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Jermell Charlo verliert WBC-Weltmeisterschaft gegen Tony Harrison

Bildquelle: Undeviginti CC BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Im Barclays Center in Brooklyn, New York gaben sich gestern beide Gebrüder Charlo die Ehre. Außerdem war auch Dominic Breazeale am Start, der seinen Status als Pflichtherausforderer gegen Deontay Wilder zementieren musste. Insbesondere eingedenk dessen, dass Wilder wahrscheinlich erst einmal anderweitig zu tun haben wird.

Der Boxabend sollte sich als rechts spaßig und kurzweilig erweisen. Und das trotz dessen, dass beide Hauptkämpfe über die Distanz gehen sollten. Doch Spannung war in allen finalen Kämpfen des Abends allemal geboten.

Breazeale tut seine Pflicht – aber mehr auch nicht

Vor den beiden Hauptkämpfen wurde ein Kampf im Schwergewicht aufgefahren: Carlos Negron (20-1) aus Puerto Rico gegen Dominic Breazeale (19-1) aus den USA. Beides Boxer, die ihre Länder bereits bei Olympia vertreten hatten. Doch entgegen dem Klischee vom dekorierten Amateur gab es hier kein besonders technisch hochwertiges Boxen zu sehen. Stattdessen gab es einen Preiskampf, der eher von der Spannung lebte, dass hier beide jederzeit den Kampf beenden konnten. Denn beide Schwergewichte hatten erwiesenermaßen Power in den Händen. Doch technisch war der Kampf von Unsauberkeiten geprägt. Und durchaus auch von kleinen Unsportlichkeiten.

Dennoch kein langweiliger Kampf, da er für die Zuschauer durchaus Spannung bot. Breazeale nahm sogleich die Mitte und Negron nahm zumeist die Position außen in Kauf. Keiner der beiden Kämpfer wirklich besonders gut darin im Rückwärtsgang zu boxen – und das sah man auch. Denn wer immer nach vorne ging, landete vermehrt und riss ganz klar das Ruder an sich. In diesem Sinne war der Kampf in den ersten drei Runden ein relatives Hin und Her, wobei Breazeale, der hier als Favorit galt, jedoch mehr nach vorne ging. Zum Ende der Dritten hin dann eine unschöne Szene, als Breazeale ganz klar und mit voller Absicht nach dem Gong eine Führhand zum Gegner schlug. Wahrscheinlich aus Frust, weil Negron zum Ende der Dritten hin noch mal wirkungsvoll aufgedreht hatte. Hier hätte man einen Punkt nehmen können, sogar müssen! Doch es blieb nur bei der Verwarnung.

Ab Runde vier bekam Breazeale jedoch zunehmend die Kontrolle über diesen Kampf. Sein Output war einfach höher und Negrons Beinarbeit war defensiv nicht besonders gut. Vor allem hielt er immer sein Kinn weit oben und hatte die Neigung, mit dem Kopf voran in seine Attacken reinzugehen. In der Neunten wurden Tatsachen geschaffen, als Breazeale einen rechten Haken hinter das linke Ohr von Negron donnerte. Dieser ging daraufhin auf die Knie und wurde auch nur noch vom zweiten Ringseil gehalten. Sofort war klar, dass er nicht mehr hochkommen würde.

Breazeale ist der aktuelle Pflichtherausforderer von Deontay Wilder auf dessen WBC-Schwergewichtstitel. Allerdings müssen seine Ambitionen erst einmal hinten angestellt werden, denn im Frühjahr soll es wohl zur zweiten Auflage zwischen Fury und Wilder kommen, nachdem diese sich Unentschieden getrennt hatten. Und sollte Wilder das gewinnen, dann würde wohl schnellstmöglich der Kurs in Richtung Anthony Joshua gesetzt werden, was Breazeale, der hier zwar gewinnen aber nicht glänzen konnte, noch weiter auf die Hinterbank schieben würde.

Upset! Harrison besiegt Jermell Charlo!

Daraufhin folgte Tony Harrison (27-2) gegen Jermell Charlo (31-0), den ersten der beiden Charlo-Brüder, die an diesem Abend ihre Titel verteidigen mussten. Charlos WBC Super Weltergewichtstitel stand hier auf dem Spiel. Die ersten beiden Runden waren von gegenseitigem Abtasten geprägt, wobei Charlo mehr nach vorne ging. Harrison jedoch als langsamer Starter bekannt, der im Kampfverlauf zu erstarken neigt, wenn die Ausdauer zunehmend zum Faktor wird. Eine Qualität, die auch in diesem Kampf entscheidend zum Tragen kommen sollte.

