Vampiro – Der bekannteste Kanadier Mexikos?

Was macht Wrestler Vampiro heute?

Bildquelle: Adrián Martínez [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Auch wenn Vampiro als einprägsamer WCW-Wrestler dem einen oder anderen hierzulande als phasenweiser und (rein vom Gimmick her) fast schon logischer Rivale von Sting in Erinnerung geblieben ist, so feierte der kanadische Wrestler hinter der Gesichtsbemalung und dem düsteren Gimmick seine größten Erfolge eigentlich in Mexiko. Dort konnte er sowohl bei CMLL, AAA als auch Lucha Underground eine Rolle spielen.

Als echter Kanadier fühlte sich Ian Richard Hodgkinson (wie Vampiro mit bürgerlichem Namen heißt) dabei zunächst dem Eishockey verpflichtet, wo er als Torhüter eingesetzt wurde. Als solcher war er in der Ontario Hockey League unterwegs. Doch seine Brötchen verdiente sich der hochgewachsene Jungspund alsbald schon in einer noch rustikaleren Disziplin als im Eishockey. Und zwar im Personenschutz. So war der junge Hodgkinson unter anderem Bodyguard von Milli Vanilli.

Die harte Schule

1984 wandte sich Hodgkinson dann dem Wrestling zu. Dabei ging er den damals noch recht traditionellen Weg und arbeitete zuerst als Teil der Ringcrew. Quasi eine Art Roadie für Wrestler. Zwischendrin wurde er dann von den Wrestlern trainiert. Das Ganze bei International Wrestling in Montreal, Quebec, wo er dann auch bald als gelegentlicher Jobber eingesetzt wurde. Durchaus kein ungewöhnlicher Einstieg ins damalige Wrestling, denn zu dieser Zeit war jenes noch eine weitgehend geschlossene Gesellschaft und nicht Wenige wurde erst in die peripheren Bereiche eingeführt (als Teil der Ringcrew, als Fotografen etc.), ehe man ihnen die Türen ins Wrestling an sich öffnete.

Was im Falle von Hodgkinson jedoch etwas unorthodoxer sein sollte, war der Lehrer, der diesen hauptsächlich unter die Fittiche nahm. Dabei handelte es sich nämlich um den legendären Deathmatch-Wrestler Abdullah The Butcher. Ein Mann, der Blut und Schrecken im Ring verbreitete, lange bevor sich irgendwelche Backyard-Wrestler Leuchtstoffröhren über der Birne zertrümmerten und neben dem originalen The Sheik wohl eine der größten Deathmatch-Pioniere überhaupt!

Unverhoffter Erfolg und langer Run in Mexiko

In Kanada rang Ian Richard Hodgkinson unter den Namen Gene Anderson oder auch Ian Richards (eine griffigere Abwandlung seines bürgerlichen Namens, durchaus nicht selten unter Wrestlern). Doch so wirklich wollte sich der Erfolg nicht einstellen. Und so ging Hodgkinson nach Mexiko, um sich dort seine Sterne neu zu ordnen. Selbstbewusst suchte er sich sogleich Arbeit bei der historischen Top Promotion Mexikos – der CMLL (Consejo Mundial de Lucha Libre). Ihres Zeichens übrigens die älteste Wrestling-Liga, die heute noch existiert (gegründet wurde sie 1933)!

Zu diesem Zeitpunkt war Hodgkinson bereits eine recht extravagante Erscheinung. Interessiert am Okkulten und mit ausgeprägtem Hang zum Dunklen, war er von Tätowierungen geziert und trug bläuliche Dreadlocks. Die Offiziellen wussten nicht so recht, was sie von diesem Sonderling zu halten hatten, zumal seine Arbeit im Ring nicht unbedingt von der technischen Akrobatik war, wie im Lucha Libre quasi zur Grundausbildung gehört. Stattdessen hatte Hodgkinson (ganz im Sinne seines Mentors) ein eher ruppiges, bodenständiges Move Set. Die Offiziellen gaben ihm dennoch eine Chance und tauften ihn „Vampiro Canadiense“ - den kanadischen Vampir.

