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Das Ying und Yang des Wrestlings - Braucht es noch Heels und Faces?
Es ist eines der beständigsten Klischees im Wrestling. Einer ist der Gute und der Andere ist der Böse. Der Gute kämpft meist fair. Selbst wenn er die Regeln bricht, dann nur aus gerechtem Zorn. Der Böse hingegen nimmt jede erdenkliche Abkürzung zum Sieg und lässt nichts unversucht, um das Publikum aktiv gegen sich aufzubringen. Im Wrestling nennt man diese beiden Archetypen Face (der Gute) und Heel (der Böse).
So kindisch das wirken mag, es ist ein absoluter Grundstein im Wrestling. Und als solcher durchaus berechtigt. Denn dass es sich beim Wrestling nicht um einen echten Wettstreit im sportlich wettbewerblichen Sinne handelt, dürfte sich auch mittlerweile bis zum letzten Zuschauer herumgesprochen haben. Ich wusste es bereits als kleines Kind, kurz nachdem ich zum Fan wurde, aber das tat der Spannung keinen Abbruch.
Ich war vor den Fernseher gekettet und fieberte mit Bret “The Hitman“ Hart mit. Er war der Gute und er musste einfach gewinnen, damit es in meiner kindlichen Welt gerecht zugehen konnte.
Faces und Heels, der Grundstein nahezu jeder Form der Fiktion
Das, was man im Wrestling-Jargon als Face und Heel bezeichnet, kennt man in der Fiktion allgemein als Protagonist und Antagonist. Fast jedes Narrativ hat Helden und Gegenspieler. Kleine wie Große. In Hollywood sowie in zahlreichen Genres der Literatur ist diese Konstellation so normal, dass sie gar nicht mal hinterfragt wird. Sie ist so selbstverständlich, wie das Amen in der Kirche. Spendet sie doch die wichtigsten Fixpunkte für unsere Projektionen als Zuschauer: Helden, denen wir die Daumen drücken. Und sinistre Fieslinge, für die wir nur gerechten Zorn übrig haben. Ein Motiv, das übrigens auch von jeder Form der Propaganda aufgegriffen wird. Auch dort (um nicht zu sagen: insbesondere dort) ist immer klar, wer die Guten und wer die Bösen sind.
Menschen sprechen absolut auf diese Dualität an. Richtig angewandt funktioniert sie, bezogen auf die gesellschaftliche Breite bzw. das Spektrum der Zuschauer, immer! Die Kunst aller großen Manipulateure der Wahrnehmung, seien sie Wrestling Promoter, Regisseure oder Politiker, besteht darin, die Rezeption der Zuschauer in diesem Sinne zu erkennen und folglich zu beeinflussen. Am meisten Aufmerksamkeit bekommt immer das, was am meisten Sympathie oder Antipathie erzeugen kann. Oder besser noch: beides! Man nehme Floyd Mayweather Jr. als lebendes Beispiel. Als Selbst-Promoter wurde er zum am besten verdienenden Boxer bislang. Die Puristen des Boxsports liebten seine defensiven Taktiken und seine technische Klasse. Alle Anderen sahen darin nur Feigheit und hassten seine selbst-inszenierte “Money“ Mayweather Persona.
Etwas, was ihm vollkommen bewusst war, und was er bis zuletzt bedient hat. Oder man nehme ein Beispiel aus der UFC, wo Brock Lesnar demnächst wohl auf Daniel Cormier treffen wird. Im Moment wird dieser Kampf noch als ungewiss bezeichnet. Insbesondere weil der Vertragsstatus bei der WWE noch in die Quere kommen könnte. Doch können kaum ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass dieser Kampf kommt. Lesnar will ihn, Cormier will ihn, die UFC will ihn, die Öffentlichkeit will ihn. Und Lesnar hat genügend Pull, dass das an der WWE nicht scheitern wird. Davon kann man ziemlich getrost ausgehen.
Das Spannende daran ist, dass es abermals unterstreicht, dass selbst im “echten“ Sport (also MMA verglichen zum Wrestling) die Publicity eines Kämpfers letztlich darüber entscheidet, wo er auf der Matchcard steht. Und nicht so sehr seine sportlichen Meriten. Denn nach rein sportlichen Gesichtspunkten gäbe es keinen einzigen guten Grund, Lesnar mit dem derzeitigen Doppel-Champion der UFC (Halbschwergewicht und Schwergewicht) in den Käfig zu lassen. Brock Lesnar hat sein dem 23. Oktober 2010 zwei Kämpfe verloren, dann dem Sport für viereinhalb Jahre den Rücken gekehrt, nur um bei seiner Rückkehr einen nicht minder betagten Mark Hunt zu besiegen. Ein Kampf, der Lesnar stilistisch sehr entgegenkam. Und ein Sieg, der ihm nach einer positiven Dopingprobe wieder aberkannt wurde. Wir halten fest: Lesnar hat seit über acht Jahren keinen Kampf mehr gewonnen und nur drei gehabt. Und dass er mit 41 Jahren wohl kaum noch auf seinem Zenit sein wird, dürfte jedem klar sein, der sich auch nur rudimentär mit Kampfsport auskennt. Aber kommerzieller Stellenwert trumpft sportlichen Stellenwert – und zwar immer! Warum? Weil ein Lesnar vs. Cormier Match durchaus über eine Million PPV verkaufen kann, darum!
