Bernard Hinault – Der letzte Napoleon des Pelotons

Was macht Bernard Hinault heute?

Bildquelle: philippe [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Bernard Hinault war (Stand 2019) der letzte Franzose, dem ein Gesamtsieg bei der Tour de France gelang (1985). Über geschlagene 30 Jahre ist das bereits her! Doch dieser Verdienst ist bei Weitem nicht alles, was über Bernard Hinault zu sagen wäre. Denn er ist einer von nur vier Fahrern (nach Jacques Anquetil und Eddy Merckx sowie vor Miguel Induráin), der die Tour de France fünfmal gewinnen konnte. Überdies ist er einer von nur wenigen Fahrern, dem das Triple, der Gewinn aller drei Grand Tours, gelang.

147 Rennsiege fuhr Bernard Hinault im Laufe seiner Karriere ein. Dabei kreuzte er die Klingen mit mehreren Legenden des Radsports. In den frühen Jahren seiner Profikarriere, die in den 70ern ihren Anfang nahm, gehörten Fahrer wie Eddy Merckx und Joop Zoetemelk zu seinen Kontrahenten. Und später in den 80ern bekam er es mit Kalibern wie Pedro Delgado, Laurent Fignon und Greg LeMond zu tun, wobei die letzteren Beiden zunächst Teamkollegen und später seine ärgsten Rivalen wurden – insbesondere beim Kampf um die Tour de France.

Bernard Hinault - Ein Naturtalent

Schon früh zeichnete sich ab, dass der als Bauernsohn geborene Bernard Hinault ein absolutes Ausnahmetalent im Radsport war. Zunächst tat er sich in der Leichtathletik hervor, kam aber alsbald über seinen Cousin René Hinault zum Radsport. Dieser war selbst ein Amateurfahrer, der an Radrennen am Wochenende teilnahm. Als er mit dem gerade 16 Jahre jungen Bernard trainierte, staunte er nicht schlecht – denn er hatte Probleme mit dem Radsport-Laien mitzuhalten!

Folgerichtig nahm Bernard Hinault fortan selbst an Amateurrennen teil. In seinem ersten Rennen wurde der Novize noch dazu angehalten, sich im besagten Radwettkampf erst einmal zurückzuhalten und mit den anderen mitzuhalten. Stattdessen gewann Bernard Hinault sogleich das erste Rennen in seiner frischgebackenen Amateurkarriere. Diese sollte bemerkenswert erfolgreich ausfallen. In seinem ersten Jahr als Amateur (1971) gewann er sogleich zwölf von zwanzig Rennen. Im Sommer desselben Jahres entschied er sich dazu, diesen Werdegang als Radfahrer fortzusetzen – gegen den Widerstand seines Vaters, den er erst mit einer Fluchtaktion brechen konnte. Bernard Hinault verschwand für drei Tage von zu Hause und übernachtete trotzig in der Scheune seiner Cousins. Sein Vater lenkte schließlich ein.

Bernard Hinault wechselte 1975 in das Lager der Radsportprofis. Damit entschied er sich bewusst gegen eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. Denn wäre er noch ein Jahr länger Amateur geblieben, wäre eine Teilnahme an den Olympischen Spielen für die französische Auswahl wohl beschlossene Sache gewesen (damals war eine Teilnahme an Olympia lediglich Amateuren gestattet). Sogleich fuhr er sich im Peloton in die erste Reihe. Gestandene Fahrer dieser Zeit, die nicht selten die Preisgelder unter sich ausmachten, indem sie kollaborativ angriffen, staunten nicht schlecht, als sich Bernard Hinault einfach rotzfrech in ihre Ränge fuhr. Bei einem Rundkurs-Rennen im August 1975 trat er gegen eine Koalition älterer Fahrer an, die beschlossen hatten, das Preisgeld unter sich aufzuteilen. Hinault gewann alle Zwischensprints. Der fünfmalige Gewinner der Tour de France, Eddy Merckx, erklärte schließlich notgedrungen, dass Hinault wohl ebenfalls eine Hand im Topf haben würde.