 

 

Zu ihrer Verblüffung kam der ungeschliffene Exot aus dem hohen Norden jedoch bestens beim Publikum an. Seine Erscheinung verlieh ihm Wiederkennungswert und sein leicht gruftimäßiges Aussehen muss wohl auch den Zeitgeist recht gut erwischt haben (sollte ja später bei Sting auch funktionieren). Überdies war Vampiro ein offensichtlicher Hit bei vielen Mexikanerinnen, die vom hochgewachsenen, mysteriösen Mann aus Kanada wohl recht angetan waren.

Erster Run in Mexiko

In der Folge wurde Vampiro eine feste Größe in der Upper Midcard von CMLL. Eine passende Gesichtsbemalung prädestinierte ihn zu einem sinistren Charakter, den man mühelos als Bösewicht sowie als Antihelden einsetzen konnte. Aufgrund seiner extravaganten Haarpracht wurde er recht oft in Hair vs. Hair Matches eingesetzt. Beispielsweise gegen Pirata Morgan, Aaron Grundy oder Sangre Chicana. 1992 nahm Vampiro an einem Turnier um die CMLL Schwergewichtsmeisterschaft teil, scheiterte jedoch im Halbfinale an Black Magic – vielen Wrestling Fans hierzulande wohl besser bekannt als Norman Smiley.

 

 

Ferner tat sich Vampiro mit diversen Partnern zusammen, unter anderem mit dem Pegasus Kid (Chris Benoit), um Jagd auf die CMLL Tag Team Titel zu machen. Doch das sollte nicht von Erfolg gekrönt sein. Aufgrund persönlicher Spannungen mit Konnan (die sich jedoch später in der WCW wieder legen sollten), wandelte sich das Standing in der CMLL dann wohl auch nicht zum Besseren, was wohl auch Anteil daran hatte, dass Vampiro mitunter andernorts auftrat. So konnte Vampiro in der mexikanischen Universal Wrestling Association deren Schwergewichtstitel gegen El Canek erobern. Ferner folgten ab Mitte der 90er mehrere Touren nach Japan, wo Vampiro in Singles Matches erfolgreich sein konnte. Bis 1998 trat Vampiro jedoch mehr oder minder regelmäßig bei der CMLL an. Dann jedoch kam der Lockruf der WCW.

Durchwachsener Run in der WCW

Trotz dessen, dass Vampiro bis dahin quasi nur außerhalb des nordamerikanischen Marktes im Wrestling prominent unterwegs gewesen war, wurde die WCW dennoch auf ihn aufmerksam. Dort füllte man sich die Undercard und Midcard gerne mit Talenten aus Mexiko, Japan und Co. auf, sodass auch Vampiro auf dem Schirm der WCW erschien. Wirklich regelmäßig eingesetzt wurde er jedoch erst ab 1999. Hier formte er zunächst mit der Insane Clown Posse ein Stable (Dark Carnival) und bekam es dabei mit vertrauten Gesichtern aus Mexiko zu tun. Und zwar in Gestalt Eddie Guerrero, Rey Mysterio und Konnan.

Es folgten kurzlebige Fehden gegen Berlyn (der deutsche Wrestler Alex Wright) und Steve Williams, aus denen Vampiro jeweils siegreich hervorging. Danach tat sich Vampiro kurzzeitig mit Sting zusammen, nur um diesem dann jedoch in den Rücken zu fallen und den Heel Turn zu vollziehen. Dies führte zu einigen erinnerungswürdigen Momenten, wie einem Angle, bei dem der im Ring stehende Sting auf Geheiß von Vampiro mit „Blut“ überschüttet wurde. Oder ein „Human Torch Match“, bei dem Vampiro Sting in Brand steckte. Doch abseits dieser denkwürdigen Momente ging Vampiro bei fast allen Auseinandersetzungen mit dem Stinger als recht deutlicher Verlierer hervor, wodurch die Fehde ein ziemlich sonderbarer Mischmasch aus gelungenen Momenten, Gimmick-Trash und nicht realisiertem Potenzial wurde.

