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Was macht Cesaro heute?
Claudio Castagnoli, heute besser bekannt als der WWE Wrestler Cesaro, ist ohne jeden Zweifel einer der besten Wrestling-Exporte Kontinentaleuropas. Mittlerweile steht er seit 2011 bei der WWE unter Vertrag und hat sich dort einen Spot als im Ring enorm vielseitiger Midcarder und Tag Team Spezialist gesichert. Seine Fähigkeiten im Ring machen ihn zu einem gern gesehenen Performer auf jeder WWE-Matchcard.
Unter eingefleischten WWE-Fans sind schon seit Jahren immer wieder Stimmen zu vernehmen, die einen Main Event Push für Cesaro fordern. Es sind keineswegs nur begeisterte europäische Wrestling-Fans, die Cesaro feiern. Selbst in seinem englischen Wikipedia-Eintrag wird die Wahrnehmung von Cesaro als einem der besten In-Ring-Performer der heutigen Zeit deutlich. Eine Einschätzung, die von prominenten Namen wie „Stone Cold“ Steve Austin, Mick Foley und Jim Ross geteilt wird. Doch trotz eines derart schmeichelhaften Leumunds scheint die WWE Cesaro eher als Midcard Arbeitstier zu schätzen. Bislang waren Vorstöße an die Spitze eher selten und niemals dauerhaft, was Cesaro bereits viermal in Folge die jährliche Auszeichnung vom „am meisten unterschätzten Wrestler“ durch den Wrestling Observer Newsletter eingebracht hat.
Anfänge im kleinen Europa
Die Wrestling-Szene in Europa hat mit den Untergängen der CWA sowie einiger englischer Top-Ligen spätestens seit der Jahrtausendwende einen schweren Aderlass hinnehmen müssen. Zwar gab und gibt es nach wie vor einige europäische Promotions, doch diese veranstalten allesamt nur in sehr überschaubarem Rahmen. Eben dort erwarb sich Claudio Castagnoli, der erst in der WWE zu Antonio Cesaro und schließlich nur noch zu Cesaro werden sollte, erste Meriten. Er war gewissermaßen ein Weihnachtsgeschenk ans europäische Wrestling, da er am 24. Dezember 2000 debütierte – und zwar bei einer deutschen Wrestling-Show in Essen.
Der Schweizer erwies sich früh als athletisches Naturtalent und als natürlicher Publikumsliebling, der sich aber nicht zu schade war, den Bösewicht zu mimen. Auch auf deutschem Boden verdiente er sich erste Erfolge. Vor allem bei Westside Xtreme Wrestling (heute die wohl bedeutendste Wrestling Liga Deutschlands) und German Stampede Wrestling. Insbesondere gemeinsam mit seinem Landsmann Ares in Form des Tag Teams „Swiss Money Holding“. Als technisch talentiertes Powerhouse stieß Castagnoli jedoch schnell an die Grenzen dessen, was er allein in heimischen Gefilden lernen konnte. Bei Ausflügen nach England ließ er sich daher von Dave Taylor unterweisen. Später winkten Ausflüge in die USA, als die Swiss Money Holding in der Indy Liga Chikara antrat. Auch dort konnte Castagnoli sich neue Fähigkeiten erwerben. Doch ein permanenter Trip in die USA, und somit der Split der Swiss Money Holding, sollte Gewissheit werden, als Castagnoli eine Greencard Lotterie gleich bei seiner ersten Teilnahme gewann.
Durchbruch in den US Indies und Kings of Wrestling
In den USA wurde Claudio Castagnoli schnell zu einer viel beachteten Erscheinung. Er hatte den Look, die Größe sowie die Athletik eines Oldschool-Wrestlers. Etwas, was im eher auf leichtgewichtige Wrestler fokussierten Indy-Wrestling sonst eher zu kurz kommt. Gleichzeitig war Castagnoli technisch jedoch bereits sehr gut geschult und leichtfüßig für einen Mann seiner Größe. Dabei verbesserte er sich stetig weiter, was durch seine Matches gegen viele der besten Indy-Wrestler aus jener Zeit weiter befeuert wurde. Noch bis 2004 trat Castagnoli regelmäßig in Europa auf, konzentrierte sich dann aber zunehmend und vorrangig auf den US-Markt.
