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Saison 1974/75: Trainerentlassung von Dettmar Cramer bei Hertha BSC
Am 9. Juli 1974 sollte Hertha BSC mit einer der kuriosesten Trainerentlassung für Aufsehen sorgen. Dettmar Cramer wurde als neuer Übungsleiter verpflichtet, doch direkt nach der ersten Trainingseinheit löste er seinen Vertrag auf. Damit ging Ein-Tages-Trainer Cramer in die Geschichte ein. Als Trainer mit der kürzesten Amtszeit in der Bundesliga! Wie es dazu kam? Es kursieren zwei Versionen. Sport-90 blickt auf die Trainerentlassung von Dettmar Cramer bei Hertha BSC zurück.
Die Geschichte beginnt im Januar 1974. Hertha BSC verpflichtete Dettmar Cramer als neuen Trainer für die kommende Saison 1974/75 und stattete den Übungsleiter mit einem Dreijahresvertrag aus. Für Cramer sollte die Alte Dame die erste Trainerstation in der Bundesliga werden, die im Juli beginnen sollte. Der 48-Jährige hatte zwar zuvor einige Anfragen von Bundesligisten auf dem Tisch, lehnte aber stets ab.
Vor Hertha-Intermezzo: Cramer war Assistent von Bundestrainer Schön
Obwohl Dettmar Cramer, der später mit dem FC Bayern zweimal den Pokal der Landesmeister gewinnen sollte, keinerlei Erfahrung als Vereinstrainer, geschweige denn Bundesliga-Trainer vorweisen konnte, verfügte er dennoch und nachweislich über reichlich Expertise. Nicht umsonst war Cramer unter anderem langjähriger Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft, attestierte zusammen mit Udo Lattek dem Bundestrainer Helmut Schön bei der WM 1966 in England.
Überdies war Weltenbummler Cramer, der während seiner langen Karriere in rund 90 Ländern als Trainer und Ausbilder fungierte, auch in der Rolle als Fußball-Entwicklungshelfer unterwegs. So auch in Japan und Ägypten, deren Nationalmannschaften der gebürtige Dortmunder zwischenzeitlich als Cheftrainer betreute.
1974: Hertha BSC holte Dettmar Cramer als Kronsbein-Nachfolger
Nun war es Hertha BSC gelungen, Dettmar Cramer als Neu-Trainer ins Berliner Olympiastadion zu lotsen. Dort war er als Nachfolger für Helmut Kronsbein vorgesehen. Der Kronsbein-Abschied vom Hauptstadtklub stand frühzeitig fest, sodass der Hauptstadtklub ausreichend Zeit zur Nachfolge-Regelung hatte.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass „Fiffi“ Kronsbein Mitte März im Saisonendspurt die BSC-Verantwortlichen um die vorzeitige Freigabe bat, da mit Hannover 96 sein zweiter Herzensklub ihn als „Feuerwehrmann“ im Abstiegskampf und Nachfolger des zuvor entlassenden Hannes Baldauf wollte. Hertha willigte ein und der bisherige Co-Trainer Hans „Gustav“ Eder sprang für die letzten neun Ligaspiele der Saison 1973/74 interimsmäßig ein und landete mit den Blau-Weißen auf dem 8. Platz.
Nach einem Tag: Dettmar Cramer löst Vertrag bei Hertha auf
Nach der langen, fast achtjährigen Kronsbein-Regentschaft auf Herthas Trainerbank - womit Helmut Kronsbein bis heute der Trainer mit der längsten Amtszeit bei Hertha BSC ist - sollte Dettmar Cramer eine neue Ära einläuten. Diese währte einen ganzen Tag! Wie eingangs erwähnt, bis heute bundesligaweiter Negativ-Rekord. Und dass ausgerechnet auf den Langzeit-Rekordtrainer Kronsbein direkt der Kurzzeit-Rekordtrainer folgte, ist ein weiteres Kuriosum dieser außergewöhnlichen Trainerentlassung in der Bundesliga.
