Rikidōzan – Der Vater des japanischen Pro Wrestling

Rikidozan im Porträt

Bildquelle: 新東宝 / Shin-Tohō [CC BY-SA 0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Rikidōzan war der erste japanische Wrestling-Star in Japan, gründete die erste Wrestling-Promotion, die dort ein Massenpublikum begeisterte und war somit Geburtshelfer und Vater des Puroresu – des japanischen Wrestlings. Eben dieses entwickelte sich zu einem der großen drei Wrestling-Märkte auf der Welt (neben Nordamerika und Mexiko).

Dabei schien Rikidōzan schon rein biografisch ein unwahrscheinlicher Kandidat zu sein, um diese Rolle zu spielen. Denn eigentlich war er aus Korea. Ein Land, mit dem Japan eine vorbelastete Vergangenheit hat, die vor allem zur aktiven Zeit Rikidōzans noch nachhallte. Nicht zuletzt deswegen musste Rikidōzan zeitlebens seine echten Wurzeln verschleiern. Heute weiß jeder Japaner, wo er eigentlich herkam. Und dennoch ist er nach wie vor eine Legende. Auch weil er im Alter von 39 Jahren sinnlos von einem Yakuza-Mitglied ermordet wurde.

Unter falschem Namen im Sumo aktiv

Rikidōzan wurde am 14. November 1924 in der Präfektur Kankyō-nan im japanisch annektierten Korea als Kim Sin-rak geboren. Er war der jüngste Sohn von Kim Soktee, dem Besitzer einer koreanischen Farm mit konfuzianischer Tradition, und seiner Frau Chon Gi. Als sein Vater krank wurde, kümmerte sich Sin-rak um ihn, während seine Mutter und seine älteren Brüder sich um die Farm kümmerten. Sein Vater starb 1939.

Er wurde anschließend Adoptivsohn der Bauernfamilie "Momota" in der Präfektur Nagasaki, während er eine Ausbildung zum Sumo-Wrestler absolvierte. Er trat dem Nishonoseki-Sumo-Stall bei und gab sein Debüt im Mai 1940. Sin-rak verschleierte fortan seine koreanische Ethnizität und taufte sich Mitsuhiro Momota (entsprechend dem Nachnamen seiner Adoptivfamilie). Er erhielt seinen Namen als Sumo-Ringer: Rikidōzan. Als dieser erreichte er 1946 die oberste Makuuchi-Division (die Top-Division im verschachtelten Sumo-System) und wurde im Juni 1947 Zweiter hinter dem Yokozuna Haguroyama. Insgesamt nahm er an 23 Turnieren mit einer Kampfbilanz von 135 bis 82 teil. Sein höchster Rang war der des Sekiwake.

Ritterschlag von Lou Thesz

Rikidōzan gab 1950 das Sumo auf. Sein professionelles Wrestling-Debüt gab er 1951 mit einem zehnminütigen Unentschieden gegen Bobby Bruns. Er etablierte sich als Japans größter Wrestlingstar, indem er einen amerikanischen Wrestler nach dem anderen besiegte. Dies war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und die Japaner brauchten jemanden, der sich gegen die Amerikaner behaupten konnte.

So wurde Rikidōzan in Japan sehr beliebt. Die amerikanischen Wrestler unterstützten ihn, da sich hier offensichtlich ein neuer Markt auftat. So hatten sie wenig Probleme, sich selbst als Bösewichte darzustellen, um sich von Rikidōzan abfertigen zu lassen. Rikidōzan erwiderte den Gefallen und wurde in den USA als Bösewicht gebucht. Mit der Zeit sollte er aber einer der ersten japanischen Wrestler werden, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Amerika als Babyface angefeuert wurden.

 

 

Rikidōzan erlangte weltweite Bekanntheit unter Wrestling-Fans, als er den legendären Lou Thesz am 27. August 1958 in Japan für die NWA International Heavyweight Championship besiegte. In einem anderen Match stimmte Thesz bereitwillig zu, Rikidōzan auf Kosten seines eigenen Rufs abermals gewinnen zu lassen. Dies baute gegenseitigen Respekt zwischen den beiden Wrestlern auf und Rikidōzan vergaß nie, was Thesz hier für ihn tat. Rikidōzan würde anschließend mehrere NWA-Titel in Matches sowohl in Japan als auch in Übersee gewinnen. Er bildete auch die nächste Garde japanischer Wrestler aus, darunter die zukünftigen Wrestling-Legenden Kanji "Antonio" Inoki, Ooki Kintaro und Shohei "Giant" Baba.

