Bildquelle: Mandy Coombes [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Vor Bertha Faye kam Rhonda Sing
Rhonda Ann Sing, den meisten wohl am ehesten noch bekannt unter ihrem WWF Alias "Bertha Faye", war eine kanadische Wrestlerin, die durchaus als eine der übersehenen Pionierinnen unter den Wrestlerinnen des vergangenen Jahrhunderts gelten kann. Das dürfte wohl daran liegen, dass ihr Karriereende, welches von jeweils einem Run in der WWF und der WCW geprägt war, sie in ein eher schlechtes Licht rückte und sie allein aufgrund ihrer Korpulenz in die Comedy-Ecke zwang.
Dabei konnte Rhonda Sing fast überall, wo sie auftrat, Titel erstreiten. Sie galt mit der Zeit als eine fähige Powerhouse-Wrestlerin, die auch unter ihren männlichen Kollegen respektiert war. Überhaupt heißt es, dass Sing hinter den Kulissen mit den Wrestlern ihrer Zeit meist weit besser zurechtkam als mit den anderen Wrestlerinnen. Doch leider konnte auch das nicht ändern, dass ihr Karriereende teilweise unrühmlich verlief, sodass sie sich nach der Jahrtausendwende vom Sport abwandte, ehe sie 2001 mit gerade einmal 40 Jahren (möglicherweise in Folge eines Selbstmords) verstarb.
Ein entschlossenes Raubein
Geboren in Calgary (Kanada), wurde Sing quasi im Epizentrum der kanadischen Wrestlingszene groß. Bereits als Kind war sie ein großer Fan von Stampede Wrestling, jener Wrestling-Promotion von Stu Hart, dem Patriarchen der Hart Familie (weltweit bekannt vor allem durch Bret Hart und Owen Hart). Früh reifte der Gedanke in Sing, dass sie auch einmal Wrestlerin werden wollte. Ihre ersten Sporen verdiente sie sich dabei in Prügeleien mit Jungs aus der Nachbarschaft.
Nachdem sie vergeblich versuchte, von den Harts ausgebildet zu werden, wurde sie auf die Adresse von Mildred Burke, wohl einer der wichtigsten Vorreiterinnen im Frauenwrestling überhaupt, aufmerksam gemacht. Sie schrieb Burke und wurde schließlich als Schülerin von ihr angenommen. Dies leitete eine Karriere ein, die sie zunächst nach Japan und später in die meisten anderen Wrestling-Territorien führte, die damals von Rang und Namen waren.
Große Erfolge in Japan
Ihr Debüt feierte Rhonda Sing Ende der 1970er in einem Tag Team Match in Japans AJW (All Japan Women). Eine Promotion, die ganz dem Frauenwrestling verschrieben war und die in den 1980ern phasenweise kommerziell enorm erfolgreich sein sollte. Dort sollte Sing unter dem Namen Monster Ripper gleich zweifach den Haupttitel der Promotion halten, was sie (geschlechterübergreifend) zur ersten Wrestlerin aus Calgary überhaupt machte, der es gelang, einen japanischen Titel zu erstreiten. Allerdings war ihre Zeit in Japan für sie nicht einfach. Sie war immer noch sehr jung und im Ring vergleichsweise unerfahren, denn nur wenige Wochen nach Beginn ihres Trainings bei Mildred Burke waren japanische Scouts auf sie aufmerksam geworden.
Überdies tat sie sich schwer mit der japanischen Kultur und musste wohl viele Sticheleien von diversen japanischen Wrestlerinnen erdulden, die ihr solch frühen Erfolg neideten. Unerwartete Unterstützung erfuhr sie vom "Dynamite Kid" Tom Billington, der ebenfalls aus Calgary stammte und in Japan zu seinem der absoluten Pioniere und Innovatoren des High Flying Wrestlings werden sollte. Er baute sie auf. Möglicherweise war bereits damit der Grundstein gelegt, warum sich Sing unter den männlichen Zunftgenossen wohler fühlen sollte als in der Umkleide der Wrestlerinnen. Später in der WWF war sie vor allem Owen Hart freundschaftlich verbunden.
