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Earthquake – Vom Sumo-Aspiranten zur Bedrohung für Hulkamania
Kanadas John Tenta (als Wrestler am ehesten unter seinem WWF-Gimmick Earthquake bekannt), war einer der besseren Big Men im Wrestling-Geschäft, dessen Karriere jedoch extrem reduktiv verlief. War er zunächst ein Mann, der als Main Eventer gesetzt war, so führten unglückliche Gimmicks und Gesundheitsprobleme zu einer Abwärtsspirale, sodass er zumindest in den USA ab Mitte der 90er so gut wie gar nicht mehr über die Undercard hinauskam. Dadurch (und durch ein viel zu frühes Grab) wird John Tenta gerne vergessen, wenn es um die athletischsten Big Men im Wrestling geht. Zu Unrecht!
In der Tat war John Tenta schon von Geburt an als Big Man prädestiniert. So brachte er als Neugeborener bereits rund 5 Kilogramm auf die Waage und wuchs zu einem großen sowie stämmigen Burschen heran. Im Alter von sechs Jahren, inspiriert durch seine Vorbilder Gene Kiniski und Don Heaton, entschloss sich John Tenta, Ringer zu werden. Erste sowie selbstauferlegte Trainingseinheiten bestanden daraus, unter den heimischen Picknick-Tisch zu gehen und diesen immer wieder hoch zu wuchten.
Eine Ausnahmeerscheinung im Sumo Ringen
Dem Ringen ging John Tenta dann auch überaus erfolgreich in der High School sowie später im College nach. Er tat sich dabei im Freistil-Ringen hervor. 1981 wurde er kanadischer Juniorenmeister. Aufgrund seiner Ausmaße trat John Tenta im Superschwergewicht an. Tenta bekam daraufhin ein Stipendium für die Louisiana State University (LSU), wo er weiterhin rang, jedoch auch dem Football Team als Defensive Lineman beitrat. Ferner spielte er Rugby. Als das College jedoch die Wrestling-Abteilung aufgab, musste sich Tenta umorientieren. Er arbeitete zeitweise als Türsteher und Rausschmeißer. Dann jedoch folgte der Ruf der Ferne. Und der führte nach Fernost.
John Tenta traf die außergewöhnliche Entscheidung, nach Japan zu gehen und eine Karriere im Sumo-Ringen zu verfolgen. Darauf war er gekommen, nachdem ihn ein ehemaliger Yokozuna, der zu diesem Zeitpunkt durch Vancouver reiste, diese Möglichkeit nahegelegt hatte. John Tenta war als Sumo-Novize außerordentlich erfolgreich. Während seiner achtmonatigen Karriere konnte John Tenta, der in der japanischen Presse als „kanadischer Komet“ gefeiert wurde, all seine 24 Kämpfe gewinnen! Gleichwohl er dem sportlichen Sumo-Wettbewerb mit 22 Jahren recht spät beigetreten war, halfen ihm sein ringerischer Hintergrund sowie seine natürliche Größe. Die Tatsache, dass er als weißer Ausländer in den mittleren 80ern im japanischen Sumo antrat, ließ ihn dabei umso mehr hervorstechen.
Umorientierung führt zum Pro-Wrestling
Doch trotz eines bis dahin sehr erfolgreichen Verlauf, kehrte John Tenta sich nach acht Monaten überraschend vom Sumo-Ringen ab. Zu rigoros waren die Zugeständnisse, die das Dasein als Sumo-Ringer seinem Lebenswandel abverlangten. Sumo ist ein sehr hierarchisch strukturierter Sport. Und das im ohnehin traditionsbewussten Japan. Als Bestandteil eines Sumo-Stalls war John Tenta immer unter Aufsicht und teilte sich eine Behausung mit vielen anderen Sumo-Ringern. Ständig waren seine Tage durchgeplant und, abseits des natürlichen Trainings, musste er oft ranghöhere Sumo-Ringer zu Wettbewerben begleiten und ihnen gehorchen. Viele von ihnen waren jünger als er.
