Kompanys größter Offensivmoment bringt Manchester City an Liverpool vorbei

Vincent Kompany sorgt mit Siegtor für Stimmung bei ManCity

Bildquelle: Brad Tutterow CC BY-SA 2.0 [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Was wie eine Pflichtaufgabe und vorletzter Schritt zum erneuten Titelgewinn in der Premier League für Manchester City gegen Leicester vor dem Match am Montagabend angemutet hatte, wurde durch einen in mehrfacher Hinsicht historischen Treffer in den Winkel durch Kapitän Vincent Kompany zu einer hochemotionalen Fußballnacht. Tränen der Rührung rollten nach der Partie über die Wangen des 1,93-m-Modellathleten aus Belgien, sein Coach Pep Guardiola nahm ihn nach dessen goldenem Tor zum 1:0-Endstand in die Arme und strahlte dabei von einem Ohr bis zum anderen.

Dabei war es Guardiola selbst, der 20 Minuten vor Schluss gegen einen sehr starken Gegner beim Spielstand von 0:0 an der Seitenlinie gerufen hatte: „Schieß nicht, Vinny, schieß nicht!“

 

Wie seine Kollegen zuvor in 70 letztlich erfolglosen Minuten hatte der Ex-HSV-Profi Kompany Guardiolas Anweisungen zufolge den Ball weiterspielen sollen, mit Geduld, nach außen – irgendwohin, wo sich vielleicht doch noch die siegbringende Lücke auftun könnte gegen ein Team aus Leicester, das sich in großer sportlicher Manier zu keiner Zeit in eine vermeintlich bedeutungslose Niederlage fügen wollte – und mit ein bisschen Glück und Geschick im Konterspiel sogar selbst die drei Punkte hätte ergattern können.

Menschlicher als Kompany wirkte im Systemfußball Guardiolas lange niemand mehr

Auch seine Mitspieler hatten Vincent Kompany zugerufen, nicht aus der Distanz zu schießen. Doch entgegen allen persönlichen Statistiken – noch nie hatte Kompany ein Tor in der Premier League aus dem Spiel heraus erzielt – und dem Matchplan der Citizens nahm der Innenverteidiger Mitte der gegnerischen Hälfte sein Herz in beide Hände und setzte sich über alle und alles hinweg. Ein Abschluss wie ein Paukenschlag, der Ball schlug exakt im rechten oberen Winkel ein. Leicester-Keeper Kasper Schmeichel, der nur eine Minute zuvor bei Agüeros Hochkaräter aus Nahdistanz einmal mehr seine Ausnahmeklasse mittels eines Reflexes unter Beweis gestellt hatte, war schlicht machtlos gegen diesen Strich von einem Schuss, den auch kein Mittelstürmer besser ins Tornetz hätte zeichnen können.

„Ich konnte es wirklich hören, und es hat mich genervt. Und deswegen habe ich gesagt: Moment mal, ich bin nicht so weit gekommen, damit mir junge Spieler sagen, wann ich schießen soll und wann nicht“, sagte der 33-jährige Kompany nach der Begegnung und hob damit heraus, dass ein Guardiola-Team auch im Jahre 2019 tatsächlich noch aus selbstbestimmenden Menschen besteht, nicht aus ferngesteuerten Weltklasse-Fußballrobotern. Was folgte, war ohrenbetäubender Jubel, eine himmelblaue Spielertraube über dem Kapitän und ein vor Entzückung und Erleichterung wie ein Derwisch umherspringender Pep Guardiola.

Sogar ein Sieg von Leicester gehörte nicht ins Reich der Utopien

Klar: Riesig wäre die Enttäuschung gewesen, wenn kurz vor der Ziellinie der Premier League doch noch zwei Punkte auf der Strecke geblieben wären. Damit wäre der FC Liverpool um Coach Jürgen Klopp vor dem letzten Spieltag an ManCity vorbeigezogen und hätte „nur noch“ sein letztes Heimspiel am bevorstehenden Sonntag gegen Wolverhampton gewinnen müssen. Durch Kompanys Granate jedoch bleiben die Citizens einen Zähler im Vorteil, müssen zum Saisonabschluss nach Brighton – den zwar 17. der Tabelle, aber bereits gerettetem Team von der Südküste Englands.

Indes: In England scheint im Zeitalter aller möglichen Spielereien rund um das Milliardengeschäft Fußball die Komponente Fairplay zumindest auf dem Rasen und im Stadion selten zu kurz zu kommen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich Brighton ohne Widerstand ergeben wird. Vorbildlichen Einsatz hatte Leicester City gelebt, im ersten Durchgang eine erfolgreiche Zweikampfquote von 69 Prozent (!) auf die Beine gestellt, sich gegen das unglaublich intensive Pressing von Manchester lange mit spielerischen Mitteln gewehrt, um mit Ball am Fuß hinter die zweite Pressinglinie der Citizens zu kommen. Befreiungsschläge waren lange die Ausnahme. Als dies hin und wieder gelungen war, waren die von Guardiola so gefürchteten Drei-gegen-drei-Situationen da. Doch konnten die Offensiven aus Leicester um Three-Lions-Kader Jamie Vardy keinen Gegenstoß bis zum Torerfolg zu Ende spielen.

Heimtor Nummer 100 in der Saison stößt Tür zur Meisterschaft weit auf

Beeindruckend – ob bewusst oder nicht – war auch die Begebenheit, dass nach dem Spiel das gesamte Etihad-Stadion zu den Klängen von „Hey Jude“ minutenlang lauthals sang. Hey Jude, von den Beatles – den wohl berühmtesten Söhnen der Stadt des unnachgiebigen Meisterschaftsrivalen FC Liverpool.

Wer auch immer das Rennen um den Titel am nächsten Sonntag macht: In die Geschichte geht die Meisterschaft in jedem Fall ein. Nur wenige Zahlen: Liverpool hat als Zweiter von seinen 37 Meisterschaftsspielen exakt eines verloren. Fast selbstredend, dass dieses Eine jenes bei Manchester City (1:2) war. Die Citizens ihrerseits haben 18 ihrer 19 Liga-Heimspiele gewonnen.

Wettbewerbsübergreifend war der Gewaltschuss Kompanys das 100. Heimspieltor der Saison! Dabei ist immer noch von England die Rede, von Gegnern wie dem FC Arsenal, Tottenham Hotspur, Manchester United und dem FC Chelsea. Letztlich tut dem neutralen Fußballherz kurz vorm Ende einer sportlich hochqualitativen Meisterschaft im sportlichen Sinne nur eines weh: dass eine der beiden herausragenden Mannschaften nicht Meister werden kann – entweder Manchester City oder der FC Liverpool.


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