Union Berlin formiert sich wahrscheinlich neu – Kritischer Blick auf Entscheidungen
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Eine persönliche Meinung: Lange Zeit schwamm Union Berlin auf der Erfolgswelle, doch die Zeiten ändern sich. Die gewohnten Gesichter, die für den rasanten Erfolg der Eisernen standen, sind zum Großteil nicht mehr da. Die meisten Fans trauern Urs Fischer nach, was völlig verständlich ist. Der Schweizer Fußballlehrer wurde im Sommer 2018 vorgestellt und packte direkt den Aufstieg in die Bundesliga.
Welch ein Erfolg für den vermeintlich kleinen Klub aus Berlin Köpenick, der über Jahre in der 2. Liga kickte. Mit Oliver Ruhnert hatte Fischer seinen kongenialen Partner an seiner Seite. Man holte Spieler in seine Reihen, die man vorher als Unioner nie auf dem Schirm hatte. Nicht wenige Transfers wurden belächelt und dennoch gaben sie Ruhnert und seinem Team am Ende recht.
Fluktuation im Kader nahmen zu – Sorge vor Identifikationsverlust herrschte vor
Einzig die hohe Fluktuation an neuen Spielern, die Urs Fischer und auch die Anhänger des 1. FC Union Berlin in den Sommermonaten auf dem Trainingsplatz und auch im geliebten Wohnzimmer begrüßen durften, waren für manche ein Dorn im Auge. Es schwang die Sorge mit, dass sich die neuen Spieler, von denen einige nie zuvor etwas gehört haben, sich nicht mit den Werten des Vereins identifizieren könnten. Ebenso schwangen die Gedanken auch in die andere Richtung, bei Spielern, die einen größeren Namen haben und womöglich auf den letzten Metern ihrer Karriere noch ein paar Taler verdienen wollten. Die Sorge war in den meisten Fällen unberechtigt.
Am Beispiel von Neven Subotic oder auch Christian Gentner lässt sich diese Szenario belegen. Was hat man sich über die beiden Verpflichtungen im Vorfeld für Gedanken gemacht? Gentner, der mit dem VfB Stuttgart noch einige Wochen zuvor mit seinem VfB Stuttgart gegen Union Berlin die Relegation versemmelte, war nun Teil der Berliner, die nun erstmalig in der Beletage des deutschen Fußballs vertreten sind. Gentner mittendrin und auch Neven Subotic, der seine beste Zeit bei Borussia Dortmund hatte, waren nun Teil des Kollektivs.
Skrzybski ging – Gentner & Subotic kamen
Zwei Namen, mit denen man in Köpenick eher nicht gerechnet hatte, waren nun dabei. Und es sollte sich auszahlen. Gentner verhalf mit seiner Erfahrung dem FCU zum Klassenerhalt und auch Subotic wusste zu überzeugen. Letzterer stieg mit seiner Bodenständigkeit in kürzester Zeit gar zu einem der Publikumslieblingen auf.
Schon 2019 war dennoch klar, bevor die Saison überhaupt begann, dass andere Spieler gehen werden. Der Abschied von Steven Skrzybski zum FC Schalke 04, aus dessen Verbundenheit der Berliner und gleichzeitig auch ein Eigengewächs der Unioner, nie ein Geheimnis machte, erfolgte bereits im Sommer 2018 als Urs Fischer gerade erst das Traineramt bei den Eisernen übernahm. Die Trauer unter den Anhängern war groß – das Verständnis für seinen Wechsel zu einem Klub, für den er seit seiner Kindheit gerne auflaufen wollte, war ebenfalls vorhanden.
Eigengewächse haben kaum Chancen – Ruhnert verpasste Mannschaft neues Gesicht
Zeiten ändern sich und auch die Kadergestaltung nimmt oftmals einen Verlauf, den nicht jeder für gutheißt. Altgediente Spieler verlassen den Verein. Spieler, die beispielsweise den Aufstieg in die Bundesliga zu verantworten hatten. Denkt man nur an Marcel Hartel, der zu den Aufstiegshelden gehörte und sich Arminia Bielefeld anschloss, nur um zwei Jahre später, also im Sommer 2021 zum FC St. Pauli wechselte, mit denen er sich in der 2. Liga auf Aufstiegskurs befindet. Andere Spieler, die man verehrte, wie z.B. Eroll Zejnullahu, waren zwar Teil des Aufstiegskaders, durften aber keine einzige Minute spielen.