Das Leben eines nationalen Stars

Rikidōzan gründete 1953 die Japan Pro Wrestling Alliance (JWA), Japans erste professionelle Wrestling-Promotion. Seine erste große Fehde war gegen Masahiko Kimura, den berühmten Judoka, der von Rikidōzan eingeladen worden war, als professioneller Wrestler anzutreten. Andere berühmte Fehden waren die besagten Matches gegen Lou Thesz in den Jahren 1957 bis 1958, gegen Freddie Blassie in den Jahren 1962 und gegen The Destroyer im Jahr 1963. Sein Unentschieden am 6. Oktober 1957 mit Lou Thesz um die NWA-Weltmeisterschaft im Schwergewicht sowie sein Unentschieden am 24. Mai 1963 gegen The Destroyer erzielten in Japan Rekordquoten und gelten auch in der Nachbetrachtung als immense Medienereignisse.

Neben dem Pro-Wrestling war Rikidōzan ein Geschäftsmann und begann, Immobilien wie Nachtclubs, Restaurants, Hotels, Eigentumswohnungen und Boxhallen zu erwerben. Rikidōzans luxuriöses Apartment, bekannt als Riki Mansion, befindet sich in Akasaka, Tokio und ist an dem großen "R" an der Seite des Gebäudes auch heute noch zu erkennen.

Ein Ruf als Raubein und Skandalnudel

Rikidōzan entwickelte den Ruf eines skandalösen Jet-Setters. Es war bekannt, dass er zu Lebzeiten viele Freundinnen hatte und oft zahlreiche Freundinnen im selben Zeitraum traf. Er heiratete kurz vor seinem Tod Keiko Tanaka. Ein Artikel aus dem Jahr 1984 (ausgerechnet im Playboy) erregte viel Aufmerksamkeit, nachdem dieser ans Licht brachte, dass Rikidōzan tatsächlich aus Korea stammte, verheiratet war und Kinder hatte, bevor er Tanaka traf, was in Japan als tabu galt.

 

 

Nach seinen Wrestling-Matches ging er oft sofort zu seinem eigenen Riki Sports Palace und fing an zu trinken, ohne seine Wunden zu reinigen. Es war bekannt, dass er mit Barpersonal scherzte und sagte: "Die Arbeit war heute schrecklich.", während er entweder mit Blut bedeckt war oder eine klaffende Wunde im Gesicht hatte. Trotz seines Images eines Nationalhelden hatte er den Ruf, ein Unruhestifter zu sein. Insbesondere in den späteren Jahren seiner Karriere, die von Schmerzmittelmissbrauch und hohem Alkoholkonsum geprägt waren.

Wenn Rikidōzan gut gelaunt war, gab er dem Barpersonal ein Trinkgeld von bis zu 10.000 Yen. Selbst nach heutigem Maßstab (2020) sind das noch über 80 Euro. Aber in den Sechzigern mag das ein halbes Monatsgehalt gewesen sein – wenn nicht gar mehr! Wenn Rikidōzan hingegen schlecht gelaunt war, waren Kneipenkämpfe und Gewalt ein fast garantiertes Ereignis.

Tod durch Messerstich und eigene Nachlässigkeit

Am 8. Dezember 1963 wurde Rikidōzan nach einer Auseinandersetzung in einem Nachtclub von Katsushi Murata, einem Mitglied der Yakuza, erstochen. Rikidōzan hatte behauptet, Murata sei auf seinen Schuh getreten und forderte eine Entschuldigung. Murata lehnte ab und die beiden begannen sich zu streiten, was schließlich dazu führte, dass Rikidōzan Murata ins Gesicht schlug und ihn gegen eine Wand stieß und schließlich zu Boden schlug, woraufhin Murata dem auf ihm knienden Rikidōzan einmal in den Bauch stach. Beide flohen sofort und Rikidōzan wurde ins Sannoh-Krankenhaus gebracht, wo ein Arzt die Wunde als nicht schwerwiegend bezeichnete, Rikidōzan jedoch zu einer Operation riet.

Die Operation war auch erfolgreich und Rikidōzan kehrte nach Hause zurück, widersprach jedoch den Anweisungen des Arztes und begann am selben Tag zu essen und zu trinken. Aufgrund des starken Alkoholkonsums verschlechterte Rikidōzan seinen Zustand und musste eine Woche später erneut operiert werden. Er hatte jedoch eine schwere Bauchfellentzündung entwickelt und starb am 15. Dezember 1963 gegen 21.50 Uhr. Er war 39 Jahre alt.

Rikidōzans Beerdigung fand am 20. Dezember 1963 im Ikegami Honmonji Tempel in Ōta, Tokio, statt. Unter den Teilnehmern waren Rikidōzans Studenten Antonio Inoki, Giant Baba und Kintaro Ohki sowie diverse Gegner aus seiner gesamten Karriere. Katsushi Murata wurde später im Oktober 1964 wegen Totschlags für schuldig befunden und verbüßte 8 Jahre im Gefängnis, bevor er 1972 freigelassen wurde. Murata besucht seither, jedes Jahr, am 15. Dezember das Grab von Rikidōzan und ruft auch die Söhne von Rikidōzan an, um sich jährlich zu entschuldigen. In den Jahren nach seiner Freilassung wurde Murata ein hochrangiges Mitglied der Yakuza.


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