John Tenta äußerte zu seiner Entscheidung: „Ich liebe Sumo. Ich lebe den Sport. Aber ich kann den Lebensstil nicht leben.“
Die Bekanntheit, die er sich durch seinen kurzen und dennoch bemerkenswerten Sumo-Run sichern konnte, öffnete ihm andere Türen in Japan. So wurde er dort 1987 Pro Wrestler bei All Japan Pro Wrestling und debütierte sogleich an der Seite von Liga-Oberhaupt und Urgestein Giant Baba. In den folgenden 18 Monaten wurde Tenta prominent eingesetzt. Häufig als Tag Team Partner von bekannten Wrestlern wie Giant Baba, Jumbo Tsuruta oder dem Great Kabuki. Wenig überraschend wurden auch alsbald amerikanische Promoter auf Tenta aufmerksam. Nicht nur wegen dessen starken Run in Japan, sondern auch weil sein temporäres, erfolgreiches Dasein als Sumo-Ringer in Fernost im Westen Schlagzeilen gemacht hatte. Nach einem kurzen Zwischenstopp beim kanadischen NWA All Star Wrestling debütierte er schließlich in der WWF. Dabei war sein TV-Debüt durchaus geschickt inszeniert.
Eine große Überraschung
Im Rahmen einer Fehde zwischen Dino Bravo und dem Ultimate Warrior wurde John Tenta im Publikum und in zivil platziert. Dino Bravos Manager Jimmy Hart forderte den Ultimate Warrior im Namen seines Schützlings zu einer Kraftprobe heraus. Wer auch immer mehr Liegestütze schaffen konnte, während ein „zufälliges“ Publikumsmitglied auf dessen Rücken saß, würde den Wettbewerb gewinnen. Der Warrior willigte ein und nachdem Hart sich vorgeblich im Publikum umschaute, fiel die Wahl auf einen sehr großen Zuschauer – John Tenta.
Dieser tat ganz überrascht sowie erfreut und ließ sich darauf ein. Bei Dino Bravo tat er wie ihm geheißen wurde und saß auf dessen Schultern, während Bravo Liegestütze vollführte. Beim Warrior hingegen sprang der vermeintliche Zuschauer unvermittelt auf und ließ sich mit aller Wucht auf den unvorbereiteten und hilflos ausgelieferten Warrior niedersausen. Dieser „Seated Senton“ sollte auch fortan der Finisher von John Tenta werden, der somit als Bösewicht enttarnt war. Er trat als „Canadian Earthquake“ und wenig später nur noch als „Earthquake“ an.
Fehden mit Hulk Hogan und Jake „The Snake“ Roberts
Der WWF-Run als Earthquake sollte John Tentas kommerziell wohl erfolgreichste Karrierephase werden. Er wurde recht schnell als neuer Rivale von Hulk Hogan aufgebaut und konnte dabei, gerade zu Beginn, tatsächlich wie eine echte Bedrohung für Hulkamania wirken. In einem Brother Love interview Segment attackierte der Hüne den Hulkster von hinten und „verletzte“ ihn schwer. Doch in den später folgenden Matches sollte sich Hulk Hogan durchsetzen. Auch beim Royal Rumble 1991 bekamen es die beiden, als letzte Überlebende im Ring, miteinander zu tun, wobei sich abermals Hogan durchsetzte.
Doch damit waren die Tage von Earthquake als Heel im bzw. nahe des WWF Main Events noch nicht gezählt. Er bekam es anschließend mit Jake „The Snake“ Roberts zu tun. Während eines Matches setzte Earthquake Roberts in den Seilen fest. Woraufhin dieser hilflos zusehen musste, wie Earthquake den großen Jutesack in die Ringmitte legte, indem die berüchtigte Schlange „Damian“, die Roberts immer mit zum WWE Ring brachte, untergebracht war. Earthquake ließ sich mit dem Seated Senton auf den Sack niederrauschen, während der in den Seilen gefangene Roberts sein Leid klagte und etliche seiner kindlichen Fans wohl traumatisiert wurden.
Wohl bekomms – Jakes Schlange auf dem Grill
Natürlich war die Schlange nicht wirklich in diesem Sack gewesen. Stattdessen waren dort rund 60 Pfund blutiges Hamburger-Fleisch in Frauenstrumpfhosen untergebracht, welche die Form imitierten und einen wahrhaft tödlichen Ausgang implizierten. Der Sack mit der echten Schlange war zuvor unauffällig unter dem Ring ausgetauscht worden. Eine Scharade, die auch die örtlichen Behörden zufrieden stellen sollte. Denn die prüften das Wohlergehen der Schlange vor und nach dem Match.
Die Fans in der Halle waren entsetzt und Tierschutzvereine stiegen der WWF sogar aufs Dach. Die dürften kaum mehr erfreut gewesen sein, als Earthquake die Schlange später auf dem Grill zubereitete und sich selbst sowie einigen (zunächst) unwissenden WWF-Kommentatoren seine berühmten „Quakeburger“ servierte. Es folgte die logische, hitzige Fehde mit Jake Roberts.
