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Miguel Induráin – Der große Unbekannte
Seit Lance Armstrong seine sieben aufeinanderfolgenden Tour de France Siege aberkannt wurden, ist Miguel Induráin wieder der Rekordhalter für die meisten Tour-Siege in Serie. Von den bislang einzigen vier Fahrern, die fünfmal eine Tour de France gewinnen konnten (Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Induráin) ist Induráin der Einzige, dem dies fünfmal in Serie gelang. Er ist außerdem einer von nur sieben Fahrern, die jeweils im selben Jahr die Tour de France und den Giro d‘Italia gewinnen konnten.
Miguel Induráin war ein in vielerlei Hinsicht unüblicher Grand Tour Klassenprimus. So war er mit seinen 1,86m sehr groß für einen Klassementfahrer. Gleichzeitig blieb er auch auf dem Höhepunkt seines Erfolgs eine unauffällige Erscheinung, mied das Rampenlicht und wirkte auf Außenstehende bisweilen phlegmatisch. Anders sah es auf der Straße aus. Dort schuf seine nahezu beispiellose Dominanz im Zeitfahren Tatsachen (zehn seiner zwölf Tour de France Etappensiege resultierten in Zeitfahren). Grundlage dafür war seine überragende Physis. Insbesondere sein außergewöhnliches Lungenvolumen.
Vom Talent zum Kapitän
Miguel Induráin versuchte sich von neun bis vierzehn sportlich im Laufen, Basketball, Speerwurf und Fußball. Dann trat er dem örtlichen Radsport-Amateurklub CC Villavés bei und fuhr sein erstes Rennen im Juli 1978, bei dem er Zweiter wurde. Er gewann sogleich sein zweites Rennen und trat von da an jede Woche an. Laut eigenen Angaben war Bernard Hinault sein großes Vorbild. Mit 18 Jahren wurde Miguel Induráin er der jüngste Gewinner der nationalen Amateur-Straßenmeisterschaft.
1984 wechselte Induráin zu den Profis und empfahl sich dort sogleich als starker Zeitfahrer. Mit 20 Jahren wurde er 1985 zum jüngsten Gesamtführenden bei der Vuelta a España. Allerdings sollte ausgerechnet die heimische Spanien-Rundfahrt Zeit seiner Karriere die einzige der drei Grand Tours bleiben, die Miguel Induráin nie gewinnen konnte (1991 wurde er dort Zweiter – sein bestes Ergebnis).
Induráin wurde erst im Laufe seiner Karriere zum Klassementfahrer. Vorher stellte er sich als Teamkamerad in den Dienst seines Mannschaftskapitäns und Landsmanns Pedro Delgado. Er nahm an zwölf aufeinanderfolgenden Auflagen der Tour de France (1985 bis 1996) teil. Bereits in seiner letzten Tour de France als Delgados Domestique (1990) hätte Miguel Induráin wohl schon besser abschneiden können (er wurde letztlich Zehnter), musste aber mehrfach auf seinen strauchelnden Kapitän warten. Als Induráin im nächsten Jahr selber als Team-Kapitän antrat, räumte man ihm zunächst nur einen geringen Favoriten-Status zu. Man schätzte ihn als zu groß und schwer ein, um in den Bergen eine Rolle spielen zu können. Eine krasse Fehleinschätzung, wie die kommenden fünf Auflagen der Tour de France zeigen sollten.
Steckbrief zu Miguel Induráin
Nationalität: Spanien
Spitzname: Miguelón/Big Mig
Teams
1978–1983 CC Villavés (Amateurteam)
1984–1996 Reynolds/Banesto
Die größten Erfolge von Miguel Induráin
- Fünffacher Tour de France Sieger (1991, 1992, 1993, 1994, 1995)
- 12 Etappensiege bei der Tour de France (1989–1995)
- Zweifacher Giro d'Italia Sieger (1992, 1993)
- Intergiro Wertung beim Giro d'Italia (1992)
- 4 Etappensiege beim Giro d'Italia (1992, 1993)
- Katalonien-Rundfahrt (1988, 1991, 1992)
- Paris–Nizza (1989, 1990)
- Critérium du Dauphiné Libéré (1995, 1996)
- Critérium International (1991)
- Grand Prix du Midi Libre (1995)
- Clásica de San Sebastián (1990)
- Weltmeister im Zeitfahren (1995)
- Spanischer Meister im Straßenrennen (1992)
- Neuer Stundenrekord (aufgestellt am 2. September 1994)
- Goldmedaille im Zeitfahren bei Olympia 1996
Im Zeitfahren eine Macht
Da Miguel Induráins erfolgreichsten Jahre in genau jene Phase fielen, in welcher auch EPO-Doping den Radsport eroberte, wird heute im Nachgang von einigen angezweifelt, dass Induráin clean war. Und es erscheint in der Tat sehr abwegig, dass ausgerechnet er clean gewesen sein soll. Doch wissen wird man es nie, da es einen zuverlässigen Test für EPO erst ab 2000 gab, mehrere Jahre nach dem Karriereende von Miguel Induráin. Zumal Anti-Doping damals noch eine reine Spaßveranstaltung war. Die WADA (Welt Anti Doping Agentur) gab es noch nicht einmal. Insofern bleiben vor allem die Neunziger eine Art dunkles Zeitalter des Radsports. Sie sahen eine Leistungsexplosion, kommerziellen Zuwachs aber eben auch den Siegeszug von EPO, der bis heute nachwirkt.
Allerdings würde man Big Mig Unrecht tun, wenn man ihn einfach nur als den erfolgreichsten Doper hinstellt. Was ihm vor allem entgegenkam: Die Tour de France Auflagen waren damals noch weit mehr vom Zeitfahren geprägt. Heute machen Zeitfahrten insgesamt noch 50 bis maximal 80 Kilometer bei einer Tour de France aus. Zu Induráins Zeiten waren es jedoch noch 150 bis 200 Kilometer, die während einer Tour de France im Zeitfahren zugebracht wurden. In den Jahren seiner Dominanz bei der Tour de France gewann Induráin zehn Etappen, von der jede Einzelne ein Zeitfahren war! In den Bergen hingegen begnügte er sich damit, mit seinen ärgsten Konkurrenten auf Tuchfühlung zu bleiben. Denn er wusste, dass er sie im Zeitfahren schlagen konnte.