Thomas Voeckler – Der Ausreißer der Herzen

Thomas Voeckler im Porträt

Bildquelle: filip bossuyt from Kortrijk, Belgium [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Es gibt diverse Fahrertypen im Radsport mit unterschiedlich gelagerten Qualitäten. Doch kaum einer erweckt derart automatisch die Sympathien des Publikums wie der Ausreißer und Offensive-Fahrer, die im Rennverlauf attackieren und früh Flagge zeigen. Oder aber auch eiskalte Opportunisten, die einem gar zu trägen Fahrerfeld in den letzten Kilometern einen Überraschungsangriff bescheren. Wann immer ein Ausreißer dem Rennerfolg nahekommt, scheinen die Sympathien des Publikums kollektiv sowie automatisch auf seiner Seite zu sein. Denn wenn David gegen Goliath antritt, ist kaum einer so zynisch, für Goliath zu sein.

Eben jenen Goliath niederzuringen war eine Spezialität des französischen Radrennfahrers Thomas Voeckler. Nahezu all seine Rennerfolge gingen auf gelungene, späte Attacken oder ausgedehnte Ausreißversuche früh in der Etappe zurück. Thomas Voeckler glänzte also in einer Disziplin, die zu den schwersten im ganzen Peloton (bzw. davor) zählt. Er war ein Spezialist für Solo-Attacken und Ausreißversuche. Qualitäten, die ihn unter anderem zu fast 20 Tagen im gelben Trikot der Tour de France und zwei nationalen Meisterschaften führten.

Unverhofft hartnäckig

Größeren Ruhm erlangte Thomas Voeckler erstmals bei der Tour de France 2004. Nachdem Voeckler in der fünften Etappe mit fünf anderen Fahrern geflohen war, gewann er gegen das Hauptfeld viel Zeit und holte sich das gelbe Trikot. Keine große Sache, da in den frühen Stadien einer Grand Tour auch immer einige Wundertüten mal das Trikot durchaus für ein paar Tage tragen können. Bemerkenswerterweise verteidigte Voeckler sein Trikot jedoch zehn Tage lang! Selbst auf Etappen, die seinen Stärken eigentlich nicht entgegenkamen. Mit dem „Maillot Jaune“ auf seinen Schultern gab Voeckler alles. Er überlebte gar die gefürchteten Anstiege der Pyrenäen mit wenigen Sekunden vor Lance Armstrong im Gesamt-Klassement. Voeckler gab das Trikot schließlich in der 15. Etappe in den französischen Alpen an Armstrong ab.

Ähnliches spielte sich bei der Tour de France 2011 ab. Bei der neunten Etappe der Tour de France war Voeckler Teil einer Ausreißergruppe, überstand eine Kollision, die durch ein Medienfahrzeug verursacht wurde und bei der zwei andere Fahrer verletzt wurden. Voeckler überquerte die Linie als Zweiter, übernahm die Gesamtführung und trug daher abermals das gelbe Trikot. Er hielt das gelbe Trikot ab Beginn der 10. Etappe und trug es erneut durch alle Pyrenäen-Bergetappen bis hinein in die Alpen, konnte es aber am Ende der 19. Etappe, der Königsetappe, nicht mehr halten. Voeckler wurde in der Gesamtwertung letztlich Vierter, 3 Minuten und 20 Sekunden hinter dem Tour de France Gewinner Cadel Evans. Voecklers bestes Tour Ergebnis! Doch im Jahr darauf sollte er endlich aufs Abschluss-Podium kommen. Nicht wegen eines besseren Ergebnisses, sondern weil er das Bergtrikot erobern konnte.

Insgesamt nahm Thomas Voeckler an 20 Grand Tours teil und konnte davon alle, bis auf eine einzige, beenden.

Steckbrief zu Thomas Voeckler

Nationalität: Frankreich

Spitzname: Ti-Blanc/Francis

Teams

2001–2017 Bonjour (Voeckler fühlte sich seinem Trainer verbunden und lehnte lukrative Wechselangebote ab)

 

 

Die größten Erfolge von Thomas Voeckler

 

  • Bergwertung bei der Tour de France (2012)
  • 4 Etappen bei der Tour de France (2009, 2010, 2012)
  • Tour de Luxembourg (2003)
  • Vier Tage von Dünkirchen (2011)
  • 2x Route du Sud (2006, 2013)
  • Tour La Provence (2016)
  • Tour of Yorkshire (2016)
  • 2x französischer Landesmeister im Straßenrennen (2004, 2010)
  • GP Ouest–France (2007)
  • GP de Québec (2010)
  • Brabantse Pijl (2012)

 

Ein Gespür für den Überraschungsangriff

Thomas Voeckler zeichnete sich jedoch nicht nur als Fahrer für lange Ausreißversuche aus. Insbesondere Attacken spät im Rennverlauf wurden eine Art Spezialität von ihm und sicherten ihm mehrere Siege. So spuckte er allen Favoriten beim GP Ouest-France kräftig in die Suppe, als er kurz vor dem Ziel eine späte Attacke vortrug und tatsächlich siegen konnte. Ähnliches wiederholte sich 2010 beim ersten jemals ausgefochtenen GP de Québec – einem seither fest installierten Rennen im UCI Radsport. Nachdem das Peloton dort etwas länger brauchte, um am Ende die Ausreißergruppe des Tages zu stellen, zerfiel es zum Ende der Etappe hin.

Als dann, einen Kilometer vor dem Ziel, die reduzierte Spitzengruppe sich nicht so recht einigen wollte, wer nun die Tempoarbeit übernimmt, nutzte Thomas Voeckler diesen Lapsus rotzfrech und zog davon, womit er die Erstauflage dieses Rennens gewinnen konnte. Bei der Zieleinfahrt schüttelte er nur süffisant mit dem Kopf, da er sein Glück selbst kaum fassen konnte. Er überfuhr die Ziellinie in den Farben des französischen Landesmeisters. Einen Titel, den er zum zweiten Mal trug und den er sich zuvor solcherart sichern konnte, wie er es am liebsten zu tun pflegte. Als Ausreißer!


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