Karo Murat verliert IBO-WM-Fight gegen Sven Fornling in Hamburg
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Das Boxjahr in Deutschland neigte sich in Hamburg feierlich dem Ende entgegen. Vor einem Schickimicki-Publikum kam es zur großen Box-Gala. Die Art Boxabend, bei der sich die elitären Herrschaften an runden Tischen zusammenfinden, was bedeutet, dass mindestens 50 % sich nur sporadisch zum Ring umdrehen, wenn sie gerade am Kauen sind. Das Ganze in der Sporthalle in Hamburg.
Obwohl sich durchaus einige klangvolle Namen der deutschen Boxszene hier die Ehre gaben, war das Ganze nur auf dem Regionalsender Hamburg 1 zu verfolgen. Boxen in Deutschland: ein Anlass, zu dem man Schwarz tragen muss. Allerdings war der Ringansager erfreulich engagiert und versuchte alles an Big Match Feeling herauszukitzeln, was ging.
Pfeifer und Brähmer erledigen ihre Pflicht
Los ging es mit Tornike Puritchamiashvili (9-12) gegen Erik Pfeifer (2-0) über sechs Runden im Schwergewicht. Pfeifer der sichtbar athletischere der beiden. Puritchamiashvili eher jemand vom Kaliber “übergewichtiger Club Boxer“ (147 Kilo schwabbeliges Kampfgewicht). Der Georgier nahm die Mitte, hatte aber außer vereinzelten Schlägen und einem Ausharren in der eigenen Deckung kaum etwas anzubieten. Vielleicht war er auch etwas müde, weil er vor sechs Tagen schon einmal gekämpft hatte. Pfeifer demgegenüber mit erfolgreichem Amateurhintergrund, entsprechend technisch klar besser. Bereits in der Zweiten zeigte Puritchamiashvili die ersten Zeichnungen im Gesicht.
Ein dankbarer Aufbaugegner, der vollkommen immobil vor Pfeifer herumschlurfte, um sich zusammenschlagen zu lassen. Man hatte einfach nur das Gefühl, dass er hier die Zeit herumkriegen wollte. Doch scheinbar wurde der kräftige Georgier zum Ende der Vierten sauer, als er mal wild nach vorne marschierte und Pfeifer nach einigen Schlägen an die Seile taumelte. Schön zu sehen, dass auch eingekaufte Verlierer nicht alles mit sich machen lassen. Eins musste man Puritchamiashvili lassen: Er war zäh. Er kassierte hier allerhand und war, abgesehen von dem Niederschlag in Runde vier, ganz klar im Hintertreffen. Um noch mal eine wirkliche Gegenoffensive zu starten, fehlte ihm aber scheinbar die Fitness. Nichtsdestotrotz trat er zu Beginn der sechsten und letzten Runde aufs Gaspedal. Doch das war auch nur ein Strohfeuer, das nach gefühlten 25 Sekunden vorüber war. Sinnvoller Aufbaukampf für Pfeifer, der hier mal über sechs Runden gehen musste. Wie weit es für Pfeifer im Profigeschäft noch gehen wird, sei dahingestellt, da er mit 31 Jahren erst wirklich später zu den Profis umsattelte. Der Sieger nach diesem Kampf war schon so klar, dass der Ringrichter Pfeifers Hand gen Himmel reckte, ehe dieser überhaupt als Sieger angesagt war.
Der nächste Kampf war über acht Runden im Super-Mittelgewicht angesetzt. Argentiniens Pablo Daniel Zamora Nievas (33-16-1) traf auf Jürgen Brähmer (49-3). Nievas zwar ein durchaus erfahrener Gegner mit vorzeigbarer Kampfbilanz. Allerdings auch mit einem Glaskinn, denn 12 seiner 16 Niederlagen kamen durch KO zustande. Darauf schien auch Jürgen Brähmer aus zu sein, dem man hier nach seiner 14-monatigen Abwesenheit aus dem Boxring keinen Ringrost nachsagen konnte. Er hatte den Argentinier quasi permanent außen an den Seilen und deckte ihn sowohl zum Körper als auch zum Kopf ein. Nievas mit nahezu keinen offensiven Anteilen. Überdies mit sichtbar langsameren Händen als Jürgen Brähmer, der hier nahezu nach Belieben die Distanz kontrollieren konnte. In der Dritten musste Nievas zum Ende hin die wohl deutlichsten Treffer bis dahin einstecken, die seinen Kopf nach hinten schnellen ließen. Immer wieder schaffte es Brähmer, ihn wirkungsvoll auszukontern und ihn an den Seilen bzw. in der Ecke zu stellen. Ein Klassenunterschied! Runde vier sah den Argentinier weiterhin im Rückwärtsgang. Trotz dessen, dass Brähmer in dieser Runde etwas vom Gas ging, war er hier nach wie vor deutlich überlegen. Da sah auch die Ecke des Argentiniers so, die in der Fünften das Handtuch schmiss.
