Tony Atlas – Erster afroamerikanischer Tag Team Champion der WWE

Tony Atlas im Porträt

Bildquelle: Paul Billets [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Anthony White, besser bekannt unter seinem Wrestling Alias Tony Atlas, war einer der frühesten afroamerikanischen Wrestling-Stars, der regionale Titel sowie überregionale Tag Team Titel erobern konnte. Als ehemaliger Bodybuilder (dreifacher Mr. USA) sowie dekorierter Powerlifter war der extrem muskelbepackte Tony Atlas nicht nur wegen seiner dunklen Hautfarbe eine Ausnahmeerscheinung im damaligen Wrestling. Überdies war Tony Atlas einer der wenigen Wrestler, der Hulk Hogan in einem Singles-Match besiegen konnte (wenn auch nicht clean, Hogans Bein war auf dem Seil gewesen, was der Ringrichter übersah).

Ferner ist Tony Atlas einer der wohl wichtigsten Zeugen des Mordes am Wrestler Bruiser Brody, der in Puerto Rico in einer Dusche neben einem Umkleideraum von einem Kollegen feige erstochen wurde. In mehreren Interviews äußerte sich Tony Atlas bereits über die letzten Stunden des legendären Bruiser Brody, den er höchstselbst in den Krankenwagen tragen musste, sowie über den dubiosen anschließenden Schein-Prozess in Puerto Rico, bei dem der Mörder von Bruiser Brody (José Huertas González alias The Invader) nahezu ungestraft davonkam.

Quer durch alle Staaten

Tony Atlas Wrestling-Karriere begann 1974. Damals war das Wrestling in den USA noch stark Territorial organisiert. Fast alle namhaften Promotions liefen jeweils auf regionalen Sendestationen, sodass viele autarke Wrestling-Märkte, lose organisiert unter dem Dachverband der NWA (National Wrestling Alliance), koexistierten und Stars austauschten, um gefragte und doch frische Match-Ansetzungen bieten zu können.

Im Laufe seiner Karriere arbeitete Tony Atlas für World Championship Wrestling (WCW), die legendären Jim Crockett Promotions der NWA, den World Wrestling Council (WWC) in Puerto Rico, World Class Championship Wrestling (WCCW), die American Wrestling Association (AWA) und später die World Wrestling Federation (WWF bzw. WWE), die quasi in Eigenregie der NWA damaliger Form ein Ende bereitete (befeuert durch das nationale Kabelfernsehen, das regionale Sendestationen verdrängte). Zu regelmäßigen Tag Team Partnern von Tony Atlas gehörten Tommy Rich (gemeinsam traten sie als "TNT" auf), Dick Murdoch (der ironischerweise Mitglied des Ku-Klux-Clan war) und Rocky Johnson (der Vater von Dwayne „The Rock“ Johnson). Er war auch der allererste Mann, der Hulk Hogan erfolgreich pinnen konnte.

Historische Tag Team Champions

Tony Atlas gab sein Debüt in der WWF am 23. Oktober 1979. Eine seiner frühesten Fehden hatte er dort mit Jesse "The Body" Ventura, wobei beide darüber stritten, wer den besseren Körperbau hatte. 1983 schloss sich Tony Atlas mit Rocky Johnson unter dem Team Namen "Soul Patrol" zusammen, um die Wild Samoans zu besiegen und den WWF World Tag Team Titel zu gewinnen. Somit wurden Atlas und Johnson zum historisch ersten dunkelhäutigen Team, das diese Gürtel hielt. Eigentlich sollte daraufhin ein Singles-Push für Tony Atlas folgen, der ihn zu einem Intercontinental Champion gemacht hätte. Doch anhaltende Drogenprobleme und Unzuverlässigkeit, die Tony Atlas später phasenweise in die Obdachlosigkeit zwingen sollten, führten zu seiner vorzeitigen Entlassung.

 

 

Nach einem kurzen Intermezzo bei der von der WWF geschröpften AWA, wo Tony Atlas sehr dominant eingesetzt wurde, kam er jedoch recht schnell wieder zur WWF zurück. Dort wurde er zunächst noch sehr stark in Szene gesetzt und verlor über mehrere Monate hinweg so gut wie gar nicht. Doch danach wurde er sukzessive zum Midcarder und musste sich für aufsteigende sowie etablierte Stars, wie Bret Hart, Greg Valentine, Don Muraco und Roddy Piper, hinlegen. Zwar sollte dieser WWF-Run noch bis 1987 Bestand haben, doch wurde immer klarer, dass die WWF keine ambitionierten Pläne für Atlas mehr hatte.

Die Ermordung von Bruiser Brody

Entsprechend suchte er sein Glück anderswo und kam schließlich beim WWC in Puerto Rico unter. Dort wurde Tony Atlas einer der bedeutendsten Zeugen eines besonders düsteren Stücks Wrestling-Geschichte. Am 16. Juli 1988 trat Atlas bei einer WWC-Veranstaltung in Bayamón (einer Stadt in der Nähe von San Juan) in Puerto Rico auf, wo er Zeuge des tödlichen Angriffs auf den Wrestler Bruiser Brody war. José Huertas González (bekannt als der Invader), ein Wrestler- und zugleich Booker der WWC-Promotion, bat Brody in der Umkleide, unter die Dusche zu gehen, um über Geschäfte zu diskutieren. Brody betrat den Duschbereich und nahezu unmittelbar danach ertönten zwei verstörende Seufzer, die laut genug waren, dass der gesamte Umkleideraum sie hören konnte.

