Andy Hug - Poträt einer Kampfsportlegende aus der Schweiz

Poträt über Andy Hug

Bildquelle: Ripandyhug CC BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Denkt man an die Schweiz, kommt einem nicht direkt Kampfsport in den Sinn. Selbst dann nicht, wenn man an die Schweiz im Zusammenhang mit Sport allgemein denkt. Und doch ist einer der größten sportlichen Exportschlager aus der Schweiz ein vorzüglicher Kickboxer und Karatekämpfer gewesen. Andy Hug zog auf seinem Zenit bei Kämpfen vor heimischer Kulisse (als K-1 Kickboxer) mehr Einschaltquoten als die Schweizer Fußballnationalmannschaft auf sich und wurde in Japan ebenso zum Star.

Als er im Jahr 2000 überraschend im Alter von knapp 36 Jahren starb, wurde er seinem eigenen Wunsch gemäß in Japan bestattet. Ein trauriger Anlass, zu dem unter Anderen etliche Größen des Kampfsports, der damalige Schweizer Präsident sowie rund 12.000 trauernde Fans erschienen.

 

Andy Hug war ein Ausnahmeathlet und gilt heute noch als eines der besten Schwergewichte im Kickboxen sowie im Vollkontakt-Karate. Dreimal erreichte er das Finale des K-1 Grand Prix und einmal konnte er es gewinnen. Überdies war er ein mehrfacher Europameister im Karate, wo er auch Weltmeister und Vizeweltmeister wurde. Überhaupt erstritt er bei nationalen Karate-Wettbewerben etliche Medaillen. Darüber hinaus wurde er zu seiner K-1 Zeit ein Muay Thai Weltmeister (WMTC) und erstritt Meisterschaften im Kickboxen bei der WKA und der UKF.

Ein unglaubliches Talent

Andy Hugs Lebensweg startete bereits ungewöhnlich. Er wuchs die ersten drei Jahre seines Lebens in einem Waisenheim auf. Seinen Vater lernte er nie kennen, da dieser bei der französischen Fremdenlegion unterwegs gewesen und wohl in Thailand ums Leben gekommen war. Seine deutschstämmige Mutter hatte nicht die Mittel, um ihn alleine zu erziehen und gab ihn so zur Adoption frei. Nach drei Jahren waren es dann schließlich Hugs Großeltern sowie sein älterer Bruder Charly, die sich seiner annahmen.

Schon früh offenbarte Hug großes sportliches Potenzial. Im Alter von sechs Jahren begann er mit dem Fußballspielen und brachte es im Laufe seiner Jugend bis in die nationale U-16 Auswahl der Schweiz. Allerdings begann er im Alter von zehn Jahren mit Kyoshinkai Karate. Als Junge, der bei den eigenen Großeltern lebte, wurde er häufig deswegen aufgezogen, was ihn zu diesem Schritt bewog, weil er sich nichts mehr gefallen lassen wollte. Sein Großvater war zunächst dagegen, doch Hugs Großmutter erkannte schnell, dass seine Hingabe und sein Talent jenem, das er im Fußball an den Tag legte, in nichts nachstanden. Sie konnte den Großvater schließlich beschwichtigen.

Wenn überhaupt brachte Andy Hug noch mehr Talent für den Kampfsport mit als für den Fußball. Denn hier tat er sich als absolutes Ausnahmetalent hervor! Mit gerade einmal 15 Jahren nahm er 1979 in der Schweiz am Oyama Cup teil. Ein Novum, weil dieser Wettbewerb eigentlich ein Mindestalter von 20 Jahren voraussetzte. Doch galt Hug als derart talentiert, dass die Verantwortlichen für ihn eine Ausnahme machten. Nicht zu Unrecht, wie sich zeigen sollte. Hug gewann sensationell als 15-Jähriger diesen Wettbewerb! Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits gänzlich dem Karate zugewendet. Auch weil seine Großeltern es sich nicht mehr leisten konnten, die Teilnahme an beiden Sportarten (Karate und Fußball) auf diesem Niveau zu bezahlen.