Triumphale Rückkehr nach Calgary
Nach ihrer Zeit in Japan kehrte Sing nach Calgary zurück, wo sie 1987 (nach einem Sieg über Wendi Richter) als erster Women's Champion von Stampede Wrestling anerkannt wurde. Eben jene Promotion, die sie als Kind bereits verfolgt hatte und die dem Mann gehörte, der es abgelehnt hatte, sie zu trainieren. Eine wahrlich triumphale Rückkehr! Auch in Mexiko konnte Sing Gold holen.
Es folgte ein enorm erfolgreicher Run in Puerto Rico, wo Sing gar zum fünffachen Frauen-Champion des WWC (World Wrestling Council) wurde – der bedeutendsten Wrestling-Promotion Puerto Ricos, das damals noch als großes Territorium im Wrestling galt und für seine fanatischen Fans berüchtigt war. Allerdings sollte der Stern des WWC und somit das Wrestling auf Puerto Rico damals schwer einbrechen, als nach der Backstage-Ermordung von Bruiser Brody und der anschließend offenbar manipulierten Gerichtsverhandlung die meisten ausländischen Wrestler das Territorium zu meiden begannen.
Enttäuschender Karriereabschluss in WWF und WCW
Mitte der 90er kam Sing dann in der WWF unter, wo sie als Bertha Faye jedoch zu einer Lachnummer degradiert wurde. Zwar wurde sie durchaus stark dargestellt. Allerdings lag der Fokus eindeutig darauf, dass sie als dicke Wuchtbrumme die Fans zum Lachen bringen sollte – ein ziemlich krasser Bruch mit dem Monster-Heel-Charakter, den sie sonst Zeit ihrer Karriere verkörpert hatte. Auch wenn sie Alundra Blayze bei einer Gelegenheit den Titel entreißen konnte, erinnerte sich Sing wohl nie gerne an diesen Teil ihrer Karriere. Insbesondere weil die WWF-Oberen ihre viele Power Moves untersagten, um sich mehr auf den Comedy-Aspekt ihrer Rolle zu konzentrieren.
Ein Match mit Bull Nakano war angedacht und hätte durchaus interessant werden können. Doch Nakano wurde wegen Kokainbesitzes von der WWF entlassen, womit dieser Hoffnungsschimmer dahin war. Nach nur einem Jahr in der WWF löste Sing ihren Vertrag dort auf. Sie ging zur WCW, wurde dort aber phasenweise unter dem wenig subtilen Alias "Beef" jedoch noch unwürdiger eingesetzt. So trat sie als gelegentliche Lachnummer mit den Nitro Girls (eine Art Cheerleader Formation der WCW) auf. Allerdings trat sie auch unter ihrem eigentlichen Namen in ernstzunehmenden Matches an. Teilweise gegen die männlichen Kollegen.
Möglicher Suizid von Rhonda Sing
Um die Jahrtausendwende distanzierte sich Sing vom Wrestling und verdiente ihr Geld anschließend als Betreuerin und Pflegerin von Menschen mit Behinderungen. Allerdings sollte dieser Abschnitt ihres Lebens nicht lange währen. Denn im Juli 2001 verstarb sie im Alter von nur 40 Jahren infolge einer Herzattacke. Allerdings verdichteten sich anschließend die Indizien, dass diese Herzattacke durch eine medikamentöse Überdosis und wahrscheinlich beabsichtigt hervorgerufen worden war. Auch Bruno Lauer, bekannt als der Manager Harvey Wippleman in der WWF/WWE (er war dort auch Manager von Bertha Faye gewesen), teilte in einem Interview die Einschätzung, dass es wohl Selbstmord gewesen war.
Sing wurde neben ihren Eltern in Calgary begraben. Erst in der historischen Nachbetrachtung wurde sie von Wrestling-Fans weltweit mehr geschätzt. Insbesondere weil mit der Verbreitung von Tapes und später dem Internet auch mehr westliche Fans ihre Arbeit in Japan und Puerto Rico bestaunen konnten. Somit war Sing wenigstens abseits ihrer Karriere und ihres Lebens ein würdigerer Abschluss gegönnt, als sie ihn zu Lebzeiten erfahren hatte.