Genau das war beim Eigengewächs Zejnullahu der Fall. Sein Abgang war dennoch für viele Unioner mit einer gewissen Traurigkeit verbunden. Mittlerweile steht er bei 1860 München unter Vertrag. Altgediente Spieler gingen und neue Beine wurden verpflichtet. Das ist der Lauf der Dinge. Andrich, Prömel, Lenz, der mittlerweile beim verhassten Konstrukt eines Brauseunternehmens aus Österreich unter Vertrag steht, Andersson, Polter, Kroos, Schmiedebach und wie sie alle hießen, sind gegangen. Unter Manager Oliver Ruhnert konnte man Sommer für Sommer sicher sein, dass die Mannschaft ein neues Gesicht bekommen wird.
Die Konstanten bei Union Berlin
Es erinnerte ein wenig an die Kaderplanung im Basketball, wo Teams wie beispielsweise Alba Berlin Jahr für Jahr nahezu den kompletten Kader austauschen. Eine Identifikation der Fans zu ihrem Team ist daher nur schwer möglich. Selbiges hätte auch Union Berlin passieren können. Die einzigen Konstanten jener Zeit: Urs Fischer, Dirk Zingler, Oliver Ruhnert, Michael Parensen, Christopher Trimmel und Jakob Busk.
Fischer ist bereits weg. Über die Gründe wollen wir an dieser Stelle nicht nochmal eingehen. Der Schmerz nach seinem Abschied ist bei vielen geblieben. Kein Wunder, war er doch mit seiner Art ein Menschenfänger. Einer, der sympathischer hätte nicht sein können. Jemand, den man einfach mögen muss. Natürlich trugen seine Erfolge mit dem Team dazu bei, weswegen man ihn förmlich bis heute vergöttert.
Droht Trimmel Mattuschka-Szenario?
Nun gut, Urs Fischer und Co sind nicht mehr an Bord. In den Herzen der Unioner sind sie allerdings allgegenwärtig. Der neue Trainer Nenad Bjelica hat das Ruder auf der Trainerbank übernommen und nicht jeder ist mit seinen Entscheidungen einverstanden. Man könnte sagen, er spaltet das Fanlager. Die einen sagen sich: „Gebt ihm die Chance“ – die anderen meinen: „Bjelica passe nicht zu Union Berlin und trifft zugleich Personalentscheidungen, die nicht nachvollziehbar sind.“
Im Grunde kann man beide Seiten verstehen, dennoch muss man auch zugeben, dass Nenad Bjelica gerade dabei ist, eine absolute Klublegende abzusägen. Erinnerungen werden wach, als Norbert Düwel einst Torsten Mattuschka ausgebootet hatte. Mit Christopher Trimmel geschieht aktuell Ähnliches, auch wenn „Trimbo“ zuletzt unter Urs Fischer in dieser Saison bereits weniger zum Zuge kam als in den Jahren zuvor.
Ein Kapitän gehört in die Stammelf – Bjelica spaltet die Fans
Der FCU-Kapitän gehört bei den Eisernen zum Inventar. Im Sommer ist er bereits 10 Jahre beim 1. FC Union Berlin, doch seine Zeit scheint abzulaufen. Klaren Anteil daran hat Nenad Bjelica. Es ist wichtig, den Finger in die Wunde zu legen, denn die Klublegende hat noch einiges im Köcher, kommt allerdings immer seltener dazu, zu zeigen, was er noch draufhat.