Andy Hug wird zu einem der besten Karatekämpfer Europas

In der Folgezeit bestätigte Andy Hug sein augenscheinlich gewaltiges Talent und erzielte bei nationalen, europäischen sowie weltweiten Wettbewerben zwischen 1979 und 1989 insgesamt 17 Medaillen (darunter zwölfmal Gold) im Kyokushin Karate, der verbreitetsten Variante des Vollkontakt-Karate, bei der Punkte durch Niederschläge gewonnen werden. 1992 wechselte Andy Hug zum Seidokaikan Karate, um an der bis dahin wohl ambitioniertesten Karate-Weltmeisterschaft teilzunehmen. So wurde Seidokaikan als professioneller Preiskampf präsentiert und gestattete ein Dasein als Vollprofi – ausreichend Erfolge vorausgesetzt. Etwas, was Hug zupassekam, da er seinen erlernten Beruf als Metzger schon seit 1986 nicht mehr ausübte. Die hohen Trainingserfordernisse und gelegentlichen Verletzungsausfälle machten ein handwerkliches Arbeiten ohne ausgeprägte Fehlzeiten nahezu unmöglich.

Seidokaikan Karate ähnelte bereits stark dem Kickboxen. So waren auch Schläge zum Gesicht erlaubt und es wurden Boxhandschuhe getragen. Es wurde aber auch weiterhin im GI (dem traditionellen Anzug im Karate) gekämpft. Im Seidokaikan offenbarte sich Hug als voller Erfolg! Er gewann 1992 die zweite Auflage des Worldcups in Osaka und wurde somit in Japan endgültig zum Star. Insbesondere die ruhige Attitüde außerhalb des Rings, die saubere Technik und sehenswert vorgetragenen Kicks von Hug machten ihn schnell zum Publikumsliebling.

Andy Hug sattelt zum K-1 Kickboxer um

1993 bestritt Andy Hug seinen ersten Kampf in der frisch gegründeten K-1 Promotion. Wenn auch nach wie vor unter Seidokaikan-Regeln. Beim K-1 Grand Prix ‘93 (dem ersten K-1 GP überhaupt) besiegte Hug Nobuaki Kokuda mittels Kniestoß in der zweiten Runde. Dieser Kampf ging als Exhibition-Match dem Finale des Grand Prix voraus. Nach diesem Sieg verkündete Andy Hug im Ring, sich ebenfalls künftig dem Kickboxen unter dem K-1 Banner zuwenden zu wollen. Dabei blieb er aber im Jahr 1993 zunächst noch dem Seidokaikan treu, wo er nach wie vor ungeschlagen war. Tatsächlich änderte sich dies erst im Finale des Welt Cups 1993, wo er im Finale Masaaki Satake unterlag und somit Vizeweltmeister wurde. Dies war die einzige Niederlage, die Hug jemals im Seidokaikan zugefügt wurde!

Unter den K-1 Kickbox Regeln traten Kickboxer unterschiedlichster Hintergründe an. Die hohen Preisgelder lockten holländische Kickboxer, Savate Fighter, Voll-Kontakt Karate Kämpfer (wie Hug und Satake) sowie Thaiboxer gleichermaßen an. Das Highlight war dabei der alljährliche K-1 World GP: ein Acht-Mann-Turnier der Schwergewichte, das an einem einzigen Kampfabend ausgetragen wurde und das unumstrittene Aushängeschild von K-1 war. Schon bei der ersten Auflage 1993 nahmen ausschließlich dekorierte Kämpfer (nationale Champions und Weltmeister diverser Verbände) teil.

Andy Hugs Transition zum Kickboxen war zunächst erfolgreich. Bereits in seinem dritten Kampf als Kickboxer unter dem K-1 Banner konnte er Branko Citakic, den Gewinner des K-1 GP 1993, nach einem umkämpften Match besiegen. Allerdings offenbarte sich in diesem Kampf auch, dass Hug boxerisch noch einiges nachzuholen hatte, da dieser Aspekt über weite Strecken seiner Laufbahn als Karateka nicht von Bedeutung gewesen war. Dies sollte sich zunächst rächen. In der ersten Runde des K-1 GP ‘94 schied Hug vorzeitig gegen Patrick Smith aus, der ihn mit einem wütenden Ansturm sogleich unter Druck setzte. Zwar konnte Hug diese Niederlage umgehend in seinem nächsten Kampf (wieder gegen Smith) rächen, doch setzte es weitere Niederlagen für ihn, sodass er die Teilnahme am 1995er Grand Prix gleich ganz verpasste.

