Bildquelle: filip bossuyt from Kortrijk, Belgium [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Lance Armstrong – Reiz- und Symbolfigur
Erst hoch gehandelt, anschließend hochgejubelt, dann umso tiefer gefallen. So in etwa ließe sich die Karriere von Lance Armstrong, dem möglicherweise bekanntesten Doping-Sünder der Sportgeschichte, zusammenfassen. Er war die große Radsport-Hoffnung der USA nach Greg LeMond. Und wie es die Geschichte fügen sollte, ein krasser Gegenentwurf zu LeMond, der sich immer deutlich gegen Doping aussprach.
Heute gilt der dreifache Tour de France Sieger Greg LeMond als der letzte Gewinner dieses Wettbewerbs, bei dem die Mehrheit der Radsportfans davon ausgeht, dass dieser tatsächlich clean war. Insbesondere weil LeMond zu den Verlierern der EPO-Welle gehörte, die den Radsport mit den 90ern erfasste. Während LeMonds Erfolge mit dem Einzug von EPO rasch abnahmen, sorgte wenige Jahre später ein anderer Amerikaner für Furore.
Lance Armstrong, der als Triathlet den Ausdauersport für sich entdeckt und dort nationale Erfolge vorzuweisen hatte, ehe er anschließend auf das Rennfahrrad umsattelte, machte erste Wellen. Insbesondere 1993 markierte ein Jahr des Durchbruchs für Lance Armstrong, als er sowohl die nationale Meisterschaft als auch die Weltmeisterschaft gewann. Auch in den Folgejahren gelangen ihm punktuelle Erfolge, darunter zwei Tour de France Etappensiege.
Eine harte Diagnose – Hodenkrebs festgestellt
1996 bekam Lance Armstring eine niederschmetternde Diagnose. Er hatte Hodenkrebs in einem gefährlich fortgeschrittenen Stadium. Selbst in der Lunge waren die Metastasen bereits nachweisbar. Jedoch konnte Lance Armstrong diesem vermeintlichen Todesurteil von der Schippe springen. Und zwar mit Pauken und Trompeten! 1998 kehrte er, voll therapiert, zum Sport zurück und gewann 1999 sein erstes von sieben aufeinanderfolgenden gelben Trikots bei der Tour de France. Rekord! Fürs Erste ….
Für den UCI Radsport war Lance Armstrong nach seinem ersten Tour de France Sieg ein erhörtes Gebet. Nach der skandalösen Tour 1998 war man dringend auf positive Schlagzeilen aus. Der Krebs-Überlebende Lance Armstrong war dabei die ultimative Feel-Good-Story. Doch aus dem vermeintlichen Underdog wurde ein Fahrer, der die Tour de France in den folgenden Jahren absolut dominierte. Wie sich erweisen sollte, lag das keineswegs nur an der Finanzstärke des US-Postal Teams, das mit starken Fahrern gespickt war.
Dopingverdacht wird mit Haken und Ösen bekämpft
Die Stimmen nach dem Überraschungssieg von 1999 waren nicht allesamt positiv. Schon früh äußerten diverse Personen im und um den Sport konkreten Dopingverdacht. Zu kometenhaft erschien der Aufstieg des Amerikaners, der ehedem bei vier Tour de France Teilnahmen nur einmal 36. geworden war und die anderen drei Male das Rennen jeweils vorzeitig beenden musste. Nicht gerade die sportliche Vita eines kommenden Grand Tour Klassementfahrers. Trotz dessen kam er wie aus dem Nichts zurück und dominierte diesen renommierten Radwettkampf in beispielloser Weise.
Lance Armstrong schmetterte entsprechende Unterstellungen verbissen ab. Unvergessen ist seine Äußerung: „Alle wollen wissen, worauf ich bin. Ich bin auf einem Fahrrad!“ Jedoch überließ Armstrong seine Verteidigung gegen die wiederkehrenden Vorwürfe keineswegs nur dem Wortwitz. Er ließ seinen Einfluss spielen, um Team-Mitglieder, andere Fahrer sowie gar seinen vermeintlichen Vorgänger im Geiste, Greg LeMond, enorm unter Druck zu setzen. So äußerte LeMond immer wieder Zweifel an der Integrität von Armstrong. Dieser machte dann seinen Status als Werbefigur für den Radhersteller Trek geltend, der sich anschließend mit LeMond überwarf (dessen Trek Fahrrad-Linie wurde 2008 eingestellt). Überhaupt wurde LeMond lange Zeit wie ein ewiggestriger Neider hingestellt, der Armstrong seine Erfolge nicht gönnen würde.