Christian Hammer macht vorzeitig den Sack zu
Vor dem nächsten Kampf am es zu einer Schweigeminute für Markus Beyer, der am 03. Dezember im Alter von nur 47 Jahren leider viel zu früh verstorben war. Nach dieser Geste folgten 12 Runden um die vakante WBO-Europameisterschaft im Schwergewicht: Markus Wallisch (19-0) gegen Christian Hammer (23-5). In den ersten drei Runden gab sich Wallisch mit zwar aktiver aber überwiegend wirkungsloser Offensive, da er mit seinem Reichweitenvorteil vieles nur auf die Deckung von Hammer brachte. Hammer schaute sich das bis zum Ende der Ersten an und fing dann selber an, einzuschenken. Das Ganze mit weit mehr Konsequenz, als es bei Wallisch der Fall war.
Hammer übernahm von da an den Kampf, da er weit mehr Gefahr ausstrahlte, ohne dafür aber nennenswert härter arbeiten zu müssen als Wallisch. Ein Zusammenstoß der Köpfe in der Vierten hätte dabei fast das vorzeitige Ende gebracht, da der Ringrichter diesen zunächst fehlerhaft als Niederschlag gegen Wallisch deutete. Nach kurzer Verwirrung und einigen Aufregern in der Ecke von Wallisch ging der Kampf dann weiter. Wallisch war hier aber, Kopfstoß hin oder her, klar am Verlieren. Er ließ auch mittlerweile seine Linke gefährlich weit unten hängen. Das konnte nicht gut gehen. In der Fünften machte Hammer den Sack dann zu. Wallisch sackte an den Seilen zusammen und hatte keine Absicht und Energie mehr, um hier wieder aufzustehen. Hammer war klar überlegen!
Fornling setzt sich als Außenseiter durch und wird IBO-Champion
Es folgte der Co-Main Event. Ein Kampf um den IBO-Weltmeistertitel im Halbschwergewicht. Der Schwede Sven Fornling (14-1) gegen Deutschlands Karo Murat (32-3-1). Eine Begegnung, die eigentlich schon für den September diesen Jahres anberaumt gewesen war, aber kurzfristig ins Wasser gefallen war, als sich Murat im Sparring verletzt hatte. Der Kampf von Anfang an munter. Es setzte einen Niederschlag gegen Murat, als dieser zwei Hände auf dem Weg nach innen kassierte. Jedoch revanchierte er sich bereits in Runde eins, als er einen späten Niederschlag landete. Jedoch einen etwas verdächtigen, weil der Ringrichter gerade im Begriff gewesen war, einen Clinch zu unterbrechen und Fornling nicht auf den Schlag gefasst war. In der zweiten Runde war es dann eine wilde Prügelei. Doch Murat mit den härteren Treffern. Es schien unwahrscheinlich, dass es hier die Distanz gehen würde. In der Dritten ging der Schwede dann aber klugerweise mehr auf Distanz, was ihm entgegen kam. Wann immer Murat ihn an den Seilen stellte und traf, feuerte Fornling sogleich eine Vielzahl kleiner Hände dagegen, um sich im Gegenzug rausdrehen zu können.
