der er diese Siege bisweilen einfuhr. Wenn Fausto Coppi auf dem Zenit seines Schaffens erst einmal attackierte und sich erfolgreich lösen konnte, war er nicht mehr einzuholen! Im Gegenteil! Gerade in langen Etappen und Einzelrennen, wie dem Il Lombardia (welches Fausto Coppi öfter gewann als irgendwer sonst), gelang es Coppi mit Vorsprüngen von zehn Minuten und mehr auf den Zweitplatzierten durch das Ziel zu fahren. Bei seinem zweiten Tour de France Gesamtsieg (1952) gewann Fausto Coppi den Wettbewerb mit über 30 Minuten auf den Zweitplatzierten! Eine überdeutliche Distanzierung, die seither niemand reproduzieren geschweige denn überbieten konnte. Auch keiner der fünffachen Tour de France Gewinner – einschließlich Merckx. Die Rennleitung der Tour de France 1952 sah sich gar gezwungen, im laufenden Wettbewerb die Preisgelder für den Zweitplatzierten erhöhen, um den anderen Fahrern einen Anreiz für Leistungen zu bieten!

Der starke französische Kletterer und Sportkamerad von Fausto Coppi, Raphaël Géminiani, äußerte dazu dereinst: „Als Fausto gewann und sie die Zeitlücke zum Zweitplatzierten prüfen wollten, brauchten Sie keine Schweizer Stoppuhr. Die Glocke des Kirchturms würde völlig ausreichen. Paris – Roubaix? Mailand – San Remo? Il Lombardia? Wir sprechen von 10 Minuten bis einer Viertelstunde. So war Fausto Coppi.“

Eine andere Anekdote überliefert, wie Fausto Coppi einmal derart deutlich in einem Rennen führte, dass er bei einem Café haltmachte, um sich einen Espresso zu gönnen. Anschließend fuhr er weiter und siegte nach wie vor deutlich.

Steckbrief zu Fausto Coppi

Nationalität: Italien

Spitzname: Il Campionissimo (Champion der Champions)

Teams:

1938–1939 Dopolavoro Tortona

1939–1942 Legnano

1945 Cicli Nulli Roma

1945–1955 Bianchi

1956–1957 Carpano–Coppi

1958 Bianchi–Pirelli

1959 Tricofilina–Coppi

Die größten Erfolge von Fausto Coppi

 

  • 2 Gesamt- und Bergwertungen bei der Tour de France (jeweils 1949, 1952)
  • 9 Etappensiege bei der Tour de France
  • 5 Gesamtwertungen beim Giro d'Italia (1940, 1947, 1949, 1952, 1953)
  • 3 Bergwertungen beim Giro d'Italia (1948, 1949, 1954)
  • 22 Etappensiege beim Giro d'Italia (1940–1955)
  • 3x Milan–San Remo (1946, 1948, 1949)
  • Paris–Roubaix (1950)
  • 5x Il Lombardia (1946, 1947, 1948, 1949, 1954 und damit alleiniger Rekordhalter)
  • La Flèche Wallonne (1950)
  • Grand Prix des Nations (1946, 1947)
  • 4x Italienischer Meister (1942, 1945, 1949, 1955)
  • 3x Giro dell'Emilia (1941, 1947, 1948)
  • 3x Giro della Romagna (1946, 1947, 1949)
  • 3x Giro del Veneto (1941, 1947, 1949)
  • 3x Tre Valli Varesine (1941, 1948, 1955)
  • Stundenrekord (1942)
  • Weltmeister (1953)
  • Weltmeister in der Einerverfolgung im Bahnradfahren (1947, 1949)

Die große Frage: „Was wäre, wenn?“

Es ist eben diese Dominanz, die Fausto Coppi in seinen stärksten Jahren unter Beweis stellte und die manche hadern lässt, was gewesen wäre, wenn das Leben gnädiger zu Fausto Coppi gewesen wäre. Ob nicht er heute der Größte aller Zeiten wäre. Doch es sollte anders kommen. Nicht nur unterbrach der Weltkrieg seine Karriere. 1951 verlor er seinen Bruder Serse, der ebenfalls Radrennfahrer war, als dieser bei einem Sprint mit dem Rad hängen blieb und auf dem Kopf landete. Er erlag einer Gehirnblutung. Anschließend trug sich Coppi mit dem Gedanken, den professionellen Radsport umgehend hinter sich zu lassen. Zwar kam es anders und es folgten einige seiner besten Jahre. Doch der Grundstein für eine Melancholie, die ihn später einholen sollte, war damit zweifelsohne gelegt.

Als Fausto Coppi (der selber verheiratet war) später eine Affäre mit einer verheirateten Frau hatte, sorgte dies im damals erzkonservativen Italien für einen Skandal, auf den sich die Medien stürzten. Plötzlich wurde Coppi, kurz zuvor noch Held der Nation, von einheimischen Zuschauern am Wegesrand bespuckt. Selbst der Papst appellierte öffentlich an Coppi, von seiner Geliebten abzulassen. Dieser ging daraufhin mit ihr ins Exil nach Mexiko. Von da an begannen seine Leistungen, komplett einzubrechen. Anstatt vorne wegzufahren, konnte er zahlreiche Rennen nicht mehr beenden. Dies auch zweifelsohne befeuert durch diverse Sturzverletzungen, die er sich Zeit seiner Karriere zugezogen hatte.

Fausto Coppi starb an den Folgen von Malaria

Im Alter von nur 40 Jahren verstarb Fausto Coppi an einer aggressiven Form der Malaria. Er und sein Zimmergenosse Raphaël Géminiani hatten sich diese bei einem Radwettkampf mit anschließender Jagd in Burkina Faso zugezogen. Während Géminiani mit dem Schrecken davon kam, wurde bei Fausto Coppi bis zuletzt an einer Fehldiagnose festgehalten, die eine schwere Bronchitis vermutete. Dadurch blieb die adäquate Behandlung aus und er verstarb lange vor seiner Zeit.

Die schiere Summe der Erfolge und die Beständigkeit von Eddy Merckx, der außer olympischem Gold und dem Eintagesklassiker Paris-Tours alles gewinnen konnte, was der Radsport zu bieten hatte (das meiste mehrfach), stehen turmhoch und unanfechtbar. Doch was das schiere Potenzial anbelangt, ist Fausto Coppi der Fahrer, bei dem die Frage: „Was wäre, wenn?“, vollkommen berechtigt ist.


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