Später tat sich Earthquake mit dem ehemaligen Tugboat zusammen, der sich in Typhoon umbenannte und gemeinsam gründeten die beiden Riesen das Tag Team der Natural Disasters. Dieses wurde schließlich von Manager Jimmy Hart verraten, was zum Babyface-Turn und sogar zu einer kurzen Titelregentschaft der beiden führte, als sie Money Inc. die Tag Team Titel abjagen konnten. Sie konnten sie jedoch nur einmal gegen den die Beverly Brothers verteidigen, ehe sie die Titel wieder an Money Inc. abgaben.
Wenig schmeichelhafter WCW-Run
Danach wurde es ruhiger um Earthquake in der WWF. Er hatte noch ein Highlight, als er gegen Yokozuna ein Sumo-Match bei Monday Night Raw abhielt, welches Earthquake sogar gewinnen konnte. Ansonsten machte sich Earthquake in der WWF rar und hatte noch einige kurze Zwischenstopps in Japan und der mexikanischen CMLL, ehe er bei der WCW aufschlug, nachdem Hulk Hogan dort ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. Doch auch wenn der WCW-Run mit der wohlgemeinten Geste des Hulksters begann, sollte er sich nicht als vorteilhaft für Tenta erweisen. Dieser wurde dort einfach in „Avalanche“ umgetauft, was jedoch aufgrund der konzeptionellen Nähe zu „Earthquake“ alsbald die Androhung einer Klage durch die WWF nach sich zog.
Sperenzien wie diese waren sicherlich nicht hilfreich. Denn Tenta bekam in der WCW nicht so wirklich einen Fuß auf den Boden und musste quasi als Undercarder für alles und jeden von Rang und Namen jobben. Danach folgte eine sehr unglückliche Entscheidung, als John Tenta sich sein neues Gimmick als „Shark“ ersann. Er kam mit einer Gesichtsbemalung zum Ring, die ein offenes Hai-Maul darstellte. Das Ganze zu einer Melodie, die der Melodie vom Spielfilm „weißer Hai“ nachempfunden war. Ein auffälliges aber zutiefst albernes Gimmick. Leider war niemand zugegen, um Tenta diesen Unsinn auszureden. Tatsächlich sollte John Tenta seine beste Phase in der WCW haben, als er den Gimmick Trash ablegte und einfach als John Tenta antrat. Als solcher fuhr er mehrere Siege über Big Bubba Rogers (den ehemaligen Big Boss Man) ein und konnte sogar zweimal gegen den Giant (den zukünftigen Big Show) um den Titel antreten.
Stilles Karriereende und früher Tod
Ab Mitte bis Ende der 90er verlor John Tenta dann sichtbar an Gewicht. Dies war eine medizinische Notwendigkeit, da er an Diabetes litt. Leider schrumpfte damit aber auch seine imposante Erscheinung und es fiel ihm immer schwerer, gute Bookings zu erhalten. Selbst bei seiner Rückkehr zur WWF 1998 griff man dort nicht mehr sein altes und erfolgreiches Earthquake-Gimmick auf, da man ihn für zu schlank für diese Rolle hielt. Stattdessen wurde er als maskierter „Golga“ Teil des Undercard Stables “Oddities“. Dieses konnte sich zwar in diversen Multi Men Matches einige Siege gegen andere Undercard Teams sichern, doch 1999 wurde das gesamte Stable entlassen.
2001 war John Tenta dann nochmal einmalig als Earthquake zu sehen – als Teil des Gimmick Battle Royal bei WrestleMania 17. Anschließend eröffnete er eine Wrestling-Schule in Florida, sollte aber leider nicht mehr viel von ihr haben. Denn 2004 wurde bei John Tenta die überaus seltene Krebsform Blasenkrebs diagnostiziert. Ihm wurde eine Überlebenschance von nur etwa 20% eingeräumt. Die letzten Jahre seines Lebens waren somit vom Kampf gegen den Krebs geprägt. Leider musste John Tenta im November 2005 während eines Interviews mit einem Online-Radiosender für Wrestling-Fans verkünden, dass eine Bestrahlung erfolglos geblieben war und nun Tumore in der Lunge vorlagen. Im Juni 2006 verstarb John Tenta im Alter von nur 42 Jahren.
Die in der Undercard vermurkste zweite Karrierehälfte sowie der tragisch frühe Tod von John Tenta haben den Mann leider in eine obskure Vergessenheit gedrängt, die der Vita und den Fähigkeiten dieses ehemals sehr bekannten Wrestlers nicht gerecht werden. Hoffentlich kann dies hier ein kleiner Beitrag sein, dies richtigzustellen.