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Jermell Charlo gewinnt Rückkampf gegen Tony Harrison und ist erneut Weltmeister

Bildquelle: Kristin Wall CC BY-SA 2.0 [CC BY-SA 2.0], via Flickr.com (Bild bearbeitet)

Aus der Toyota Arena im kalifornischen Ontario gab es heute Nacht einen vorweihnachtlichen Boxen Livestream zu verfolgen. Als Hauptkampf diente dabei der Rückkampf zwischen Tony Harrison und Jermell Charlo, die sich vor rund einem Jahr schon einmal bekämpft hatten, was damals im Titelverlust für Charlo sowie seiner ersten professionellen Niederlage im Boxring gemündet hatte.

Los ging es mit dem Opener im Boxen Leichtgewicht: Carlos Balderas (9-0) gegen Rene Tellez Giron (13-1). Zwei junge Kämpfer unter sich. Der ungeschlagene Balderas mit dem Reichweitenvorteil. Acht Runden waren angedacht. Die Erste davon konnte Balderas für sich erobern. Gerade in der ersten Hälfte der Runde hatte Giron sichtbar Probleme, mit der Spannweite seines Gegners zurechtzukommen, konnte sich hinten raus aber dann selber einige Treffer sichern. Balderas konnte den Boxkampf zunächst aber im Wesentlichen gestalten. Runde zwei war ausgeglichen, da Giron Balderas nun vermehrt nahekam und sich so selbst starke Phasen sichern konnte. Vor allem zum Körper arbeitete Giron mehr – eine kluge Taktik gegen den größeren Balderas.

Doppel TKO gegen Balderas?

In Runde drei wurde es dann kontrovers. Der Kampf war weiterhin eng gewesen, doch zum Ende der Dritten setzte es einen Niederschlag gegen Balderas, als er sich in einen linken Haken hinein duckte. Als er wieder auf die Beine kam, wackelte er schwer und wankte gar nach hinten, als der Ringrichter ihn aufforderte, einen Schritt auf ihn zu zu tun. Dennoch brach der Ringrichter nicht ab! Dadurch wurde Balderas von der Glocke gerettet und hatte eine volle Minute, um sich zu erholen, obwohl das überdeutlich nach einem TKO ausgesehen hatte.

Der Boxkampf ging also weiter. Die nächste Kontroverse in Runde vier, als Balderas einen Tiefschlag reklamierte und selber umgehend aus Revanche gezielt tief schlug, wofür er scharf vom Ringrichter verwarnt wurde. Die folgenden Runden waren eng. Balderas hatte sich tatsächlich gut erholen können. Allerdings war fragwürdig, warum ihm diese Chance überhaupt gegeben worden war, denn nach dem Niederschlag war jenseits von Gut und Böse gewesen. Allein die Glocke hatte ihn da gerettet. Doch in Runde sechs schlug wieder ein linker Haken ein. Und diesmal brauchte Balderas zu lange, um hochzukommen. Ironischerweise wäre es nur noch eine Sekunde bis zur Glocke gewesen. Klasse Sieg für den mexikanischen Außenseiter Giron, der sich damit dem Rampenlicht etwas näherbringen konnte – gerade mal 20 Jahre ist er alt!

Ajagba gewinnt Ringschlacht im Boxen Schwergewicht

Danach ging es ganz weit rauf. Und zwar ins Schwergewicht. Nigerias Efe Ajagba (11-0) traf auf Iago Kiladze (26-4-1) aus Georgien. In Runde eins zeigte sich deutlich, warum der jüngere, größere Ajagba hier der klare Favorit war. Mit Jabs und Geraden, die er gerne hinter den Jabs versteckte, traf er immer wieder. Kiladze nur im Rückwärtsgang, ohne offensiv etwas anbieten zu können. In Runde zwei kam dann der Niederschlag gegen Kiladze, der schon die ganze Zeit in der Luft gelegen hatte. Geradeso kam er wieder auf die Beine und überlebte den Rest der Zweiten, war jedoch immer noch sehr wackelig, als er in seine Ecke zurückging.

In Runde drei sah man Kiladze quasi jeden Schlag an, den er kassierte. Ajagba wusste offensichtlich, dass hier nur noch ein Schlag fehlte. Doch gerade, als er Kiladze absolut wankend auf den Beinen zurückließ, sodass dieser durch den Boxring stolperte, konterte Kiladze plötzlich eine Rechte von Ajagba. Völlig unverhofft ging nun der Nigerianer zu Boden! Unglaublich! Kiladze war hier auf Messers Schneide gewesen und landete diesen Niederschlag quasi aus dem Nichts!

