The Iron Sheik – Das Eisen, auf dem Hulkamania geschmiedet wurde

Was macht The Iron Sheik heute?

Bildquelle: Mshake3 [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Das Gimmick des bösen, fanatischen Ausländers (wenn auch heute nicht mehr vermittelbar) war noch bis in 80/90er Jahre hinein eine Art Institution im nordamerikanischen Wrestling. Dutzende verhasste Heels mimten den bösen Systemfeind, der den freiheitsliebenden Amerikanern den Kampf ansagte und ihren Idolen in den Rücken fiel.

Seien es deutsche Nazis oder Russen, die auch in der Welt des Wrestlings den Kalten Krieg erklärten. Das Gimmick des bösen Ausländers, oft genährt durch aktuelle, politische Konflikte, war jahrzehntelang eine Bank im Pro Wrestling. Und selten war ein solcher Heel verhasster, als es der Iron Sheik war. Anders als die meisten anderen "bösen Ausländer" in WWE und Co. war der Iron Sheik nicht einfach nur ein Amerikaner, der den finsteren Ausländer mimte, denn der Iron Sheik kam tatsächlich aus dem Iran. Mit seinem dicken Akzent zog er über die USA her und wedelte im Ring eine iranische Flagge. Das Ganze phasenweise zeitgleich zum Höhepunkt politischer Animositäten zwischen dem Iran und den USA. „Iran, Number one!“ verkündete der Kopftuch tragende Iron Sheik und spuckte kurz danach das Wort „USA“ angewidert aus. Was aus heutiger Sicht albern und plakativ wirkt, hat die Massen in den Hallen damals absolut gegen den Iron Sheik aufgebracht. So wurde er zum idealen Gegner, um Hulkamania, mit all ihrem Reagan-Ära inspiriertem US-Pathos, aus der Taufe zu heben.

Aus einfachsten Verhältnissen

Mit bürgerlichem Namen hieß der Iron Sheik Hossein Khosrow Ali Vaziri. Er wuchs im Iran unter sehr armen Bedingungen auf – in einem Haushalt, der nur über wenig Geld und kein fließendes Wasser verfügte. Sein Idol war der iranische Ringer und Goldmedaillengewinner Gholamreza Takhti. Er eiferte ihm nach, indem er selbst ein erfolgreicher Ringer wurde. Zeitweise verdiente er sich auch Geld als Leibwächter hoher politischer Würdenträger. Fast hätte Khosrow es sogar selbst in die olympische Auswahl des Irans geschafft. Als er in die USA zog trainierte er dort selbst als Assistenz-Coach Ringer für die olympische Auswahl. Ferner konnte er 1971 eine Goldmedaille der Amateurringer erstreiten.

1972 wurde Khosrow dann von AWA-Promoter und Wrestler Verne Gagne angeheuert und unterlief eine Ausbildung beim britischen Catch Wrestler Billy Robinson – zusammen in einer Klasse mit einem gewissen Ric Flair. Auch hier erwies sich der lernbegierige Khosrow als so fähig, dass er alsbald selbst weitere Wrestler, wie Ricky Steamboat, Greg Gagne und Jim Brunzell trainierte. Khosrow selbst debütierte als Babyface in den Vorkämpfen, wurde aber alsbald zu einem Heel. Inspiriert vom originalen Sheik kam auch er fortan mit Kopftuch zum Ring. Ferner ließ er sich einen traditionellen Schnauzbart wachsen und rasierte sich den Schädel. Ferner trug er auf Empfehlung von Jimmy Snuka nur noch Stiefel mit nach oben spitz gekrümmten Enden, um seine orientalische Herkunft weiter herauszukehren.

Die Geburt des Iron Sheik

Zunächst trat Khosrow als „The Great Hossein Arab“ auf. Er gewann einen ersten Tag Team Titel in Kanada und trat später in Japan auf, wo er sich unter anderem mit Antonio Inoki den Ring teilte. Ende der 70er tauchte er dann als der Iron Sheik wieder in den NWA-Territorien auf. Von hier an begann sein Aufstieg als verhasster Heel, da das iranische Feindbild eingedenk politischer Entwickelungen zu jener Zeit, wie der Geiselnahme von Teheran, mehr zog als zuvor. Folglich wurde der Iron Sheik zu einem Top-Heel in einigen NWA-Territorien.

1979 klopfte dann erstmals die WWF bei ihm an. Der Iron Sheik gewann dort sogleich den ersten Battle Royal im Madison Square Garden, wodurch er sich das Anrecht als Top-Herausforderer gegen den damaligen WWF Champion Bob Backlund sicherte. Allerdings sollte es ihm bei dieser Gelegenheit noch nicht gelingen, den Titel zu erobern. Es folgten Fehden gegen Chief Jay Strongbow und Bruno Sammartino, ehe der Iron Sheik zwischen 1980 und 1983 wieder aus der WWF verschwand. Doch sein nächster Aufenthalt in der WWF sollte von großer Bedeutung sein.

Der wohl wichtigste Übergangschampion aller Zeiten?

1983 kehrte der Iron Sheik zur WWF zurück und stand abermals Champion Bob Backlund gegenüber. Doch was nun anders war: Hinter den Kulissen hatte Vince McMahon endgültig das Zepter von seinem Vater übernommen. Und eine seiner frühesten Amtshandlungen sollte darin bestehen, den Titel von Bob Backlund (der ihn seit geschlagenen fünf Jahren hielt) wegzubekommen. Und so wurde Bob Backlund überraschend von einem Midcard Heel besiegt. Kurz nachdem der Iron Sheik seinen Camel Clutch Aufgabegriff angesetzt hatte, kam das Handtuch geflogen und der Titelwechsel war perfekt.