Das Kartenhaus fällt zusammen
Ein anderes beispielhaftes Opfer von Armstrong war der französische Radrennfahrer Christophe Bassons. Dieser schrieb begleitend zur Tour de France 1999 eine Kolumne, in der er sich auch unerschrocken zum Thema Doping äußerte. Auf der 14. Etappe nach Alpe d‘Huez fuhr das gesamte Peloton bewusst sehr langsam, ohne Christophe Bassons einzuweihen. Dieser attackierte entsprechend früh (war allerdings vorher von einem Mechaniker gewarnt worden). Prompt jagte ihn das ganze Feld und fuhr an ihm vorbei, wobei ihn alle Fahrer ansahen. Armstrong selbst schloss während dieses Rennens zu ihm auf und legte ihm nahe, den Sport bleiben zu lassen. Tatsächlich beendete der vollends desillusionierte Christophe Bassons seine aktive Karriere wenig später. Auch weil in anschließenden Rennen weitere Anfeindungen seitens anderer Fahrer folgten.
Es sollte bis 2012 dauern, bis die zahlreichen Verdachtsmomente und Anschuldigungen recht bekamen. Im Zuge einer Untersuchung der USADA flog Lance Armstrong auf. Diesmal war es ein sportlich niederschmetternder Befund. So sprach die USADA vom „fortschrittlichsten, professionellsten und erfolgreichsten Dopingprogramm, das der Sport jemals gesehen hat.“ Es zeigte sich, dass Armstrongs Gesamtes auf ihn ausgerichtetes Team strukturell Doping betrieben hatte (allem voran EPO und Eigenblut). Die Aussagen geständiger Fahrer, wie Floyd Landis oder Tyler Hamilton, belasteten Armstrong schwer. 2013 gestand Lance Armstrong das Ausmaß seines Dopings öffentlich ein. Seither wurde ihm die Teilnahme an sämtlichen Sportwettbewerben, die der Anti-Doping-Charta zustimmen, verboten.
Steckbrief zu Lance Armstrong
Nationalität: USA
Spitzname: Der Boss/Big Tex
Teams:
1992 – 1996 Motorola
1997 Cofidis
1998 – 2005 U.S. Postal Service
2009 Astana
2010 – 2011 Team RadioShack
Die größten Erfolge von Lance Armstrong
- 2 Etappensiege bei der Tour de France (1993 und 1995)
- Tour de Luxembourg (1998)
- 2x Tour DuPont (1995, 1996)
- Clásica de San Sebastián (1995)
- La Flèche Wallonne (1996)
- Trofeo Laigueglia (1993)
- Weltmeisterschaft (1993)
- US-Meisterschaft (1993)
Sämtliche weiteren Erfolge ab 1998, darunter sieben Tour de France Siege (1999 bis 2005) und eine Bronze Medaille bei den Olympischen Spielen (2000) wurden aberkannt.
Ein wenig bemitleidenswertes Bauernopfer
Heute gilt Lance Armstrong als das mit Abstand berüchtigtste Enfant terrible der Tour de France Geschichte. Eine Reputation, die er sich mit seiner intriganten, tyrannischen Art selber eingebrockt hat und für die er niemals zu bemitleiden sein wird. Doch schwingt bei alldem auch eine gewisse Unglaubwürdigkeit mit. Denn seit der „Ära Armstrong“ gibt sich der Radsport geläutert, ohne dass es dazu den geringsten Anlass gibt. Dass Armstrongs Erfolge nicht stattdessen den jeweils Zweitplatzierten zugestanden und ersatzlos gestrichen wurden, hat einen frappierend offensichtlichen Grund. So wurden Armstrongs aussichtsreichste Konkurrenten allesamt selbst verschiedentlich des Dopings überführt. Doch ihre sportlichen Erfolge werden fast alle noch anerkannt!
Lance Armstrong war der König unter den Dopern und wurde als solcher öffentlichkeitswirksam zum Bauernopfer. Doch die Zeiten in den Wettbewerben sind seither kaum bis gar nicht langsamer geworden! Lance Armstrong hat reinen Tisch gemacht und dafür einen angemessenen Preis bezahlt. Vom Rest des Radsports kann man das nicht wirklich behaupten.
Eines sollte man nicht vergessen: Lance Armstrong ist bei der 14. Etappe der Tour de France 1999 nicht alleine am vermeintlichen „Nestbeschmutzer“ Christophe Bassons vorbeigefahren. Damals strafte ihn das gesamte Peloton mit Verachtung. Armstrong war nur der symbolische Wortführer. An eben dieser Omerta im Radsport, gegen die Christophe Bassons verstoßen hatte, hat sich bis heute nichts geändert.