Es ist eigentlich völlig untypisch, dass sich der Kapitän eines Teams vermehrt auf der Ersatzbank wiederfindet. Unter Bjelica gehört dieses Szenario indes zum Alltag. Eine Situation, die bei den Union-Fans auf wenig Gegenliebe und Verständnis stößt. Man sollte sich natürlich auch vor Augen halten, dass sich Christopher Trimmel in den letzten Zügen seiner Karriere befindet. Aufgrund seines Alters von 36 Jahren auch kein Wunder. Schon im nächsten Monat wird er 37, sodass es klar ist, dass seine Zeit im Profifußball bald dem Ende zugeht. Und dennoch: Mit seiner Erfahrung und seiner Leistungsfähigkeit ist er vor allem für Union Berlin ein absoluter Gewinn.
Rapid Wien rollt Trimmel den roten Teppich aus
Bjelica verkennt die Möglichkeiten, die er mit Trimmel hätte. Sie auszuspielen, ist für den Österreicher kaum möglich, da er über die Rolle des Ergänzungsspielers nicht hinauskommt. Es dürfte für ihn eine verzwickte Situation darstellen, denn auf der einen Seite liebt er den Verein und zerreißt sich für ihn, während er auf der anderen Seite mit seinen Einsatzzeiten unzufrieden sein dürfte.
Dass ausgerechnet jetzt auch noch sein alter Freund Steffen Hofmann, der Geschäftsführer bei seinem Ex-Klub Rapid Wien ist, noch eine Charme-Offensive startet und Trimmel den roten Teppich auslegt, könnte dem Verteidiger absolut gelegen kommen, denn der Zeitpunkt ist perfekt. Ein Wechsel zu seinem alten Verein Rapid Wien, wo er wahrscheinlich noch eine Saison sein Können in der Heimat unter Beweis stellen könnte, dürfte in seiner jetzigen Situation sehr gelegen kommen.
Trimmels Karriereende bei Rapid Wien denkbar
Natürlich trägt Bjelica mit seinen Personalentscheidungen dazu bei, dass Trimmel vielleicht insgeheim über einen möglichen Abschied im Sommer nachdenkt. Diesen Vorwurf muss sich der kroatische Fußballlehrer gefallen lassen. Bjelica kann man es allerdings auch in gewisser Weise nicht verdenken, dass er mit Josip Juranovic auf eine jüngere Alternative setzt. Der Nationalspieler Kroatiens ist schneller und sieht seine Stärken auch im Vorwärtsgang, was nicht bedeutet, dass Trimmel diese Fähigkeit des Offensivdrangs abgeht.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Juranovic vor allem in dieser Saison oftmals blass blieb. Trimmel hingegen bekommt dennoch keine faire Chance, um zurück in die Spur zu finden. Die Chance bleibt ihm in gewisser Weise verwehrt. Sollte es zur Trennung kommen, so ist es ein Mix aus einer letzten Saison, die er bei seinem Ex-Klub Rapid Wien absolvieren möchte, sich gleichzeitig vernünftig bei Union Berlin verabschieden zu lassen und auf Spielzeiten zu hoffen, die er in Wien erhalten könnte.
Zieht Bjelica Juranovic aus Verbundenheit Trimmel vor?
Es ist halt ein zweischneidiges Schwert, an dem sich Bjelica schneiden könnte, indem er jegliche Sympathien der Anhänger verspielen könnte. Auf der anderen Seite muss ein Nachfolger für Trimmel her und mit Juranovic hat man diesen in seinen Reihen. Dazu gehört allerdings auch, dass Nenad Bjelica seinen Landsmann stärken und verbessern muss. Funktioniert das nicht, werden wohl die Stimmen laut, warum man dann nicht Trimmel vermehrt, eingesetzt habe?
Wie das Ganze ausgehen kann, hat man am Beispiel Mattuschka sehen können, den es bekanntlich zurück zu seinem Ex-Klub Energie Cottbus verschlug. Parallelen zwischen der Ausbootung von Mattuschka und des drohenden Abgangs von Trimmel sind deutlich zu erkennen. Man kann nur hoffen, dass am Ende alles sauber verlaufen wird.