 

 

Es folgten einige Titelverteidigungen gegen Chief Jay Strongbow, Pat Patterson und Salvatore Bellomo. Allerdings spielten sich diese Titelverteidigungen fast nur bei House Shows ab. Im TV verprügelte der Iron Sheik, der nun der erste iranische WWF Champion geworden war, nahezu ausschließlich Jobber. Gemessen daran war auch relativ schnell klar, dass der Iron Sheik vor allem als Übergangschampion eingeplant war. Und dieser Übergang folgte am 23.1.1984, als der Iron Sheik vom neuen Champion von Vince McMahons Gnaden besiegt wurde. Hulk Hogan wurde somit zum ersten Mal Champion. Der Rest ist Wrestling Erfolgsgeschichte.

Im Bett mit dem Feind

Der Iron Sheik konnte auch nach seiner Rivalität mit Hulk Hogan noch eine Weile in der WWF relevant bleiben. Es folgte eine ausgedehnte Rivalität mit Sgt. Slaughter, wobei der Iron Sheik jedoch meistens den Kürzeren zog. Doch abermaliges WWF-Gold sollte ihm beschieden sein, als er sich mit Nikolai Volkoff zusammentat. Gemeinsam konnten die beiden bei der originalen WrestleMania die WWF Tag Team Titel vom US Express (Barry Windham und Mike Rotundo) erobern.

1987 folgte ein peinlicher Fehltritt. Denn der Iron Sheik wurde gemeinsam mit Hacksaw Jim Duggan im Auto angehalten, wobei sich erwies, dass der Iron Sheik auf Kokain war und Jim Duggan unter dem Einfluss von Marihuana stand. Das Pikante daran: Im Fernsehen standen beide einander eigentlich als Todfeinde gegenüber! Der Iron Sheik wurde vorübergehend suspendiert, konnte jedoch 1988 wieder zur WWF zurückkehren. Doch an seinen früheren Status würde er nie wieder anknüpfen können. Wobei aber auch das Alter eine Rolle gespielt haben dürfte.

Eine lange Karriere führt zu Kultstatus

In den Folgejahren dümpelte der Iron Sheik zwischen diversen Promotions auf dieser Welt umher. Selbst ein Trip nach Nigeria stand auf dem Programm. Als Heel wirkte noch einmal wirkungsvoll in der WWF, als er sich als „Colonel Mustafa“ an die Seite von seinem alten Nemesis Sgt. Slaughter stellte, der nun vom umjubelten Drill Sergeant zum Irak-Sympathisanten geworden war und abermals die patriotischen US-Zuschauer entsetzte. Ein göttlicher Moment! Doch abseits davon zog sich der Iron Sheik sukzessive aus dem Geschehen zurück und nahm auch klar an Bedeutung ab.

 

 

1992 endete dann der dritte und letzte WWF-Run des Sheiks, auch wenn noch weiterhin sporadische Auftritte folgen sollten. In den Indies trat er noch an – aber auch das zunehmend seltener. 2010 hatte er dann sein letztes Match. Bereits seit 2005 ist der Iron Sheik Mitglied der WWE Hall of Fame. Einen kleinen Erfolg konnte er ehedem noch einmal bei WrestleMania 17 verbuchen, als er dort den Gimmick Battle Royal gewann, indem die WWE einige ihrer ausgefallensten Gimmick-Wrestler gegeneinander antreten ließ.

Tochter Marissa Jeanne wurde von Freund ermordet

Ferner erschloss sich der Iron Sheik über YouTube und Co. anhaltende Popularität, indem er gegen einige seiner alten Weggefährten, wie den „Hollywood Blonde Jabroni“ Hulk Hogan, den Ultimate Warrior oder Brian Blair wetterte. Das Ganze fluchend wie ein Segler und mit dickem Akzent. So bleibt der Iron Sheik bis heute als Kultfigur so eine Art lebender Kulturschatz des Wrestlings, bei dem man nie so genau weiß, ob seine Allüren eigentlich ernst gemeint sind oder ob er einfach nie aus der Rolle fällt, sobald und solange die Kameras laufen.

Privat hatte der ehemalige Wrestler einige Schiksalsschläge zu verkraften. So wurde seine älteste Tochter Marissa Jeanne Vaziri am 5. Mai 2003 von ihrem damaligen Freund erwürgt. Sie wurde leider nur 27 Jahre alt. Der Verlust für Vaziri dürfte kaum vorstellbar sein. Das Leben ging jedoch weiter. The Iron Sheik spielte im Ring eine Rolle, die er mittlerweile auch im Privatleben regelmäßig ausfüllt. So berichtet der Focus in einer kurzen Story über Hossein Khosrow Vaziri, dass er ein Wrack sei. Gebrechlich, im Rollstuhl sitzend, aber noch immer fluchend wie in besten Zeiten. Sein Leben wurde mittlerweile verfilmt. Finanzieren konnten er und sein Manager Page Magen das Werk "The Sheik - Break your back. Make you humble" nur durch Crowdsourcing. Einst war er ein weltbekannt und mittlerweile kämpft er um den Rest seiner Würde. Der Fall war tief!

Update: Verstarb am 7. Juni 2023 im Alter von stolzen 81 Jahren.


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