Gustav Adolf Schur – Der Populärste Sportler der DDR

Gustav Adolf Schur im Porträt

Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-30258-0002 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Gustav Adolf „Täve“ Schur muss wohl mit Fug und Recht als populärster Sportler der DDR-Geschichte bezeichnet werden. Ganze neunmal, öfter als irgendwer sonst, wurde er in der DDR zum Sportler des Jahres gewählt. Er war der erste deutsche Radsportler, der sowohl die Radsport WM als Amateur sowie die Internationale Friedensfahrt gewinnen konnte. Beide Erfolge gelang ihm gar jeweils zweimal.

Doch auch wenn die sportlichen Erfolge von „Täve“ Schur für sich sprechen, so ist er insbesondere in der Nachbetrachtung zu einer kontroversen Figur geworden. Denn ohne eine erhebliche Linientreue wäre er niemals zum Vorzeigesportler der DDR geworden. So war er rund drei Jahrzehnte Mitglied der Volkskammer in der DDR und distanzierte sich auch nach ihrem Niedergang niemals vom kontrollsüchtigen Staats-Sozialismus in der DDR. Insbesondere was die Aufklärung des staatlich vorangetriebenen Doping-Programm in der DDR anbelangt, hat Gustav Adolf Schur jedwede Aufklärung verweigert und einige der bekannten Doping-Opfer (wie Andreas Krieger) offen diskreditiert.

Pionier Sportler – Nicht nur in der DDR

Gustav Adolf Schur kam mit 19 Jahren erst relativ spät zum Radsport, der in der sozialistischen DDR natürlich durch und durch in einem formalen Amateurwesen geregelt war. Doch frühe Rennerfolge sollten ihn dort alsbald in die höchsten Leistungsklassen und in die DDR-Auswahl bei internationalen Rennen katapultieren. So zeigte er sich schon früh bei der Internationalen Friedensfahrt als versierter Rund- und Zeitfahrer, der mehrmals Etappen auf dem Podium beenden konnte und maßgeblich zur erfolgreichen (und allerersten) Mannschaftswertung der DDR 1953 bei eben diesem Rennen beitrug. 1953 wurde „Täve“ Schur erstmals zum DDR Sportler des Jahres gewählt. Etwas, was sich bis 1961 (neunmal in Serie!) so fügen sollte.

Was Gustav Adolf Schur vor allem zum Helden der DDR machen sollte: Ihm gelangen seine wichtigsten sportlichen Meriten im Radwettkampf zu einer Zeit, als die DDR noch nicht als die Macht im Leistungssport galt, die sie später einmal phasenweise darstellen sollte. Ferner gelangen ihm diverse historische Erfolge. So war er der erste deutsche Amateur, der das Regenbogentrikot bei der Radsport WM gewinnen konnte und der erste Amateur überhaupt, der dieses im Folgejahr verteidigen konnte. Ferner wurde „Täve“ Schur 1955 zum ersten Sieger der Internationalen Friedensfahrt aus der DDR und 1959 zum ersten Fahrer überhaupt, der die Friedensfahrt ein zweites Mal gewinnen konnte.

Steckbrief zu Gustav Adolf Schur

Nationalität: Deutschland

Spitzname: Täve

Teams

bis 1951 BSG Grün-Rot Magdeburg

1951–1954 BSG Aufbau Börde Magdeburg

1954–1964 SC (Wissenschaft) DHfK Leipzig

Die größten Erfolge von Gustav Adolf Schur

 

  • 2x Gewinner der Internationalen Friedensfahrt (1955, 1959)
  • 2x Weltmeister im Straßenrennen (1958, 195)
  • 6x DDR-Meister im Straßenrennen (1954, 1957, 1958, 1959, 1960, 1961)
  • 2x DDR-Meister im Mannschaftszeitfahren (1957, 1958)
  • DDR-Meister im Querfeldeinfahren 1953
  • Silber bei Olympia im Mannschaftszeitfahren 1960
  • Bronze bei Olympia in der Mannschaftswertung 1956

 

 

Organische aber auch staatlich befeuerte Legendenbildung

Gustav Adolf Schur wurde zur definitiven Sportikone der DDR. Zeugnis davon legt der Umstand ab, dass „Täve“ Schur zum populärsten DDR Sportler gewählt wurde - 25 Jahre nach seiner aktiven Karriere. Natürlich war auch das DDR-Regime selbst bestrebt, Gustav Adolf Schur als öffentliche Figur einzuspannen, was dieser sich auch dankend gefallen ließ. Er war so gesehen der Prototyp des „Diplomaten im Trainingsanzug“ und hatte eine populäre Symbolwirkung, welche die Regierenden in der DDR später zu replizieren versuchten, was wohl die Hauptantriebskraft hinter dem staatlich befeuerten Doping in der DDR sein sollte.