 

 

Anschließend konnte Vampiro gemeinsam mit dem Great Muta noch einmal für kurze Zeit Tag Team Champion in der WCW werden, was jedoch nur kurz Bestand hatte. Danach versank Vampiro immer tiefer in der Undercard und konnte quasi kein wichtiges Match in der WCW mehr gewinnen. Als die Übernahme durch die WWF erfolgte, war Vampiro verletzt und ihm wurde nie ein Angebot gemacht.

Rückkehr nach Mexiko und teilweise Rücktritt

Ab 2001 tingelte Vampiro dann wieder quer durch die Wrestling-Welt. Er kehrte zunächst zu CMLL zurück, tourte aber auch mit All Japan Pro Wrestling, wo er sich abermals mit dem Great Muta zusammentat. Ferner konnte er in Puerto Rico beim WWC (World Wrestling Council) die Schwergewichtsmeisterschaft erobern. Auch ein kleines Intermezzo bei TNA war drin, wobei es Vampiro in erster Linie mit Raven zu tun bekam. Ferner konnte Vampiro im europäischen sowie amerikanischen Indy-Bereich einige Erfolge feiern.

Ab 2005 kam es dann zu einer großen Abwanderung von Wrestlern von CMLL zur mexikanischen AAA, woran sich auch Vampiro beteiligte. Dort waren ihm dann wieder Titelerfolge beschieden. So konnte er die Tag Team Championship der AAA gewinnen (gemeinsam mit Joe Lider). Ferner gewann er 2006 das Rey de Reyes (König der Könige) Turnier. Ab 2015 nahem Vampiro dann jedoch vermehrt eine repräsentative und organisatorische Rolle an. So kommentierte er gemeinsam mit Matt Striker den Lucha Libre World Cup Internet PPV von AAA. Eben jenes Kommentatoren Duo sollte auch wieder bei der Show „Lucha Underground“ zusammenfinden (ein hybrides Format aus Wrestling-Show und inszenierter Unterhaltungsserie über vier Staffeln, das durchaus gut ankam). 2017 wurde Vampiro dann zum Talent‘s Director bei AAA.

Was macht Vampiro heute?

Vampiro hat sich heutzutage im Wesentlichen zur Ruhe gesetzt und hat neben der kanadischen auch die mexikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Er spricht fließend spanisch und ist Teil der in Mexiko Stadt sogenannten „Schutzengel“. Eine Gruppe, die quasi als unbewaffnete Bürgerwehr dem Verbrechen auf der Straße durch Aufmerksamkeit und durch soziale Ansätze begegnen will. Bis heute hat sich Vampiro seine Vorliebe für Okkultes bewahrt. Ferner ist er als Musiker in einer Hardcore Punk Gruppe aktiv – eben jene Musikrichtung, die auch sein Erscheinungsbild im Wrestling-Ring immer geprägt hat.

Sehr schlechte Nachrichten hatte er jedoch im April 2019 parat, als Vampiro offenbarte, dass bei ihm Alzheimer diagnostiziert wurde. Eine niederschmetternde Diagnose und wohl das Resultat von rund 26 Gehirnerschütterungen, die Vampiro im Laufe seiner Karriere erlitten hat. Jedoch scheint Ian Hodgkinson diese Krankheit nicht kampflos hinnehmen zu wollen. Gegenwärtig versucht er die Mittel für eine Stammzellen-Therapie zu mobilisieren und lebt wohl gesünder als die Jahrzehnte zuvor. Ferner sprach er offen in der sehenswerten Dokumentation „Nail in the Coffin“ (benannt nach seinem Finisher) offen über seine Erfahrungen und seinen Werdegang im Wrestling-Business, dem er heute so ambivalent gegenübersteht, wie man es bei seiner Geschichte und so einer Diagnose erwarten kann.


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