Tony Atlas rannte zur Dusche und sah, wie sich Brody vornüberbeugte und seinen Bauch hielt. Atlas sah dann zu González auf und sah, dass dieser ein Messer hielt, welches er wohl unter einem Handtuch in die Dusche geschmuggelt hatte. Als die Sanitäter erst sehr spät eintrafen (die Angaben reichen von 30 Minuten bis hin zu einer geschlagenen Stunde), trug Atlas Brody die Treppe hinunter zum wartenden Krankenwagen, da die Sanitäter den hochgewachsenen Brody nicht hochheben konnten. Tony Atlas krallte sich einen unfreiwilligen Übersetzer und begleitete Brody noch ins Krankenhaus, sollte die Nacht jedoch nicht überleben.

Ein echter Justizskandal

Unfassbarer Weise lief die Wrestling-Show weiter. Tony Atlas sagte bei der Polizei aus, die pikanterweise zunächst davon ausging, dass ein Fan Brody angegriffen hätte. Da der verstörte Tony Atlas in dieser Nacht keinen Schlaf fand, hielt er sich am Strand auf, was ihm möglicherweise das Leben rettete. Denn am nächsten Tag wurde Tony Atlas vom puerto-ricanischen Wrestler Savio Vega bedrängt, besser schnellstmöglich das Land zu verlassen, solange er noch konnte, was sich Tony Atlas nicht zweimal sagen ließ. González, der unglaublicher Weise immer seine Unschuld beteuerte, wurde zunächst wegen Mordes ersten Grades angeklagt, später jedoch wegen Notwehr vom Haken gelassen.

 

 

Der zugrundeliegende Prozess war eine einzige Farce! Wichtige und offensichtliche Zeugen (allem voran die Wrestler in der Umkleidekabine – unter ihnen Dutch Mantel, Mark und Chris Youngblood sowie natürlich Tony Atlas) wurden nie zum Prozess geladen oder erhielten entsprechende Aufforderungen erst per Post, als der Prozess schon längst vorbei war. In der Folge mieden viele internationale Wrestler das puerto-ricanische Territorium, wodurch auch die WWC-Promotion immens an Bedeutung verlor, da so gut wie keine Gast-Stars mehr kamen. Bis heute schwebt dieser historische Zwischenfall wie ein Schandmal über dem Wrestling in Puerto Rico.

Der Anruf von Vince McMahon holt Atlas von der Straße

Anschließend verschlimmerten sich die Drogenprobleme von Tony Atlas, sodass dieser zeitweise gar auf der Straße lebte. Erst ein weiterer Job bei der WWF holte ihn wieder von er Straße. Dort verkörperte er nun Saba Simba – einen afrikanischen Krieger aus dem Busch. Dieses Gimmick wird bis heute als übertrieben stereotyp bis geradezu rassistisch gebrandmarkt. Doch Tony Atlas sieht das selbst nicht so eng, da dieses Gimmick es ihm erlaubte, wieder gutes Geld zu verdienen, zertifizierter Fitness-Trainer zu werden und von da an auf die Beine zu kommen. Auch wenn es nur für die Undercard reichte. Von 1992 bis 1993 war Tony Atlas noch in der WCW aktiv, beschränkte sich aber anschließend auf Auftritte im Indy-Bereich, welche er noch bis Ende 2019 absolvierte ,wenn auch zunehmend sporadisch.

Zwischenzeitlich hatte Tony Atlas noch diverse Runs in Form von Gastrollen in der WWE. Ferner einen etwas längeren Run als Manager von Mark Henry. Außerdem war Tony Atlas 2014 Bestandteil der WWE Show „Legends House“ - eine Art Big Brother mit alten Wrestling-Veteranen. Heute genießt Tony Atlas im Wesentlichen seinen verdienten Ruhestand. Seit 2006 ist er in der WWE Hall of Fame.

Was macht Tony Atlas heute?

Bis heute hebt Tony Atlas, im rüstigen Alter von 66 Jahren, weiterhin Gewichte (Stand Februar 2021). Überdies ist er während seiner Zeit als Wrestler ein begabter Zeichner geworden. Etwas, was er auch zum Zweck der Selbsttherapie ausgeformt hat. Wann immer ihn die alten Gelüste überkamen, zeichnete er stattdessen, um sich abzulenken. Heute verkauft er gelegentlich einige seiner Zeichnungen.

Auch diese erworbene Gabe beinhaltet eine wehmütige Erinnerung an den schicksalhaften Abend in Puerto Rico. Denn ehe der arglose Bruiser Brody mit seinem Mörder in der Dusche verschwand, wollte dieser gerade Tony Atlas ein Bild seines Sohnes aus seiner Geldbörse geben, damit er ihn zeichnen konnte. Mit dem Bild seines Sohnes in der Hand wurde Bruiser Brody dann ohne Vorwarnung oder wahrnehmbare Eskalation niedergestochen, just nachdem er die Dusche betreten hatte.


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