Natürlich lässt sich die Wirkung von „Täve“ Schur jedoch nicht allein auf das Wirken der DDR-Regierung reduzieren. Dafür waren seine sportlichen Meriten zu zwingend und beständig. Auch gab er sich nach außen hin immer bodenständig, was ihm bis heute in seinem Heimatort Magdeburg anhaltende Verehrung einbringt. Doch lässt sich der Einfluss der DDR auf die Mythenbildung nicht ganz weg reden. So versuchte die DDR, den zweiten Platz bei der Radsport WM 1960 propagandistisch auszuschlachten.

 

 

Vor heimischem, aufgepeitschtem Publikum (die WM endete auf dem Sachsenring) wurde Gustav Adolf Schur, der als amtierender zweifacher Radsport Weltmeister als Favorit gehandelt wurde, Zweiter. Den Sieg trug stattdessen sein Teamkollege Bernhard Eckstein davon. Dies wurde später als selbstloses Opfer hingestellt, da sich „Täve“ Schur in der führenden Dreiergruppe gegen den Mitfahrer aus Belgien aufgerieben und so seinem Teamkameraden selbstlos den Sieg ermöglicht hätte. Jedoch zerstreute Gustav Adolf Schur diese Bewertung später selbst als „Unsinn.“ Der belgische Fahrer hatte einfach den Fehler gemacht, sich stoisch ans Hinterrad von Schur zu halten, da er in ihm den Mann sah, den es zu schlagen galt. Eckstein hatte somit letztlich davon profitiert, dass er unterschätzt worden war.

Was macht Gustav Adolf Schur heute

Gustav Adolf Schur blieb auch über seine aktive Karriere als öffentliche Figur in der DDR, respektive in Ostdeutschland, präsent. So belegte er 30 Jahre lang einen Sitz in der Volkskammer der DDR. Eine Linientreue, die seinem öffentlichen Aufstieg in die DDR sicher nicht geschadet hat. Nach dem Mauerfall war er gar im Bundestag als Abgeordneter der PDS von 1998 bis 2002 aktiv. Hierbei trat er nicht immer vorteilhaft in Erscheinung, da er das Bild der DDR bzw. des Staats-Sozialismus in der DDR, stets hochhielt. Vor allem aber machte er negative Schlagzeilen, als er sich aktiv der Aufklärung des staatlichen Zwangsdopings in der DDR entgegenstellte.

Gustav Adolf Schur lebt heute noch, im rüstigen Alter von 89 Jahren, in Heyrothsberge (Stand Juni 2020). Nach wie vor setzt er sich aktiv für das Andenken an die Internationale Friedensfahrt ein – ein Rennen, das ihm immer mehr bedeutet hat als all seine anderen Erfolge. 2012 fuhr „Täve“ Schur gar zwei Etappen der Friedensfahrt 1955 erneut ab, um an das Rennen zu erinnern. Er gehört zwar noch zur Partei „Die Linke“, hat sich aber im Wesentlichen zur Ruhe gesetzt.

Seiner starken Verklärung der DDR (natürlich bedingt dadurch, dass er selber dort alles andere als schlecht leben konnte) stehen politische Förderung des Breitensports und eine gewissen Volksnähe gegenüber, die sich Gustav Adolf Schur auch als erfolgreicher Radsportler immer bewahren konnte. Vielleicht wird gerade deswegen sein Andenken im Osten besonders hochgehalten, wo er als lebende Legende gilt.

In die gesamtdeutsche Ruhmeshalle für große Sportler sollte er aufgrund seiner politischen Ansichten bislang nicht kommen. Im Osten wird man das aber wohl auf ewig anders sehen. Leider zeigt sich hieran, dass in den Köpfen noch nicht alle Mauern gefallen sind. Denn wenn man einige NSDAP-Mitglieder in der „Hall of Fame des deutschen Sports“ toleriert, dann sollte man einen bekennenden Sozialisten, wie „Täve Schur“, doch auch verkraften können …. mit links!


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