Ab Runde drei wurde Harrison dann aktiver. Er fand zunehmend das Timing und die Reichweite für seine Führhand. Auch eine schöne Kombination zum Körper konnte er unter Dach und Fach bringen. In Runde vier war Harrison der aktivere und vor allem präzisere der Beiden. Runde fünf war dann eng. Harrison konnte hier wieder über das Volumen und einige klare Treffer kommen. Doch kurz vor dem Ende landete Charlo dann einen kräftigen Haken, den besten Treffer der Runde. Aber Harrison ließ sich nicht beirren und blieb auch in runde sechs der aktivere Mann mit guten klaren Treffern. Das alles, obwohl die Vorwärtsbewegung wesentlich mehr von Charlo ausging.

Ab Runde sieben legte Charlo dann eine etwas verschärfte Dringlichkeit an den Tag. Runde sieben und acht konnte er mit Aggression an sich reißen, da sich sein Vorwärtsschritt nun vermehrt in Treffer ummünzte. Jedoch schien Harrison alles in allem boxerisch überlegter, während Charlo vor allem über seine starke Physis kam und mit “Punches in Bunches“, die alle mit viel Panaché vorgetragen wurde, Eindruck schinden wollte. Runde neun konnte Harrison wieder mit seiner Führhand für sich verbuchen. Sein Jab war in diesem Kampf bestens etabliert! In den letzten drei Runden machte Charlos Ecke ihm Feuer unter dem Hintern. Es war zu diesem Zeitpunkt klar, dass dieser Kampf nicht so recht in seinem Sinne verlief. Er ging mit noch größerer Vehemenz voran und schmiss Faust um Faust. Das waren allesamt zwar schnelle Hände, aber sie wirkten verzweifelt und unkoordiniert. Allzu viel Deutliches traf dabei nicht, wohingegen Harrison immer wieder Nadelstiche im Konter und mit gut getimten Händen setzen konnte. Das war auch den Punktrichtern nicht entgangen, die Harrison nach zwölf Runden vorne sahen. Erfreulich! Denn sportpolitisch hatte man sich hier schon auf eine Entscheidung zugunsten des Hauses eingestellt, die man der Öffentlichkeit auch leicht hätte verkaufen können. Doch stattdessen gab es ein angemessenes Urteil.

Jermall Charlo gelingt die Titelverteidigung

Im Hauptkampf musste dann Jermall Charlo (27-0) ran. Er verteidigte seinen Titel gegen Matvey Korobov (28-1). Und zwar ging es um den interimsmäßigen WBC-Mittelgewichtstitel. Hier strauchelte auch Charlo Numero zwei zunächst. Möglicherweise wog noch die unverhoffte Niederlage seines Bruders auf seinen Schultern. Aber auch, dass Korobov ein Ersatzgegner mit gerade einmal einer Woche Vorlauf war, entpuppte sich hier möglicherweise als Wildcard. Eine solche Situation ist immer riskant für beide Kämpfer, da kaum eine ernsthafte, auf den Gegner zugeschnittene Vorbereitung möglich ist. Und es sollte eine umkämpfte Angelegenheit werden! Denn Korobov präsentierte sich hier mutig und durchaus nicht ungefährlich. Nacht acht Runden hätte man ihm gar diesen Kampf geben können. Doch hinten raus riss Charlo das Ruder herum.

Der Kampf war dabei phasenweise wirklich wild. Boxerisch ansprechende Phasen und wilde Schlägereien lagen hier eng beieinander, sodass es ein attraktiver Kampf für die Zuschauer wurde. Charlo lag in der Zwölften wohl nur denkbar knapp in Front, machte aber in der letzten Runde dann alles klar, als er seine besten Treffer des Kampfes landete, die Korobov sichtbar erschütterten. Dieser schaffte es aber, bis zum Ende auf den Beinen zu bleiben, was nach diesem harten Kampf durchaus als Achtungserfolg anzuerkennen war. Charlo konnte sein Gold verteidigen, gab sich nach dem Kampf jedoch betrübt, dass leider nur er heute mit dem Titel nach Hause gehen konnte.

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