Bjarne Riis – Eine Doping-Erfolgsstory

Radsportler Bjarne Riis im Porträt

Bildquelle: filip bossuyt from Kortrijk, Belgium [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Denkt man an den Radsport-Boom in Deutschland ab Mitte der 90er, dann kommen den meisten Fans wohl deutsche Radsportler wie Jan Ullrich und Erik Zabel in den Sinn. Doch den Anfang machte eigentlich Bjarne Riis, der 1996 Tour de France Sieger wurde und Team Telekom von einem Team, das nur gerade so zur Tour eingeladen wurde, zu einem der führenden Teams im Peloton katapultierte.

Vor allem leitete sein Sieg das erhöhte Interesse am Radsport in Deutschland und auch in seiner Heimat Dänemark ein. Denn Bjarne Riis wurde nicht nur der erste Tour de France Gewinner in Magenta-Farben, sondern war auch der erste Däne, dem dies gelang.

Bjarne Riis gibt Doping zu

Jedoch war sein Tour de France Sieg stets vom Verdacht des Dopings überschattet. Insbesondere im Nachgang der skandalösen Tour der France 1998, während welcher der Umfang von strukturellem Doping im Team Festina aufflog, rückte auch sein Tour de France Erfolg von 1996 in den Fokus. Allein schon, weil EPO bekanntermaßen zu diesem Zeitpunkt noch nicht nachweisbar war und Bjarne Riis vor 1993 als Grand Tour Fahrer eher eine extrem unauffällige Erscheinung war, ehe er diesbezüglich plötzlich einen Leistungsschub aus heiterem Himmel hinlegte.

Zuvor war er bestenfalls ein Mann für sehr sporadische Etappensiege oder Eintagesrennen gewesen. Nichts deutete auf einen großen Klassement-Fahrer hin. 2007 sollte dann Gewissheit werden: Bjarne Riis hatte von 1993 bis 1998 Cortison, Wachstumshormone und EPO eingenommen. Pikanterweise die Zeit, in die nahezu alle signifikanten Erfolge fielen.

Vom hässlichen Entchen zum stolzen Schwan

Bereits von Kindesbeinen an begeisterte sich Bjarne Riis für Radrennen, wobei er von seinem Vater aktiv unterstützt und gefördert wurde. 1986 wurde er dann im Alter von 22 Jahren Profi, konnte aber in den ersten Jahren keine großen Erfolge erzielen. Er schien sich eher zu einem Teamfahrer zu entwickeln. 1989 gelang ihm mit einem Etappensieg beim Giro d‘Italia ein erster Achtungserfolg. Er beendete diese Rundfahrt später auf Rang 86 im Gesamt-Klassement.

1992 wurde er dann erstmals dänischer Meister im Straßenrennen. Ein Erfolg, den er 1995 und 1996 wiederholen konnte. Sukzessive dazu mauserte er sich ab 1993 plötzlich mehr und mehr zu einem Klassement-Fahrer. 1993 wurde er bei der Tour de France Fünfter, was das beste dänische Ergebnis aller Zeiten diesbezüglich darstellte. 1995 landete er dann auf dem Podium (Rang drei) und gewann im Folgejahr gar die Tour de France, womit er Team Telekom plötzlich zum deutschen Power-Team machte und die Radsport-Popularität in Dänemark sowie in Deutschland befeuerte. Doch wie so viele andere im Team Telekom sollte auch Bjarne Riis später seine Dopingvergehen einräumen.

Steckbrief zu Bjarne Riis

Nationalität: Dänemark

Spitzname: Der Adler von Herning / Monsieur 60%

Teams

1986 Roland

1987 Lucas

1988 Toshiba–Look

1989 Super U–Raleigh–Fiat

1990–1991 Castorama

1992–1993 Ariostea

1994–1995 Gewiss–Ballan

1996–1999 Team Telekom

 

 

Die größten Erfolge von Bjarne Riis

 

  • Gesamtsieger bei der Tour de France (1996)
  • 4 Etappensiege bei der Tour de France (1993, 1994, 1996)
  • 2 Etappensiege beim Giro d'Italia (1989. 1993)
  • Dänemark Rundt (1995)
  • Dänischer Landesmeister im Straßenrennen (1992, 1995, 1996)
  • Dänischer Landesmeister im Zeitfahren (1996)
  • Coppa Sabatini (1996)
  • Amstel Gold Race (1997)
  • Colliers Classic (1997)

Bjarne Riis - Monsieur 60%

In den 90ern war der Radsport quasi ein Doping El Dorado. Denn für rund zehn Jahre entpuppte sich EPO (das auch heute noch ein echtes Problem im Radsport darstellt) als hoch potentes Dopingmittel, das bis 2000 nicht nachweisbar war. Die Zeiten explodierten und es kann getrost davon ausgegangen werden, dass es nicht einen Grand Tour Gewinner in den 90ern gab, der 100% clean war. Dennoch ist Bjarne Riis unter Radsport-Fans heute so eine Art Prügelknabe, wenn es um das Doping in jener Zeit geht. Denn vermutlich hat kaum jemand mehr von exorbitantem Doping profitiert als er (abgesehen von Lance Armstrong).

 

 

Bjarne Riis wurde von einigen Mitfahrern spöttisch „Monsieur 60%“ genannt. 60% bezogen sich dabei wohl auf seinen sehr hohen Hämatokritwert im Radwettkampf. In der Tat wäre 60% (oder auch alles einige Prozentpunkte darunter) ein gefährlich hoher Wert! Später wurden belastende Dokumente gefunden, die Riis in die Nähe des Sportarztes Francesco Conconi rückten, der Fahrern EPO besorgt hatte. In den zugrundeliegenden Dokumenten wurden Hämatokritwerte schwankend von 41% bis 56,3% bei Riis festgehalten. Letzteres war ein eklatant hoher Wert, der ohne intensive Einnahme von EPO kaum zu erklären wäre.

Doping als Sprungbrett?

Die Sonderwahrnehmung von Riis begründet sich aber vor allem darin, dass er bis 1993 (ab wann er, laut eigener Aussage, mit dem Doping begann) in Grand Tours überhaupt kein Faktor gewesen war. In neun Grand Tour Teilnahmen vor 1993 konnte Riis dreimal die Rundfahrt nicht beenden, dreimal endete er auf Rang hundert oder knapp darüber und nur dreimal gelang es ihm mit einem Rang innerhalb der ersten hundert Fahrer abzuschließen, wobei Rang 43 das mit Abstand höchste aller Gefühle gewesen war.

Auch wechselte Riis sehr häufig die Teams. Alles deutete also auf einen typischen Team Player hin, der für andere fuhr, selbst aber nicht viel reißen konnte. Ehe daraus unverhofft ein Favorit für die Grand Tours wurde. Die Tatsache, dass Riis später als vermeintlich reuiger Dopingsünder, selbst als Team-Manager in weitere Doping-Skandale verstrickt sein sollte, gereicht seiner Wahrnehmung auch nicht gerade zum Vorteil. Doch zu seiner Ehrenrettung sollte man vielleicht anmerken, dass Riis nicht nur ein klarer Doping-Profiteur gewesen ist, sondern auch ein sehr eindrückliches Beispiel dafür, welchen Unterschied Doping im Radsport generell machen kann. Denn hätte Bjarne Riis nicht gedopt, würde heute keiner mehr über ihn reden. Auch das ist die traurige Realität. Und sie ist Missständen geschuldet, die sehr weit über den Radsportler und Menschen Bjarne Riis hinausgehen.


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