Allerdings handelte es sich beim Blitz-Abschied von Dettmar Cramer bei Hertha BSC keinesfalls um eine Trainerentlassung. Cramer löste selbst seinen Vertrag in Berlin wieder auf. Zwar hat Herthas Ein-Tages-Trainer öffentlich nie über sein Intermezzo bei den Blau-Weißen gesprochen. Er deutete jedoch später an, dass ihm interne Vereinsquellen einen Rückzug nahelegten.
Versprach Hertha Trainer Cramer Breitner, Hoeneß & Vogts als Neuzugänge?
Aber warum schmiss Cramer bei Hertha BSC umgehend das Handtuch? Zwei Versionen halten sich hartnäckig. Die erste lautet, dass Hertha Dettmar Cramer nicht namhaften Verstärkungen für die Mannschaft holte, die ihm versprochen wurden.
Angeblich wurde Cramer in Aussicht gestellt, dass die Offensivstars Uli Hoeneß und Paul Breitner vom FC Bayern sowie Verteidiger Berti Vogts von Gladbach kommen, die im Sommer 1974 alle gerade mit Deutschland Weltmeister geworden sind. Doch vom frischgebackenen Weltmeister-Trio war auf dem Trainingsplatz keine Spur. Kein Hoeneß, Kein Breitner, kein Vogts.
Dettmar Cramer quittiert Hertha-Posten wegen ausbleibender Verstärkung
Stattdessen musste sich Dettmar Cramer zum Dienstantritt mit dem schwedischen Nationalstürmer Benno Magnusson vom 1. FC Kaiserslautern sowie Innenverteidiger Uwe Kliemann von Eintracht Frankfurt als einzige nennenswerte Verstärkung zufriedengeben. Insgesamt soll Cramer fünf wesentliche Verstärkungen gefordert haben, zumal der Hertha-Kader lediglich 13 bundesligataugliche Spieler zu bieten hatte.
Am Abend des Tages seiner ersten Trainingseinheit als Hertha-Trainer soll Dettmar Cramer seinen Dienst quittiert und Vertrag annulliert haben. In diesem Zusammenhang gibt es jedoch auch Meldungen, wonach Cramer die Mannschaft noch für ein paar Tage betreute und ins Trainingslager begleitete, bis ein Nachfolger gefunden war. Demnach wäre Dettmar Cramer auch nicht der vielzitierte Ein-Tages-Trainer, sondern er soll rund eine Woche für die Berliner tätig gewesen sein.
Oder war Wolfgang Holst Grund für Cramers Blitz-Abschied bei Hertha?
Laut der zweiten Version hat sich der Cramer-Abschied bei Hertha BSC wie folgt abgespielt: Nach Informationen des „Spiegel“ lehnte es Dettmar Cramer strikt ab, mit Wolfgang Holst zusammenzuarbeiten. Holst war als Manager der Blau-Weißen im Bundesliga-Skandal verwickelt und vom DFB zu diesem Zeitpunkt gesperrt.
Als Holst die Pressekonferenz leiten wollte, in der Cramer als neuer Trainer offiziell vorgestellt werden sollte, trat der Trainer unverzüglich von seinem Posten und Vertrag zurück. Dettmar Cramer ließ für seine Rücktritt „zwingende persönliche Gründe“ erklären.
Nach Cramer-Abgang: Georg Keßler führt Hertha zur Vizemeisterschaft
Unabhängig davon, welche der beiden Versionen in der Cramer-Causa nun der Wahrheit entsprechen, stand Hertha BSC sechs Wochen vor dem Start der Saison 1974/75 plötzlich ohne Cheftrainer da. Doch nur wenige Tage nach dem Abgang von Dettmar Cramer zauberte die Alte Dame einen neuen Trainer aus dem Hut.
Am 12. Juli 1974 teilte Hertha BSC mit, dass Georg Keßler den vakanten Trainerposten übernehmen wird. Für Keßler war es das Trainer-Debüt in der Bundesliga, nachdem er zuvor als Vereinstrainer in Holland und Belgien tätig war und auch die holländische Nationalelf trainierte. Der Trainerwechsel hielt für die Hertha ein Happy End parat: Denn unter Keßler wurden die Berliner hinter Meister Borussia Mönchengladbach Zweiter - Herthas beste Platzierung in der Bundesliga-Historie!
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