Henri Cornet – Der Unverhoffte

Henri Cornet gewann 1904 die Tour de France

Bildquelle: Jules Beau / Public domain [CC BY-SA 0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Ein recht unbesungener und doch außergewöhnlicher Gewinner der Tour de France war der junge Franzose Henri Cornet, der 1904 die zweite Tour de France gewinnen konnte. Was seinen Sieg so außergewöhnlich machte, waren sein zartes Alter sowie die unverhofften Umstände, durch welche dieser Sieg zustande kam.

Als ein Jahr zuvor die erste Tour de France 1903 über die Bühne gegangen war und der Franzose Maurice Garin sie für sich entscheiden konnte, erwies sich diese Erste aller Grand Tours als großer Erfolg. Die Struktur der ersten Auflagen der Tour de France war jedoch nicht im Entferntesten mit den heutigen Wettbewerben vergleichbar. So gab es viel weniger Etappen, jedoch waren diese sehr viel länger als heute. Distanzen von über 400 Kilometern pro Etappe waren die Regel. Sechs Etappen mussten solcherart 1904 absolviert werden.

Chaos-Tour 1904

Der Publikumszuspruch erwies sich als groß. Was gemessen an der holprigen und ausgedehnten Streckenführung keine Selbstverständlichkeit war. Doch gerade dieser Umstand und dass die Überwachung eines ordnungsgemäßen Rennablaufs enorm schwierig war, führte zu kuriosen Betrugsversuchen. Oftmals unter aktiver Beteiligung des Publikums, das sich je nach Sympathie für bestimmte Fahrer aktiv einsetzte und andere sabotierte.

So musste sich der Vorjahresgewinner, Maurice Garin, bei einer Gelegenheit mit einer Handfeuerwaffe via Warnschuss eines wütenden Mobs erwehren, der ihn aufhalten wollte. Es kam zu umfassenden Betrügereien, bei denen über-ehrgeizige Fahrer ganze Streckenabschnitte mit Autos oder anderen Verkehrsmitteln abkürzten. Fahrer, die noch tags zuvor abgeschlagen in der Dämmerung hinterher gewankt waren, waren plötzlich wieder vorne dabei.

Von Platz 5 auf Position 1

Henri Cornet selber, der als humorvoller Zeitgenosse galt, was ihm seinen Spitznamen als „Joker“ einbrachte, musste die letzten 40 Kilometer mit platten Reifen zurücklegen, da ihm Zuschauer Nägel vor das Fahrrad geworfen hatten. Ursprünglich beendete er das Rennen als Fünfter, ohne selbst eine Etappe gewonnen zu haben. Doch am grünen Tisch wurde ihm unverhofft der Sieg zugesprochen.

Auf Beschwerden von Zuschauern und Fahrern hin erwiesen sich die Betrügereien als so umfassend, dass quasi alle ursprünglichen Etappensieger und insgesamt neun der 27 Radrennfahrer, die das Rennen beendet hatten, disqualifiziert wurden. Unter ihnen die ersten vier, sodass Cornet am grünen Tisch zum Sieger wurde. Da er selbst zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 19 Jahre, 11 Monate und 20 Tage alt war, macht ihn dies bis heute zum jüngsten Tour de France Gewinner aller Zeiten!

Steckbrief zu Henri Cornet

Nationalität: Frankreich

Spitzname: Le Rigolo (Der Joker)

Teams

1904–1905 Cycles JC

1906 unbekannt

1907 Griffon

1908 Peugeot – Wolber

1909 Nil – Supra

1910–1912 Le Globe – Dunlop

 

 

Die größten Erfolge von Henri Cornet

 

  • Gesamtsieg bei der Tour de France (1904)
  • Eine Etappe bei der Tour de France (1904)
  • Paris–Roubaix (1906)

 

Henri Cornet fast vergessen

Henri Cornet selber wäre um ein Haar zur tragischen Figur der Tour de France Geschichte geworden. Denn nie war die Tour de France näher daran gewesen, gänzlich eingestellt zu werden, wie nach jener chaotischen Tour 1904, was Cornet zum ruhmlosen letzten Gewinner eines Wettbewerbs gemacht hätte, den er nur durch die Disqualifikation der Anderen gewonnen hätte. Zumal Cornet selber wohl kein Unschuldslamm gewesen war. Er wurde verwarnt, da er wohl phasenweise von einem Auto gezogen worden war. Allerdings wurden seine Verstöße wohl noch als vergleichsweise milde erachtet.

Cornet selber konnte noch einmal Achter bei der Tour de France 1908 werden. 1906 gelang ihm ein weiterer Erfolg, als er das heute legendäre Eintagesrennen Paris-Roubaix gewann. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges beendete er seine Karriere – auch weil ihm gesundheitliche Probleme zusetzten. Er arbeitete fortan in einem Radgeschäft und starb schon recht früh im Alter von 56 Jahren. Heute erinnert nur noch eine Straße in Prunay-le-Gillon (seinem Wohnort zum Zeitpunkt seines Todes) an den jüngsten und möglicherweise unwahrscheinlichsten Tour de France Gewinner aller Zeiten.


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