Aufstieg zu einem der Top K-1 Kämpfer

Nach zwölf Kämpfen lag Hugs Kampfbilanz im K-1 Kickboxen bei 8-4. Dies wurde seinem populären Favoriten-Status in Japan nur bedingt gerecht. Insbesondere das frühe Ausscheiden beim GP 1994 und das Verpassen des GP 1995 ließen ihn hadern. Sinnbildlich für seine stilistische Schwäche gegenüber geschulten Faustkämpfern waren dabei zwei Niederlagen gegen Südafrikas Mike Bernardo, die er ihn dieser Spanne hinnehmen musste. Bernardo war in erster Linie ein Faustkämpfer und für seine schweren Hände bekannt.

Doch ab Ende 1995 drehte Hug den Spieß um. Er sollte neun Kämpfe in Serie gewinnen und sich endlich den heiß ersehnten Gewinn des K-1 Grand Prix sichern. Zwei Siege in Folge sicherten ihm die Teilnahme am Grand Prix 1996. Seinen Viertelfinalkampf konnte Hug in nur 40 Sekunden beenden. Umso härter traf es ihn aber ab dem Halbfinale, wo er zum insgesamt zweiten Mal auf Ernesto Hoost traf, dem er im ersten Aufeinandertreffen noch unterlegen gewesen war. Hoost war ebenfalls ein K-1 Kämpfer, der noch legendären Status erreichen sollte. Das auf drei Runden angesetzte Halbfinale ging bis in Runde fünf, da der Kampf nach jeweils drei und vier Runden unentschieden gewertet wurde. Erst nach fünf Runden wurde Hug eine knappe Split-Decision zugestanden. Dieser Kampf zwischen Hug und Hoost gilt auch heute noch als einer der besten K-1 Kämpfe aller Zeiten!

Im Finale wartete dann kein Geringerer als Mike Bernardo. Doch im dritten Anlauf konnte Hug ihn besiegen. Bernardos Schlagkraft schwand zusehends und Hug bearbeitete gezielt dessen Beine. Das Highlight war dabei der “Hug Tornado“. Ein niedrig angesetzter Spinning Heel Kick aus der Hocke gegen die Beine. Eine Technik, für die Hug bekannt war. Mit ihr holte er den Puncher aus Südafrika von den Beinen, sodass er nicht mehr hochkam. Eines der spektakulärsten K-1 TKOs überhaupt! Hug gewann den GP 1996 und zementierte durch die spektakulären Kämpfe auf dem Weg zu dieser Trophäe endgültig seinen Ruf als japanischer Publikumsliebling. Vom Dezember 1995 bis einschließlich Dezember 1996 gewann Hug neun Kämpfe in Serie (in dieser Phase sicherte er sich auch die WKA und WMTC Titel). Erst im März 1997 erfuhr er wieder eine Niederlage. Diesmal gegen Peter Aerts, einen anderen legendären Kämpfer von K-1.

Zwei weitere Finalteilnahmen

Andy Hug verbesserte im Laufe seiner Karriere seine Defensive gegenüber Faustattacken, womit er jene Schwäche, die seinen Karrierebeginn im K-1 überschattet hatte, weitgehend (wenn auch nicht gänzlich) egalisieren konnte. Er besiegte Mike Bernardo noch ein weiteres Mal im einzigen Kampf zwischen den Beiden, der über die Distanz gehen sollte, womit ihre Rivalität 2-2 endete. Von 1997 an konnte Andy Hug insgesamt 20 weitere Kämpfe gewinnen. Darunter Siege gegen Größen von K-1 wie Peter Aerts, Musashi, Mirko “CroCop“ Filipovic, Masaaki Satake, Ray Sefo und Sam Greco. Letzterer hatte mit Andy Hug den Vollkontakt-Karate-Hintergrund und WM Sieg im Seidokaikan gemein und konnte Hug bei einer Gelegenheit das einzige Unentschieden seiner Karriere abtrotzen. Die einzigen drei Leute, die Andy Hug von 1997 an noch besiegen konnten, waren Francisco Filho (ein alter Intimfeind aus Karate-Tagen) sowie Peter Aerts und Ernesto Hoost (jeweils zweimal).