Dort trat er bei den namhaftesten Indy-Ligen an. Allem voran ROH (Ring of Honor), PWG (Pro Wrestling Guerilla), CZW (Combat Zone Wrestling) sowie Chikara dienten als prominenteste Anlaufstellen. Hier konnte Castagnoli mit so ziemlich allen Stars der damaligen Indy-Szene zusammenarbeiten. Darunter Tyler Black (heute besser bekannt als Seth Rollins), Eddie Kingston, Chris Hero, Mike Quackenbush, Bobby Fish, Bryan Danielson (heute besser bekannt als Daniel Bryan), Davey Richards sowie Englands Nigel McGuinness, um nur einige zu nennen. Als besonders wichtiger Einfluss offenbarte sich der Wrestling-Autodidakt und Chikara Gründer Mike Quackenbush, der Castagnoli als Coach unter seine Fittiche nahm.
Ferner formte Castagnoli gemeinsam mit Chris Hero das erfolgreiche Indy Tag Team „Kings of Wrestling“. Beide traten phasenweise gemeinsam in Japan bei Pro Wrestling NOAH auf und errangen mehrere Tag Team Titel im US Indy Wrestling. Auch solo konnte sich Claudio Castagnoli als mehrfacher Titelträger bei unterschiedlichen Indy-Promotions einen Namen machen.
Frühe WWE-Karriere und US-Titel
2011 nahm Castagnoli ein Vertragsangebot bei der WWE an und firmierte von da an als Antonio Cesaro. Zunächst kam er bei der WWE Entwicklungs-Liga Florida Championship Wrestling unter. Eine Satelliten-Liga der WWE, die neue Gesichter an den WWE-Stil heranführen sollte. In dieser Funktion war FCW ein Nachfolger von Ohio Valley Wrestling und wurde wiederum 2012 durch WWE NXT ersetzt. In der FCW zeichnete sich schon ein wenig ab, dass die WWE für Cesaro wohl keine unmittelbaren Absichten bezüglich des ganz großen Pushs hegte. Denn dort wurde er zwar prominent eingesetzt, verlor jedoch seine Programme und Fehden zumeist.
Allerdings probierte die WWE Cesaro durchaus als Singles-Wrestler zu etablieren. Als er 2012 ins Haupt-Roster berufen wurde, dauerte es nicht lange, bis er den WWE US-Titel erobern konnte. Einen Titel, den er mehrfach verteidigen konnte und der bislang seinen einzigen Singles-Titel darstellen sollte. Dabei wurde Cesaro als ein suspendierter Rugbyspieler vorgestellt, der wegen exzessiver Gewalt den Sport wechseln musste. Früh wurde bereits die große Körperkraft von Cesaro betont, die er eindrucksvoll mit Kraftdemonstrationen in seinen Matches unter Beweis stellte, als er selbst wesentlich größere Gegner (unter anderem den Great Khali) mit Deadlift Manövern auf die Matte donnerte. Sprich: Manöver, die ein Anheben und Halten des Gegners ohne nennenswerte Unterstützung von dessen Seite erfordern. Auch hinter den Kulissen der WWE gilt Cesaro als einer der körperlich stärksten Performer.
Singles Push verläuft im Sand
Tatsächlich sollte der US-Titel Run von Antonio Cesaro beachtliche 239 Tage betragen, ehe Kofi Kingston den Titel erobern konnte. Danach formte er mit Jack Swagger das Heel Tag Team „Real Americans“, in dem er die Rolle des übereifrigen und eitlen Vorzeige-Immigranten mimte. Das Team war jedoch nicht sonderlich erfolgreich. Als Singles-Wrestler gestand die WWE Cesaro durchaus noch einen gewissen Stellenwert zu. So konnte er den zu jener Zeit amtierenden WWE World Heavyweight Champion Randy Orton in einem Non-Title-Match besiegen und überdies bei WrestleMania XXX den ersten jemals ausgetragenen Andre the Giant Memorial Battle Royal gewinnen, als er mit einer abermaligen Kraftdemonstration Big Show per Body Slam über das oberste Ringseil beförderte.
