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Thibaut Pinot gewinnt Il Lombardia 2018 und krönt eine hervorragende Saison

Bildquelle: By Lapierrebikes CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Es war der letzte echte Pflichttermin für Fans des Radsports im Jahre 2018. Zumindest mit Blick auf die Straßenrennen. Il Lombardia – die Lombardei Rundfahrt – stand heute an! Entgegen der Bezeichnung als Rundfahrt handelt es sich bei Il Lombardia aber um ein Eintagesrennen. Sentimental, doch der Lage im Kalender angemessen, wird es auch als “Rennen der fallenden Blätter“ bezeichnet. Es ist eines der “fünf Monumente“ des Radsports. Als ebensolche werden die ältesten Eintagesklassiker bezeichnet, die ein entsprechendes Prestige haben und auf eine lange Tradition zurückblicken können.

Neben Il Lombardia sind dies: die Flandern-Rundfahrt, Lüttich-Bastogne-Lüttich, Milan-San Remo und Paris-Roubaix. Allerdings ist Il Lombardia der einzige dieser fünf Klassiker, der im Herbst stattfindet. Die anderen vier finden alle im Frühjahr statt.

Und nicht nur das hebt Il Lombardia ab, denn tatsächlich handelt es sich bei der Lombardei-Rundfahrt um einen alten Klassiker im Radsport, der die wenigsten Unterbrechungen hinnehmen musste. Allein 1943 und 1944 bedingte der 2. Weltkrieg eine Unterbrechung. Doch davon abgesehen fand jedes Rennen seit 1905 statt! Gestern stand dementsprechend die 112. Auflage an. Das Streckenprofil – ein zutiefst Anspruchsvolles! Mit einer Etappenlänge von 241 Kilometern, insgesamt über 4.000 zu bewältigenden Höhenmetern und Steigungen von bis zu über 25% am Colma Si Sormano war dieses Rennen gemacht für echte Kletterer! Auch fehlte es im Vorfeld nicht an Favoriten. Diese durchaus lange und schwierige Saison hatte so einige der entsprechenden Spezialisten als überaus formstark offenbart.

Und eingedenk der noch nicht lange zurückliegenden Vuelta und der anschließenden WM waren noch sehr viele Fahrer für diesen würdigen Anlass in guter Wettbewerbsverfassung. Unter anderem traten hier die Gebrüder Yates an – Simon dabei natürlich mit dem Sieg der Vuelta im Rücken. Nicht zu vergessen der frischgebackene Weltmeister, Alejandro Valverde, der in diesem Jahr etliche Etappen und Rennen gewinnen konnte und wohl eine seiner besten Saisons überhaupt fuhr. Der französische Shootingstar Thibaut Pinot hatte sich bereits bei einigen kleineren italienischen Rennen im Vorfeld als weiterhin stark präsentiert und auch Riogoberto Uran, Michael Woods (überraschender WM-Dritter) und Dylan Teuns waren mit Ambitionen hier. Der Gewinner des Vorjahres, Vincenzo Nibali, war erneut mit dabei. Doch schwebten über seiner Form große Fragezeichen, da er seit seiner Wirbelverletzung bei der Tour de France in allen Wettbewerben seiner alten Verfassung hinterhergefahren war.

Ausreißer werden an der Wand von Sormano gestellt

Die Ausreißergruppe des Tages enthielt keine der Favoriten. Der Vorsprung der achtköpfigen Ausreißergruppe schmolz entsprechend rasch dahin, als es in die letzten 90 km des Rennens ging, wo die meisten wirklich gemeinen und entscheidenden Berge lauerten. In dieser Phase drückte vor allem Team Movistar um Alejandro Valverde auf die Tube. Die Ausreißergruppe wurde unnachgiebig rangezogen und zerfiel eingedenk der anspruchsvollen Auffahrten zusehends. Auch Team Bahrain-Merida um Vincenzo Nibali schaltet sich alsbald prominent in die Jagd in Richtung Ziellinie ein. Das Feld zersprang zusehends. Hier zeigte sich, wer bei diesem letzten Lackmustest der Spätsaison noch Tinte im Füller hatte!

64 km vor dem Ziel war die Ausreißergruppe bereits auf vier wackere Fahrer reduziert. Aus dem Feld in dieser Phase vermehrt taktische Attacken von Fahrern aus den Teams der Favoriten. Am gerade einmal 1,7 Km langen doch knüppelharten Colma Si Sormano (mit den besagten Steigungen von etwas über 25%) wurde die Gruppe dann geschluckt. Der Kampf der Favoriten war an dieser Wand von einem Berg eröffnet! Noch 50 km bis zum Ziel.

Thibaut Pinot siegt!