Sowohl 1997 als auch 1998 erreichte Andy Hug das Finale des Grand Prix, musste sich dort aber jeweils geschlagen geben (1997 gegen Hoost/1998 gegen Aerts). Seine UKF-, WKA- und WMTC-Titel verlor er jedoch nie im Kampf!

Unverhofftes, tragisches Ende

Stattdessen war es ein anderer Kampf, den Andy Hug traurigerweise verloren geben musste. Im August des Jahres 2000 erkrankte Andy Hug überraschend und heftig an akuter Leukämie. Er hatte im Monat zuvor noch gekämpft und gesiegt. Allerdings kam dieser Erkrankung (in der Nachbetrachtung) vielleicht nicht ganz so unangekündigt. Auch wenn kaum jemand ihre Ernsthaftigkeit absehen konnte. So berichteten Trainingspartnern und Kollegen aus jener Zeit später, dass Hug auffallend oft im Sparring ausgeknockt wurde und eine bis dahin ungekannte Verletzbarkeit offenbarte. Trotz dessen gewann Hug seine letzten vier Kämpfe (alle im Jahr 2000), was sicherlich ihn und die Seinen über seinen erodierenden Zustand hinwegtäuschte.

Im August 2000 schlug die Erkrankung dann mit aller Macht zu. Heftiges Nasenbluten sowie rund 40 Fieberattacken zeichneten ein besorgniserregendes Bild von Gesundheitszustand Andy Hugs. Die Ärzte in der Schweiz konnten zunächst keine Ursache diagnostizieren, sodass Andy Hug nach Japan reiste, um sich dort auf seinen nächsten Kampf vorzubereiten. Am 15. August entdeckte dann ein zu seinem Stab gehörender Schweizer Arzt einen bösartigen Tumor, der sich am Genick Hugs abzeichnete. Umgehend wurde Hug ins Nippon Medical School Hospital gebracht. Dort wurde eine akute Leukämie festgestellt.

Hug entschied sich dagegen, sich in die heimatliche Schweiz transferieren zu lassen, da er in Japan sterben wollte, so es denn sein müsste. Am 22. August zeigte Hug sich letztmalig in besserer Verfassung. Er aß, sah fern, telefonierte mit seiner Frau und formulierte eine Pressemitteilung an seine Fans, um sie über seinen alarmierenden Gesundheitszustand zu informieren. Doch nur einen Tag später fiel Hug ins Koma. Keine 48 Stunden später (am Nachmittag des 24. August 2000) war er tot. Nach drei erfolgreichen Wiederbelebungen in kurzer Zeit entschieden die Ärzte sich gegen eine weitere Reanimation. Hug starb letztlich an multiplem Organversagen. Er hinterließ seine Frau und einen damals fünfjährigen Sohn. Als Peter Aerts, der ebenfalls wegen einer Rückenbehandlung im selben Krankenhaus war, vom Tode seines dreimaligen Gegners erfuhr, solle er für zwei Stunden am Boden zerstört gewesen sein.

Andy Hug – Der blauäugige Samurai

Andy Hug kann in vielerlei Hinsicht als das definitive Gesicht von K-1 Mitte der Neunziger gelten. Er war phasenweise der am besten bezahlte Kickboxer auf dem Planeten und der wohl eindeutigste Publikumsliebling, den die Promotion in Japan je hervorgebracht hat. In Anerkennung seines Kampfgeistes und seiner bescheidenen Art nannten ihn die Japaner den blauäugigen Samurai, was zweifelsohne eine große Ehrerbietung war. Gleichwohl “blauäugig“ wohl eher auf seine westliche Abstammung anspielte. Eigentlich hatte Andy Hug braune Augen.

Zum Zeitpunkt seines Todes hatte Andy Hug bereits Pläne für sein baldiges Karriereende gemacht. Er wollte sich danach der Schauspielerei zuwenden. Diesen Wunsch konnte er sich offensichtlich nie erfüllen. Doch vielleicht kann das seinem Sohn, Seya Hug (24 Jahre alt), gelingen. Dieser hat eben jenes Ziel ins Auge gefasst und nun seine erste Hauptrolle. Selbstverständlich wird er dort einen Preiskämpfer spielen. Was denn sonst? Seinem Vater hätte es wohl gefallen.


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