Es war sich ein Aufeinandertreffen zwischen Boxer und Prügler. In Runde vier setzte sich dieses Schema fort. Fornling musste hier extrem aufmerksam bleiben, war aber weiterhin dann am wirksamsten, wenn er den Kampf auf Distanz hielt und Murat boxte. Fornling fortan mit dem Volumen auf seiner Seite. Aber Karo Murat blieb gefährlich, da er immer aus seinen Meidbewegungen heraus mit starken Haken drohte. In Runde fünf fing Fornling jedoch an, seinen Rhythmus zu finden. Allerdings würde ihn ein Weiterverfolgen dieser Strategie viel Luft kosten. Es war durchaus ein intensiver Kampf, den er hier bestreiten musste. Denn Murat setzte ihn mittels Vorwärtsbewegung ohne Unterlass unter Druck. Dieses Bild bestätigte sich auch weiterhin, als man auf halber Strecke in Runde sechs war. Zwar stellte Murat den Schweden oft genug an den Seilen, jedoch verweilte der dort nie lange und Murat verfehlte es, in diesen Situationen mit Kombinationen zu explodieren.
Fornling mit der besseren Kondition
In Runde sieben ließ sich Fornling etwas vermehrt auf In-Fights ein, wurde aber wieder von seiner Ecke rasch zur Ordnung ermahnt. Tatsächlich war es mittlerweile der Schwede, der nicht nur deutlich mehr, sondern auch zunehmend klarer traf. In der Achten erhärtete sich der Eindruck, dass Murat hier wirklich am Abbauen war. Weitgehend wirkungslos jagte er seinem Mann hinterher und hielt dabei auch nicht mehr konsequent die Hände oben. Fornling konnte ganze Serien zum Kopf bringen. Murat wirkte abgekämpft, wohingegen Fornlings Kondition bis hier hin ohne Fehl und Tadel war. Die Neunte bot mehr vom selben. Zu allem Überfluss schien auch noch die linke Hand von Murat beeinträchtigt. Zum Ende der Runde gab es dann Nicklichkeiten, als der Schwede provozierte und Murat einen absichtlichen Schlag klar nach der Glocke daraufhin abfeuerte. Murat mit der Frustration des Verzweifelten.
Der Schwede bestimmte den Kampf auch weiterhin. Zu diesem Zeitpunkt konnte kein Zweifel mehr bestehen, dass Fornling hier auf dem Weg zur Weltmeisterschaft war. Auch die Zehnte brachte er unter Dach und Fach. Umso verblüffender dann jedoch die elfte Runde, als Murat den Schweden plötzlich schwer traf. Allerdings brachte er im Eifer des Gefechts auch eine Hand zum Hinterkopf, wofür er einen Punkt abgezogen bekam - wohl auch aufgrund der Summe der Vergehen in diesem Kampf. Dies zu diesem Zeitpunkt jedoch eher Makulatur (da Fornling ohnehin überdeutlich führte). Auch in der Zwölften wollte Murat es noch einmal wissen und jagte dem KO nach. Jedoch war er zu abgekämpft, um diese Linie mit letzter Konsequenz zu verfolgen – auch wenn Fornling selber nun angeschlagen war. Der Schwede bekam den Sieg zu Recht zugesprochen und war von Tränen überwältigt, als er sich hier sein erstes Weltmeister-Gold sicherte!
Formella mit Pflichtsieg über Ushona
Zum Abschluss gab es dann noch einen Kampf für das Hamburger Publikum: „Hafen-Basti“ Sebastian Formella (19-0) traf auf Betuel Ushona (36-6-1) aus Namibia. Ein Kampf um irgendeinen neuen WBO-Titel im Weltergewicht (oder war es WBA oder WBC? ….. und wen interessiert das?). Gott sei Dank! Wir haben ja noch nicht genug! Obwohl der Kampf über die Distanz ging, ist er recht schnell zusammengefasst, da er im Verlauf extrem gleichförmig blieb. Der Kampf wurde technisch geführt.
Beide Kämpfer waren bestrebt, sich relativ schadlos zu halten, auch wenn der Output beider Kämpfer durchaus nicht klein war. Formella übte dabei den Vorwärtsdruck auf den Veteranen von 36 Lenzen aus. Dieser war aber durchaus selber noch flott unterwegs und auch ein etwas unorthodoxer Zeitgenosse, sodass Formella hier selber klug agieren musste. Er stellte ihn zumeist an den Seilen, wo er dann mehr Treffer verbuchen konnte. Insbesondere weil Ushona nicht allzu kombinationsfreudig wirkte. Technisch war es eine solide, wenn auch etwas biedere Vorstellung von Formella. Aber ein Weltmeisterkampf im Weltergewicht ist, gemessen an diesem Kampf, definitiv noch nicht in Schlagweite.