Ruhnert kam von seinem Wege ab
Abseits des Platzes dürfte sich auch etwas ändern, denn Manager Oliver Ruhnert wird nicht ewig bei Union Berlin verweilen. Über Jahre hatte er einen sehr erfolgreichen Job hingelegt und erwischte mit diesem Sommer eine Transferphase, die sich schlussendlich (Grüße gehen raus an Urs Fischer) als nicht sonderlich glücklich erwiesen hatte. Federführend dürfte Ruhnert für die getätigten Transfers verantwortlich gewesen sein, die erstmals nicht in gewohnter Weise einschlugen.
Man kann ihm durchaus vorwerfen, von seinem Weg abgekommen zu sein. Klar, der FCU spielte plötzlich in der Champions League mit und man wollte mithalten. Zu Teilen war dies auch möglich, denn man zeigte in der Königsklasse oft genug ein anderes Gesicht als es in der Bundesliga der Fall war. Man erinnere sich nur an die Partien gegen Real Madrid, die nur sehr knapp verlorengingen.
Von großen Namen blenden lassen?
Der Kader ist unausgewogen zusammengestellt worden. Spieler wie Aaronson, Fofana, Bonucci, Gosens, Volland, Tousart und Schwolow wurden geholt. Während Gosens sich recht gut bei den Eisernen macht, hatten die anderen Neuzugänge kaum eine Rolle gespielt. Kevin Volland kam erst spät in der Hinrunde ins Rollen und ist auf einem guten Wege. Bonucci und Union? Man hätte sich wahrscheinlich gewünscht, dass der italienische Altmeister, dessen Karriere über den Zenit hinaus ist, eben nicht verpflichtet wurde.
Bei dieser Entscheidung darf man Oliver Ruhnert zurecht fragen, was sein Plan dahinter war? Hat man sich von einem großen Namen des Weltfußballs blenden lassen? Hat Ruhnert seinen persönlichen Weg, mit dem er in den letzten Jahren sehr erfolgreich war, verlassen oder war es ein Ausrutscher? Nicht jeder Transfer kann einschlagen und das erwartet man in Köpenick sicherlich auch nicht, nur weiß man auch, dass solche Namen eben nicht Union-Like sind.
Ruhnert womöglich im Sommer weg?
Die Kritik an Oliver Ruhnert wird jedenfalls lauter. Auf der einen Seite verständlich und auf der anderen Seite sieht man, wie vergänglich Erfolge sein können. Bis zum vergangenen Sommer war oftmals die Rede vom „Magier Ruhnert“, der aus einfachen Mitteln tolle Spieler, die keiner auf dem Radar hatte, zum FCU lotste und die Fischer bessermachen konnte. Genau diese Zeiten sollte man nicht vergessen.
Die Frage ist nur, gibt sich Oliver Ruhnert im Sommer selbst die Chance, es besser zu machen? Oder wird er den Verein womöglich nach der Saison verlassen? Denkbar wäre ein Abschied auf jeden Fall, denn ein 24/7-Job zerrt an den Nerven und die Kräfte schwinden. Vergessen darf man auch nicht, dass er in einer ganz anderen Richtung etwas machen könnte. Als Politiker auf Bundesebene könnte man sich den smarten Manager gut vorstellen. Die Zeit wird es zeigen, wie es mit Ruhnert und dem 1. FC Union Berlin weitergehen wird.
Parensen als Ruhnert-Nachfolger in der Warteschleife
Sein Nachfolger steht indes schon bereit, denn Michael Parensen wird im Hintergrund zum Manager aufgebaut. Schon jetzt sitzt die Klublegende am Spielfeldrand auf der Bank und verfolgt das Geschehen. Ruhnert hat sich vermehrt aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und ist auch bei den Spielen immer häufiger, auf der Tribüne zu finden. Die Wachablösung steht wahrscheinlich bevor.
Die Eisernen befinden sich im Wandel und an der Wuhle hofft man, dass diese Saison mit dem Klassenerhalt endet, um sich für eine weitere Saison in der Bundesliga zu wappnen. Auch dann werden wieder neue Gesichter dabei sein und altbekannte und gediente Spieler den Klub verlassen. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung man steuert und wie die Ziele des Klubs aussehen werden.