Jacky Durand – Alles auf Attacke!

Jacky Durand im Porträt bei Sport-90.de

Bildquelle: Eric HOUDAS [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Die meisten gefeierten Radsportler, an die man sich noch lange nach ihrem Karriereende erinnert, waren zumeist überragende Sprinter, Zeitfahrer, Kletterer oder Allrounder mit Grand Tour Meriten. Jacky Durand war nichts von all dem. Doch das, was ihn bekannt machen sollte, war unfassbares Kämpferherz und ein unbändiger Wille, zu attackieren. Qualitäten, die ihm unverhoffte Siege einbrachten und ihn in Frankreich in den 90ern zu einem der beliebteren Radrennfahrer machten.

Berüchtigt war er für seine langen und bisweilen einsamen Attacken. Allem voran sein Gewinn des Radsport-Monuments Flandern-Rundfahrt (1992) gilt als legendär. Als absoluter Außenseiter ging er mit dem deutschen Radrennfahrer Thomas Wegmüller nach einem Viertel dieses sehr langen Rennens davon. Trotz der zu diesem Zeitpunkt noch zu fahrenden 217 Kilometer konnte der bis dahin weitgehend unbekannte Jacky Durand das Rennen als erster Franzose seit 36 Jahren gewinnen! Auch seinem Gewinn der französischen Meisterschaft 1993 war eine lange Attacke vorausgegangen.

Zur Attacke verdammt

Dass Jacky Durand ein derart angriffslustiger Fahrer sein sollte, ergab sich ganz organisch. Aus einfach Verhältnissen kommend, begann er schon als Kind mit dem Radwettkampf, konnte aber in keiner der Jugendklassen Rennsiege vorweisen. Er war weder als Sprinter noch als Kletterer stark genug, um aus der Masse hervorzustechen. Erst 1988 kam es zu einem ersten Erfolg im Mannschaftszeitfahren in der Amateurklasse.

Folglich etablierte Jacky Durand einen Stil, sein Heil in der Flucht zu suchen und Rennen zu gewinnen, ohne sich direkt mit den besseren Sprintern und Kletterern messen zu müssen. 1991 debütierte er bei den Profis und 1992 folgte der besagte, unverhoffte Sieg bei der Flandern-Rundfahrt. Dieser katapultierte nicht nur Durands Bekanntheit bei den Franzosen nach oben. Auch bei den Belgiern stand der imponierende Underdog fortan hoch in der Gunst. Laut einer Anekdote wurde Durand Jahre später von einem belgischen Polizisten wegen zu schnellen Fahrens angehalten. Dieser erkannte ihn und ließ ihn einfach weiterfahren. Durand witzelte dazu, dass sein Sieg bei der Flandern Rundfahrt ihn zu einem naturalisierten Belgier gemacht habe. Durand fuhr für mehrere belgische Teams.

Steckbrief zu Jacky Durand

Nationalität: Frankreich

Spitzname: Dudu ("Teddy Bär")

Teams

1990–1995 Castorama

96 Agrigel

1997–1998 Casino

1999–2000 Lotto

2001–2003 Française des Jeux

2004 Landbouwkrediet-Colnago

Die größten Erfolge von Jacky Durand

 

  • 3 Etappensiege bei der Tour de France (1994, 1995 und 1998)
  • Flandern-Rundfahrt (1992)
  • Paris–Tours (1998)
  • Französischer Landesmeister im Straßenrennen (1993, 1994)

 

 

Die Philosophie der Attacke

Der angriffslustige Stil von Jacky Durand und die überfallartigen Erfolge, die er sich damit teilweise sichern konnten, sprachen sich rasch herum. Das französische Radsport Magazin „Vélo“ ging später dazu über, einen monatlichen „Jacky-Meter“ zu veröffentlichen, in dem die angesammelten Kilometer über den Saisonverlauf eingetragen wurden, die Jacky Durand in Ausreißergruppen oder gar allein vor dem Peloton verbracht hatte. Durand hatte aus der Not eine Tugend gemacht und konnte, trotz dessen, dass er nach eigenem Bekunden kein besonders talentierter Radrennfahrer war, beachtliche Erfolge erzielen.

Inspirierend ist auch, wie Jacky Durand seine Attacken nicht nur als taktisch notwendig, sondern für ihn als wesentlich beschrieb:

„Ich bin kein Aufrührer oder so. Aber auf dem Rennfahrrad habe ich mich immer geweigert, aus einer Masse heraus zu agieren. Ich finde es unglaublich, dass die meisten Radrennfahrer Vasallen sind, Schafe gar! Bei vielen von ihnen sind doch die einzigen, die wissen, dass sie überhaupt mitfahren, ihre Sportdirektoren. Ich könnte den Job so nie machen. Sie beenden die Tour, ohne je auch nur einmal angegriffen zu haben. Vielleicht noch nicht einmal die ganze Saison oder Karriere über! Ich beende ein Rennen lieber abgekämpft und als Letzter, weil ich hundertmal attackiert habe, anstatt als 25. ohne je angegriffen zu haben. Ja, damit werde ich von einigen Sportkameraden freundlich aufgezogen. Aber im Feld wissen sie, dass Dudu am Ende des Tages entweder weit hinter ihnen oder als Erster ankommt.“

Was macht Jacky Durand heute?

2005 beendete Durand seine aktive Karriere und ist bei Eurosport heute Radsport-Kommentator. Nach wie vor ist er treues Mitglied beim Radsportklub CC Renzé, seiner ersten Wirkungsstätte als junger Radrennfahrer.

Bei aller Beliebtheit sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Durand 1996 für acht Monate gesperrt wurde. Einhergehend mit wiederholtem Doping mit Anabolika, wurde ihm diese Sperre auferlegt. Nachträglich wurde er 2013 ebenfalls des EPO-Dopings bei der Tour de France 2013 überführt. Heute lebt Jacky Durand auf Mauritius – einer Insel im indischen Ozean.


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