Bildquelle: Petit Brun from France [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Bradley Wiggins – Bahnradlegende, Olympia-Held und Tour Gewinner
Immer wieder war die Geschichte der Tour de France von Phasen der Dominanz durch unterschiedliche Nationen, Fahrer und Teams geprägt. Doch auf nationaler Ebene waren es vor allem Franzosen, Belgier, Italiener und Spanier, die in erster Linie die Tour-Geschichte prägten. Doch ab 2010 schickte sich Team Sky (heute: Team INEOS) an, das zu ändern. So produzierte das Team zwischen 2012 und 2018 gleich drei britische Tour de France Sieger.
Der erste von ihnen war Bradley Wiggins – ein englischer Olympia-Held und wohl einer der besten Bahnradfahrer der modernen Epoche. Unfassbare 24 Medaillen im Bahnradsport – darunter viermal Gold bei Olympia – machten Wiggins zu einem der bekannteste Radfahrer und Olympioniken Großbritanniens. Da er als Bahnradfahrer von Haus aus gute Anlagen als Zeitfahrer hatte und in Großbritannien enorm populär war, schien er die logische Wahl als Teamkapitän für das damals noch junge, doch extrem ambitionierte und finanzkräftige Team Sky. Es gab dabei nur ein Problem, denn als Straßenrennfahrer war Wiggins bereits seit 2001 aktiv. Doch waren seine Erfolge auf der Straße nicht im Geringsten mit jenen auf der Bahn zu vergleichen. Und doch sollte er 2012 zum ersten englischen Tour de France Gewinner werden – und die Dominanz von Team Sky/INEOS als Grand Tour verschlingendes Team einleiten.
Einer der besten Bahnradfahrer aller Zeiten
Bradley Wiggins wurde die Affinität zum Radsport quasi in die Wiege gelegt. Denn bereits sein Vater, Gary Wiggins, war ein australischer Bahnradfahrer und als solcher recht erfolgreich – insbesondere auf nationaler Ebene, wo er Preise und Anerkennung gewinnen konnte. Doch unmittelbaren Einfluss würde sein Vater nicht auf den Werdegang seines Sohnes nehmen, denn die Eltern trennten sich und der gerade einmal zweijährige Bradley Wiggins kam so von Belgien (wo er geboren worden war) nach London. Zunächst spielte Wiggins Fußball, bis er 1992 auf Empfehlung seiner Mutter die Bahnrad-Wettbewerbe bei Olympia verfolgte – jene Disziplin, in der sein Vater sich so hervortun konnte.
Von da an war Bradley Wiggins gänzlich dem neuen Sport verfallen! Noch im selben Jahr, im Alter von zwölf Jahren, nahm er an seinem ersten Rennen teil. Sein erstes Geld erhielt er jedoch auf schmerzhafte Art. Bei einem Sturz brach er sich das Schlüsselbein. Ihm wurden 1.700 Pfund Schmerzensgeld zugebilligt, wovon er 700 seiner Mutter gab und 1.000 nutzte, um sich sein erstes Rennfahrrad zu kaufen. Mehr und mehr spezialisierte sich Bradley Wiggins auf den Bahnradsport, wo er schließlich die Meriten seines Vaters deutlich übertreffen sollte und zu einem der besten Bahnradfahrer aller Zeiten wurde, wie zwei Dutzend Medaillen bei WMs, EMs, Commonwealth Games und Olympia bezeugen können.
Steckbrief zu Bradley Wiggins
Nationalität: England
Spitzname: Wiggo
Teams
2001 Linda McCartney Racing Team
2002–2003 Française des Jeux
2004–2005 Crédit Agricole
2006–2007 Cofidis
2008 Team High Road
2009 Garmin–Slipstream
2010–2015 Team Sky
2015–2016 WIGGINS
Die größten Erfolge von Bradley Wiggins
- Gesamtwertung bei der Tour de France (2012)
- 2 Etappen bei der Tour de France (2012)
- 2 Etappen beim Giro d'Italia (2010, 2013)
- 2x Critérium du Dauphiné (2011, 2012)
- Paris–Nizza (2012)
- Tour de Romandie (2012)
- Tour of Britain (2013)
- Kalifornien-Rundfahrt (2014)
- UCI Weltmeister im Zeitfahren (2014)
- Olympiasieger im Zeitfahren (2012)
- Englischer Landesmeister im Straßenrennen (2011)
- 3 x englische Landesmeister im Zeitfahren (2009, 2010, 2014)
- Halter des Stundenrekords (2015-2019)
- Velo d'Or (2012) (Radsportler des Jahres)
- 24 Medaillen im Bahnradsport
- Darunter siebenmal Gold bei WMs und viermal Gold bei Olympia
Therapeutische Ausnahmeregelungen
Ab 2008/2009 sattelte Bradley Wiggins dann auf die Straßenrennen um bzw. legte er den Fokus nahezu ausschließlich darauf. Denn schon seit 2001 war Wiggins stets Teil unterschiedlicher Teams für Straßenrennen gewesen. Urplötzlich begann er sich als Zeitfahrer und Anwärter für Rundfahrten hervorzutun. Umso mehr, als er sich 2010 dem neu geformten und im britischen Radsport ideal vernetzten Team Sky anschloss – wo er zum Teamkapitän reifte, was schließlich in seinem Tour de France Erfolg von 2012 gipfelte. Später würde er den Stundenrekord überbieten und noch einmal auf die Bahn zurückkehren, um abermals Gold bei den Olympischen Spielen (Mannschaftsverfolgung) zu holen, ehe er 2016 seine aktive Karriere endgültig beendete. Als historisch einziger Radrennfahrer, der sowohl die Tour de France und Gold bei Olympia (als Bahnfahrer und Straßenrennfahrer) gewinnen sowie den Stundenrekord halten konnte.
Im Nachgang wurden die starken Grand Tour Resultate von Wiggins jedoch stark in Zweifel gezogen. Denn wie sich erwies, profitierte er von einer therapeutischen Ausnahmeregelung, die ihm (wegen angeblichem Asthma und einer Pollen-Allergie) die Einnahme gewisser Mittel gestattete, die andernfalls auf der Dopingliste standen. Wie sich zeigte, bekam er mindestens dreimal, pikanterweise direkt vor Grand Tours (darunter auch vor der Tour de France 2012), Triamcinolon gespritzt. Ein synthetisches Corticosteroid, das höchst hilfreich ist, wenn man Gewicht abbauen und Kraft erhalten will. Keineswegs unattraktiv für den 1,90 m großen Wiggins, der körperlich nicht unbedingt, wie der klassische Klassement-Fahrer gebaut war.
Überhaupt sind die Meriten von Bradley Wiggins in Straßenrennen höchst dubios. Denn vor 2009 konnte er dort, trotz Teilnahmen an nicht weniger als fünf Grand Tours und zehn Teilnahmen an kleineren Rundfahrten von World Tour Rang, nichts Bedeutendes reißen. Seine besten Platzierungen in jener Zeit waren ein 121. Rang bei der Tour de France 2006 sowie ein 71. Rang bei Paris-Nizza 2006. Nicht gerade etwas, was nach „elitärem Klassement-Fahrer“ schreit. Sicherlich mag ein 100%-Fokus auf Straßenrennen zu Verbesserungen beigetragen haben. Aber Fokus allein macht aus einem Tour de France Mitfahrer von stolzen 1,90 Meter Körpergröße keinen Tour de France Gewinner. Ein scheinbar auf den Leib geschneidertes Dopingmittel zu rechten Zeit hingegen schon.