Was sich an Heels und Faces geändert hat
So wie die Promoter im Boxen oder in den MMA mit dem kommerziellen Potenzial der Kämpfer arbeiten und dieses durch Hype zu mehren versuchen, so geschieht dies auch im Wrestling. Nur ungleich plakativer. Die Rollenverteilung ist dabei meistens alles Andere als subtil. Es besteht durch die Bank in fast allen Matches kaum ein Zweifel daran, wen das Publikum jeweils ausbuhen und wen es anfeuern soll. Und genau dieses “soll“ will nicht mehr so recht funktionieren.
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In früheren Zeiten war es denkbar einfach. Auf der einen Seite der lokale Held, auf der anderen Seite ein subversiver Kommunisten-Wrestler “aus Russland“. Fertig! Wer erinnert sich nicht noch an die Zeiten, als ein Wrestler einfach nur ein dicker Sumo-Ringer sein musste, der böse guckt und fiese Dinge über Amerika sagt? Fertig war der neue Top-Heel! Heute klappt das nur noch eingeschränkt. So war bei John Cena und danach bei Roman Reigns immer klar, dass diese beiden die Helden sein sollten. Das Narrativ hat daran nicht den geringsten Zweifel gelassen. Und doch wurden sie immer nur von einem Teil der Fans angenommen, während der andere sich lautstark dagegen auflehnte. In manchen Hallen war die Rezeption so mies und offensichtlich feindselig, dass man eigentlich gar nicht mehr von einem Face sprechen konnte. Wer solche Reaktionen zieht, ist der Böse! Die Öffentlichkeit hat entschieden.
Die alten Werkzeuge von Wrestling-Promotern funktionieren nicht mehr, weil die Fan-Kultur, die dem Wrestling folgt, heute eine wesentlich besser informierte und grundsätzlich andere ist. Sie würden nie jemanden anfeuern, weil sie es sollen. Zugegeben: Das war auch früher nicht so. Nur war es da noch viel einfacher, Sympathie und Antipathie mit offensichtlichen Narrativen zu lenken. Heute hingegen müssen sich diese Dinge organisch entwickeln, weil die Fan-Kultur wesentlich differenzierter geworden ist. Sie lenken zu wollen, ist, als ob man sich einer Herde wilder Pferde vor die Kutsche spannt und auf das Beste hofft.
Becky Lynch – ein modernes Face
Reden wir ein wenig über Becky Lynch. Diese wurde zuletzt ganz offensichtlich als Heel eingesetzt und dennoch immer populärer! Oftmals war die ganze Halle hinter ihr! Selbst als Charlotte Flair in Vertretung für die “verletzte“ Becky Lynch gegen Ronda Rousey antrat, gab es Becky Lynch Anfeuerungsrufe. Da darf es kein Vertun geben: Wenn Ronda Rousey auf Becky Lynch trifft, wird Becky Lynch das Face sein. Völlig egal, wie sehr die WWE versucht, uns vom Gegenteil zu überzeugen.
Die WWE sollte doch spätestens seit Stone Cold Steve Austin (der nie der plakative Held war) wissen, dass man die Fans nicht mehr mit banalen Wrestling-Geschichten zur Sympathie erziehen kann. Damit stößt man sogar eher auf Widerstand, weil es so offensichtlich manipulativ ist. Siehe John Cena und Roman Reigns, bei denen das nie wirklich funktioniert hat und eher offen in die gegenteilige Rezeption umschlug! Selbst der große Hulk Hogan wurde irgendwann ausgebuht, weil sein Charakter viel zu flach und nahezu unbesiegbar war.
Und das trotz aller Bemühungen der WWE, an seinem “Vitamine und Patriotismus“ Gimmick festzuhalten. In der WCW hatte man die gute Idee, daraus Kapital zu schlagen und Hulk Hogan zum Bösewicht zu machen, was die WCW damals, Mitte der 90er, auf Jahre in den Mainstream katapultiert hat. Und wie erwehrte sich die WWE dieser phasenweise absolut dominanten Konkurrenz? Indem sie mit Charakteren wie Stone Cold Steve Austin, The Rock und Mankind den Fans das gab, was sie wollten! Völlig befreit von allen eingefahrenen Wrestling-Klischees über Gut und Böse. Die WWE wäre gut beraten, sich dessen zu erinnern, wenn Becky Lynch auf Ronda Rousey trifft. Denn momentan ist Becky Lynch an der Schwelle dazu, die am höchsten angesehenen Wrestlerin aller Zeiten zu werden! Doch dazu muss man den Fans geben, was sie wollen. Und das ist eine Rollenverteilung, die ihrer Rezeption entspricht – jedoch ohne zu plakativ zu sein.
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