Hier zersprang das Feld nun vollends. Valverde und Bardet in dieser Phase nahezu abgehängt, vor allem weil Valverde keine Teamkollegen mehr um sich hatte. Nibali demgegenüber noch mit einigen seiner Landsleute und Teamkollegen gut im Geschäft! Pinot und Nibali, der erstmals wieder seine alte Form aufblitzen ließ, fuhren als Erste über den Gipfel des grausamen Sormano. Besonders ärgerlich: Kurz darauf stürzte Romain Bardet (Team ag2r), weil wieder einmal ein Zuschauer meinte, sich als aufdringlicher Paparazzo profilieren zu müssen und zu weit in die Strecke trat. Der Lenker des Franzosen verfing sich im Kameragurt des unbeholfenen Zuschauers und es kam zum Sturz. In der Vergangenheit haben rücksichtslose Zuschauer immer wieder so oder so ähnlich in den Rennverlauf eingegriffen und das Wohl sowie die Rennchancen der Fahrer gefährdet. Hoffentlich wird hiergegen hart durchgegriffen!

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Während Nibali und Thibaut Pinot (beides starke Abfahrer) den Berg hinunter rauschten, versuchte Valverde weiter hinten die Verfolgung zu organisieren. Der Mann im Weltmeistertrikot spürte nun, dass ihm das Rennen zu entgleiten drohte! Die Abfahrt entpuppte sich als extrem verzwickt und eng. Wagehälse konnten hier Zeit gut machen, aber mussten auch viel riskieren. Primož Roglič, der phasenweise vorneweg gefahren war, fand Anschluss zu Pinot und Nibali. Mehrere Fahrer versuchten es, dem Slowenen gleich zu tun und zu diesem Spitzentrio auszuschließen. Unter diesen direkten Verfolgern: Rigoberto Uran! Moscon, ein Italiener, der ebenfalls zu den erweiterten Favoriten zählte, handelte sich in dieser Rennphase einen Platten ein. Sehr tragisch für ihn. Jegliche Chancen auf einem Podiumsplatz waren, eingedenk des hohen Tempos 34 km vor dem Ziel, wohl dahin!

Phasenweise wuchs das Trio an der Spitze zu einem Quartett an, doch Nibali und Pinot gaben hier das Tempo vor. Um Valverde formte sich derweil eine rund 20 Fahrer starke Verfolger Gruppe. Und tatsächlich wurden Pinot und Nibali noch einmal bis auf sieben Sekunden herangezogen. Doch diese attackierten erneut am vorletzten Berg und die Verfolgergruppe zerschlug sich wieder. Auch Valverde musste nun abreißen lassen und signalisierte, dass er heute keine Rolle mehr spielen würde. Vorne war es nun ein Duell zwischen Nibali und Pinot. Der Franzose aber der angriffslustigere der Beiden, machte ohne Unterlass Druck! Und tatsächlich konnte er Nibali 14 km vor dem Ziel distanzieren und fuhr in der Folge über eine halbe Minute Vorsprung auf ihn heraus! Hier deutete sich an, dass Pinot der Sieg nicht mehr zu nehmen war.

Nibali kämpft bewundernswert

Nibali konnte Pinot nicht mehr stellen und musste eher noch seinen zweiten Platz verteidigen. Denn hinter ihm machten der Ire Dan Martin und Polens Rafal Majka Druck. Sieben Mann jagten Nibali! Doch just, als er eingeholt wurde, die Fahrer sich auf einen Sprint um Platz zwei einstimmten und einander belauerten, attackierte Nibali umgehend wieder. Und tatsächlich konnte er seinen Verfolgern noch einmal davon fahren, sodass er abgekämpft einen hoch verdienten zweiten Platz ergattern konnte. Im anschließenden Spurt der Verfolger setzte sich Dylan Teuns aus Belgien durch und sicherte sich den letzten Podiumsplatz.

Ein doch versöhnlicher Schlussstrich unter eine Saison, die für Nibali von dessen Sturz bei der Tour de France überschattet wurde (auch bei der Vuelta stürzte er unglücklich). Überdies eine Leistung, an die er mit Blick auf kommende Saison anknüpfen kann, um hoffentlich noch einmal zu alter Stärke zu finden. Thibaut Pinot tat hingegen das, was viele schon bei der WM von ihm erwartet hatten und sicherte sich einen weiteren wegweisenden Erfolg. Es war der erste Sieg eines Franzosen seit 1997 (damals war es Laurent Jalabert) bei Il Lombardia. Damit hat Pinot abermals unterstrichen, dass er in der Weltspitze angekommen ist. Ein Mann für die nächste Zukunft, dessen Stern nie höher stand!

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