Steckbrief zu Bernard Hinault

Nationalität: Frankreich

Spitzname: Der Dachs/Der Boss

Teams

1975–1977 Gitane–Campagnolo

1978–1983 Renault–Gitane–Campagnolo

1984–1986 La Vie Claire

 

 

Die größten Erfolge von Bernard Hinault

 

  • 5x Tour de France Sieger (1978, 1979, 1981, 1982, 1985)
  • Punktewertung bei der Tour de France (1979)
  • Bergwertung bei der Tour de France (1986)
  • 3x Ehrung als kämpferischster Fahrer bei der Tour de France (1981, 1984, 1986)
  • 2x Kombinationswertung bei der Tour de France (1981, 1982)
  • 28 Tour de France Etappensiege (1978–1986)
  • 3 x Gesamtsieger beim Giro d'Italia (1980, 1982, 1985)
  • 7 Etappensiege beim Giro d‘Italia (1980, 1982, 1985)
  • 2x Gesamtsieger bei der Vuelta a España (1978, 1983)
  • 7 Etappensiege bei der Vuelta a España (1978, 1983)
  • Critérium du Dauphiné Libéré (1977, 1979, 1981)
  • Tour de Romandie (1980)
  • Weltmeister im Straßenrennen (1980)
  • Französischer Meister im Straßenrennen (1978)
  • Lüttich–Bastogne–Lüttich (1977, 1980)
  • Giro di Lombardia (1979, 1984)
  • Paris–Roubaix (1981)
  • La Flèche Wallonne (1979, 1983)
  • Gent–Wevelgem (1977)
  • Amstel Gold Race (1981)
  • Grand Prix der Nationen (1977, 1978, 1979, 1982, 1984)
  • 4x Super Prestige Pernod International (1979–1982)

(Damals die jährliche Ehrung des erfolgreichsten Fahrers – vergleichbar mit dem heutigen UCI World Tour Ranking)

Ein unorthodoxer und eisenharter Sportsmann

Bernard Hinault war von Anfang an ein beeindruckender Radrennfahrer. Als solcher errang er nicht nur zahlreiche Erfolge. Er reifte auch zu einer der letzten großen Führungsfiguren im Peloton. So fuhr er beispielsweise beim Fahrerstreik von 1978 bewusst vorneweg und nahm somit viel Häme des Publikums auf sich. Überhaupt fuhr Bernard Hinault häufig an der Spitze des Pelotons und gab den Takt an. Wenn es darauf ankam, verbarg er sich selten im Windschatten seiner Teamkameraden, wie es heute Usus ist. Dadurch strahlte er eine wahnsinnige Präsenz und wurde zu einer Respektsperson im Fahrerfeld.

 

 

Respekt brachte ihm auch seine Härte ein, die er mehrfach im Laufe seiner Karriere unter Beweis stellte. Beim Critérium du Dauphiné Libéré 1977 schätzte Hinault in der Abfahrt eine Harnadelkurve falsch ein und kam von der Strecke ab. Nur eine Kollision mit einem Baum hinter der Streckenbegrenzung verhinderte den wahrscheinlich tödlichen Absturz in einen tiefen Abgrund. Sein Rennfahrrad ging dabei verloren. Hinault, der unter Schock stand, betrat umgehend die Strecke wieder, stieg so schnell wie möglich auf ein Ersatz-Rad und siegte nach einem weiteren Anstieg mit 80 Sekunden vor Lucien van Impe. Das Nahtoderlebnis hatte ihn letztlich nur zehn Sekunden Vorsprung gekostet.

Hinault hasste das Training

Seine Härte stellte er auch bei seinem ersten denkwürdigen Sieg des Monuments Lüttich-Bastogne-Lüttich unter Beweis (ebenfalls 1977). Kaum dass das Feld Lüttich verlassen hatte, kam ein Schneesturm auf. Die meisten Fahrer verließen das Rennen vorzeitig. Als nur noch 21 Fahrer in diesem schon unter normalen Bedingungen eminent schweren Eintagesrennen unterwegs waren, griff Hinault an, holte die Führenden ein und setzte sich selbst ab. Er gewann mit einem Vorsprung von fast zehn Minuten! Sein rechter Zeigefinger und Mittelfinger sollte anschließend Wochen brauchen, um sich von Erfrierungen zu erholen und ihm mehrere Jahre lang Schmerzen bereiteten.

Wie unfassbar talentiert Hinault war, konnte man an der Tatsache ablesen, dass er eigentlich ein ziemlich schludriger Athlet war. Er hasste Training, empfand es als langweilig und quälend. Nur in Rennsituation fühlte er sich zu Hause. Folglich ging Bernard Hinault bei längeren Ruhephasen, insbesondere den Winterpausen, immer sichtbar auseinander. Er trainierte einfach nicht. Doch kaum, dass die Wettkämpfe wieder anstanden, quälte er sich einen Monat intensiv und war wieder voll auf Kurs.

Laurent Fignon, selber mehrfacher Grand Tour Gewinner und phasenweise ein Teamkollege von Hinault, beschrieb die ersten Trainingslager des Jahres mit Hinault wie folgt: "Er sah aus, als wäre er aufgeblasen. Jene, die den Dachs nicht kannten, würden Sie sich spöttisch fragen, wie lange es dauern würde, bis er wieder zu dem zurückkehrt, was er vorher war. Sie würden einen großen Fehler machen."


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