 

 

In Runde vier stalkte Ajagba Kiladze weiterhin durch den Boxring. Er wollte hier nach wie vor den Sack zu machen. Allerdings wusste er jetzt, dass Kiladze selbst auf Reserve noch gefährlich war. Der Volumenvorteil jedoch klar bei Ajagba. Runde fünf wurde es noch mal richtig laut. Ajagba hatte Kiladze zum wiederholten Male auf wackeligen Beinen. Doch immer noch schlug dieser mit und landete durchaus auch! Dann jedoch kam ein weiterer Niederschlag, den Kiladze, unfassbar, wieder erwidern konnte! Doch danach wurde er nur noch vor Ajagba hergetrieben. Die Kommission hatte schließlich genug gesehen und schmiss das Handtuch. Großartiges Kämpferherz von Kiladze! Doch der Schaden, den er hier nahm, wurde langsam kriminell.

Jermell Charlo entgleitet der Kampf zunächst

Es folgte der Hauptkampf im Superweltergewicht. Ein Rückkampf zwischen Tony Harrison (28-2) gegen Jermell Charlo (32-1) um die WBC-Krone in dieser Boxen Gewichtsklasse. Das erste Aufeinandertreffen hatte rund ein Jahr zuvor stattgefunden, wobei Harrison Jermell Charlo seine erste Niederlage zugefügt und ihm in einer umstrittenen Split-Decision den Titel entrissen hatte, um den es an dieser Stelle wieder gehen sollte. Jermell nicht zu verwechseln mit seinem eineiigen Zwilling Jermall Charlo, der erst vor Kurzem gegen Dennis Hogan (Sport-90 berichtete) gekämpft hatte.

Gleichwohl eine ausgeprägte Rivalität zwischen Jermell Charlo und Tony Harrison vorlag, startete der Boxkampf recht verhalten, was Harrison mit seinem Reichweitenvorteil und seinem Matchplan, der sich vor allem um seinen Jab drehte, besser entgegenkam. Entsprechend nahm er die Erste. In Runde zwei wurde Harrison jedoch ein wenig geizig, als er einen leichten Cut bei Charlo melken wollte und prompt in schlechter Position im Nahbereich gekontert wurde. Niederschlag! Zwar konnte Harrison den Niederschlag gut verschmerzen, musste aber die Zweite 10:8 abgeben.

In der Dritten zeigte Harrison eine gute Reaktion und ging nach vorne. Eine überraschende Marschroute, die sich aber auszahlte. Kaum dass Harrison den In-Fight führte und initiierte, sah er durchaus gut aus. Er war also nicht nur auf seine langen Hände angewiesen. Runde drei und vier waren eng. Harrison nun mit mehr Offensive, doch Charlo auch immer wieder mit guten Treffern. Allerdings musste Charlo aufpassen, dass Harrison ihm hier nicht wieder knapp die Wurst vom Brot stahl. Harrison wirkte hier etwas smarter und tat immer genug in diesem intensiven Kampf, um die Runden zu stehlen. Überraschend war vor allem, wie gut er sich im In-Fight schlug, wo er gute Präzision und Varianz zeigte. Auch Runde fünf verlief in diesem Sinne.

Harrison strauchelt entscheidend auf den letzten Metern

Runde sechs verlief ebenfalls mit Harrison im Fahrersitz. Aus einer kompakten Defensive heraus ging er nach vorne. Charlo traf wenig Zwingendes. Im Gegensatz zu Harrison, der immer akzentuierte Treffer unterbringen konnte. Verkehrte Welt! Harrison zeigte hier die Gangart, die man im Vorfeld wohl eher von Charlo erwartet hätte. Runde sieben bot mehr vom Selben. Charlo nun wirklich mit Problemen. Wo war hier seine effektive Distanz? Denn nah wie fern war ihm Harrison scheinbar über. Dadurch gereichte Charlo sein defensives Verhalten zum Nachteil. Er ließ Harrison nach vorne kommen und den Kampf machen. Charlo schlug zwar viel, landete aber nicht genug und vor allem nicht gut genug.

Runde acht und neun verliefen nicht großartig anders. Harrison konnte sich den Platz im Boxring nach eigenem Ermessen einteilen, da Charlo sich (quasi seit dem Niederschlag) mit dem Rückwärtsgang abfand, wovon Harrison seither klar profitieren konnte. In Runde zehn zeigte Charlo dann mehr Dringlichkeit und ging endlich wieder mehr nach vorne. Die Runde dadurch enger.

In Runde elf endete der Boxkampf dann unverhofft. Harrison wirkte plötzlich überheblich. Als er gegen die Seile eine Schlagserie hinnahm, gestikulierte er anschließend, als ob ihn das alles gar nicht interessieren würde. Doch dann erwischte ihn ein Haken, der über seinen Schlag hinweggefegt war und wieder wurde Harrison niedergeschlagen. Kurz darauf folgte ein zweiter Niederschlag, bei dem Harrison eine ganze Serie von Haken gegen den Kopf nahm. Als an den Seilen der dritte Niederschlag drohte, hatte der Ringrichter genug gesehen. Gegen den Protest von Harrison brach er den Kampf ab. TKO Sieg für Jermell Charlo, der sich seinen Titel von Harrison in einem sehenswerten Boxkampf zurückholen konnte. Gut möglich, dass wir hier auch noch Teil drei zu sehen bekommen.

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