Allerdings war dies sein letzter echter Höhepunkt als Singles-Wrestler. Fortan pushte die WWE Cesaro nicht mehr und er musste als Midcard Heel, als welcher im Grunde Zeit seiner Karriere in der WWE überwiegend eingesetzt wurde und wird, viele Niederlagen hinnehmen. Jedoch stieß dies zum Teil auf Unverständnis. So gab es immer wieder Aktionen durch WWE-Fans, die mit “Cesaro Section“ Plakaten, die sie kollektiv hochhielten, einen Push des Schweizers forderten. Auch WWE Legenden, wie „Stone Cold“ Steve Austin, Mick Foley und Ric Flair beklagten, dass Cesaro prominenter dargestellt werden müsste. Ric Flair bot sich gar als Manager an, um Cesaros eine Schwäche (sein Micwork) zu kompensieren.
Der Tag Team Spezialist der WWE
Doch fortan pushte die WWE Cesaro wenn dann nur noch als Tag Team Spezialisten, als welcher er dafür Einiges erreichen konnte. Ein aus der Not zusammengewürfeltes Team bestehend aus ihm und Tyson Kidd führte zur ersten WWE RAW Tag Team Championship für Cesaro. Ferner sollte er dadurch auch hinter den Kulissen laut eigenem Bekunden eine gute Freundschaft zu Tyson Kidd entwickeln.
Als Nächstes wurde Cesaro mit dem Iren Sheamus zusammengelegt. Zunächst standen sich beide in einer sportlichen Rivalität gegenüber, bei der sich in einer „Best of seven“-Reihe keiner durchsetzen konnte. Danach nahmen sie es zunächst zähneknirschend hin, als Tag Team zusammenarbeiten zu müssen. Doch frühe Erfolge beendeten den Zwist und die Beiden wurde als "The Bar" zu einem der Top Tag Teams der WWE. Sie gewannen einmal die WWE Smackdown Tag Team Championship und gar viermal die WWE RAW Tag Team Championship, was Cesaro mit fünf Regentschaften als RAW Tag Team Champion zum WWE-Rekordhalter dieses Titels macht!
Das gewisse Etwas – ein Synonym für Vince McMahons Vorlieben?
Nach seinem Sieg beim Andre the Giant Memorial Battle Royal schien Cesaro einem ernst zu nehmenden Singles-Push recht nahe. Auch dass ihm Paul Heyman als Manager an die Seite gestellt wurde, schien zunächst wie ein Glücksgriff. Allerdings erwies sich schnell, dass es dabei nur darum ging, Paul Heyman eine Entschuldigung zu geben, regelmäßig im WWE Fernsehen zu erscheinen, um die Leute an Brock Lesnar zu erinnern, der kurz zuvor die WrestleMania-Streak des Undertakers beendet hatte. Dadurch spielte Cesaro zwangsläufig die zweite Geige in nahezu all seinen eigenen Segmenten. Danach ließ man ihn als Singles-Wrestler weitestgehend fallen.
Cesaro entspricht offensichtlich nicht dem, was Vince McMahon von einem Main Event WWE Talent erwartet. Soviel sagte der Boss der WWE quasi selbst, als er in Stone Colds Podcast von diesem gezielt darauf angesprochen wurde. Cesaro fehle “das gewisse Etwas“. Allerdings ist das ziemlicher Blödsinn. Cesaro kriegt, wann immer er auch nur latent gepusht wird, immer gute Reaktionen. Was er im Ring veranstaltet, ist super und seine Zähigkeit hat er spätestens bewiesen, als er sich bei einem Match beide Schneidezähne in den (gebrochenen) Oberkiefer rammte und das Match trotzdem beendete! Auch seine Publikumsinteraktionen während der Matches sind generell gut.
Alles, was Cesaro etwas abgeht, sind die Promos. Jedoch wurden Herren wie Brock Lesnar und der Undertaker auch ohne große Mic-Skills zu Stars. Roman Reigns war zu Beginn seines kometenhaften Pushs (der allein auf seinem Look basierte) ebenfalls grasgrün am Mic und der Ultimate Warrior brüllte in seinen Promos den größten Unsinn zusammen. Das Einzige, was Cesaro wirklich fehlt, ist der gute Wille von oben. Und im Grunde genommen wäre ein Push für Cesaro kein Hexenwerk. Man müsste ihm nur ein paar Matches gegen hochkarätige Gegner geben, bei denen er mehrheitlich gewinnt. Den Rest erledigt er im Ring. Hat bei Bret Hart doch auch wunderbar funktioniert.