Perry Saturn heute

Was macht Perry Saturn heute?

Bildquelle: drdarindavis [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Jeder, der den Wrestling-Boom der 1990er bis frühen 2000er mitbekommen und als Fan aktiv verfolgt hat, weiß wahrscheinlich, wer Perry Saturn ist. Gleichwohl dieser bei WCW und WWF nie auch nicht annähernd über die Midcard hinauskam, war er als technisch starker Wrestler respektiert. Ferner bleib er durch einige wilde Gimmicks in Erinnerung, die ihn nicht gerade in ein vorteilhaftes Licht rückten, aus denen er aber (den Umständen entsprechend) wohl das Beste rausholte.

Was vielen Fans damals wie heute aber wohl nicht bewusst war, waren die massiven Drogenprobleme von Perry Saturn. Die Wrestler der 80er und 90er Jahre waren diesbezüglich ja ohnehin keine Kinder von Traurigkeit. Doch Perry Saturn war stark von Opiaten abhängig und gab Unmengen Geld für Drogen aus. Verletzungspech und zwei Schusswunden am Ende seiner aktiven Karriere überließen ihn endgültig seinen Dämonen, sodass Perry Saturn für rund fünf bis sechs Jahre von der Bildfläche verschwand. Selbst viele seiner engsten Freunde gingen vom Schlimmsten aus. Doch Perry Saturn war keineswegs tot. Er war obdachlos. 2010 kam er zurück.

Fünf Jahre Indy-Wrestling

Perry Arthur Satullo ging mit 17 zur Armee und blieb vier Jahre lang dabei. Dort bestand er die US Army Ranger School. Ferner machte er einen Bachelor, ehe er sich dem Wrestling zuwandte. 1990 ging er in die Schule des legendären Wrestling-Heels Killer Kowalski (der auch Triple H ausbildete). Dort nahm er den Namen des römischen Gottes Saturn an, ehe daraus Perry Saturn wurde. Im Oktober 1990 debütierte er bei Jerry Jarretts USWA. Ferner wrestelte er auch in der IWF, der Promotion von Killer Kowalski. Dort hatte Perry Saturn jedoch das Gimmick eines Cowboys und konnte sich einen ersten Singles-Titel in der leichteren Gewichtsklasse sichern. Anschließend tourte Saturn durch unterschiedliche Indy-Promotions in den USA sowie nach Japan. 1992 trat er als Jobber bei der WWF auf.

Als Perry Saturn in einem Nachtclub arbeitete, traf er auf den Türsteher George Caiazzo. Dieser wollte selber ebenfalls Wrestler werden und Saturn vermittelte ihn an die richtige Adresse. Caiazzo wurde schließlich zu John Kronus. Er und Perry Saturn formten das Tag Team „The Eliminators“. Gemeinsam konnten sie kurzzeitig die USWA Tag Team Titel halten und tourten weiterhin für kleines Geld in den Indies herum. Auch in Japan traten sie in einer kleineren Promotion (Wrestle Association „R“) als Tag Team auf.

Durchbruch als Tag Team

Bessere Zahltage sollten kommen, als die Eliminators 1995 die Aufmerksamkeit vom ECW-Chef Paul Heyman erregten. Nachdem sie den Steiner Brothers in der ECW unterlegen waren, entschloss Heyman sich, die Eliminators dauerhaft zu engagieren und die Tag Team Division seiner aufsteigenden ECW um diese beiden aufzubauen. In der damaligen Kult-Attraktion ECW wurden die Eliminators dreifache Tag Team Champions und bekämpften sich mit anderen bekannten ECW Tag Teams aus jener Zeit. Darunter die Pitbulls, die Dudleys sowie die Gangsters. Im Laufe einer Tag Team Fehde gegen die Pitbulls wurde Perry Saturn kahl geschoren, was fortan sein Look bleiben sollte. Diese vermeintliche Bestrafung diente jedoch nur dazu, sein ohnehin lichter werdendes Haar loszuwerden.

Die Zeit als Tag Team Ass in der ECW war wohl Perry Saturns beste Zeit. Ausgerechnet im diesbezüglich berüchtigten Umkleideraum der ECW hatte Saturn seinen Drogenkonsum relativ gut im Griff. Dies zeigte sich auch daran, dass er selber teilweise als Trainer für neue Wrestler fungierte, was ihm viel Lob und Anerkennung brachte, da er als ein Coach mit Blick für die essenziellen, wichtigen Dinge galt. Doch dann schlug das Verletzungspech zu. In einem Match mit den Dudleys landete Saturn ungünstig auf einer Krücke im Ring und erlitt einen Kreuzbandriss. Die von den Ärzten vorgeschriebene Rehabilitationszeit sollte bis zu einem Jahr betragen.

Eskalierende Drogenprobleme in WCW und WWF

Perry Saturn kehrte jedoch deutlich früher in den Ring zurück, musste aber seinen Wrestling-Stil sichtbar entschleunigen. Er wurde mehr zu einem Mattenwrestler und Brawler. Just in dieser Zeit kam ein Vertragsangebot von der WCW, das wohl um in Vielfaches lukrativer gewesen sein muss als alles, was Saturn bis dahin unterzeichnet hatte. Er nahm das Vertragsangebot an, was allerdings auch den Split der Eliminators mit sich brachte.

 

 

In der WCW wurde Saturn Teil des Raven‘s Flock, ein Stable um den Wrestler Raven, ein alter Bekannter aus ECW-Tagen. Diese Konstellation sollte sich in mehr als einer Hinsicht problematisch für Perry Saturn erweisen. Zum einen wurde das Raven‘s Flock in der WCW hoffnungslos unter Wert gehandelt. In Singles-Matches verloren die Mitglieder des Flocks so gut wie immer, obwohl die Gruppierung, bestehend aus Misanthropen im Grunge-Look, gut bei den Fans ankam. Dadurch wurde auch Perry Saturn irgendwo im unteren Bereich der Card festgenagelt, gleichwohl eine Fehde zwischen ihm und Raven, welche Saturn für sich entscheiden konnte, dem Flock ein Ende setzte. Bis heute gilt das Raven‘s Flock als eine der am offensichtlichsten verpassten Gelegenheiten im diesbezüglich dicken Katalog der WCW.

Hinter den Kulissen waren Raven und Saturn gute Freunde. Vor allem waren beide dafür berüchtigt, sehr viel zu feiern. So kauften beide gemeinsam Unmengen an Ecstasy und verteilten die Pillen freizügig an ihre Kollegen. In dieser Zeit begann Saturns Drogenkonsum, ernsthaft zu eskalieren. Allerdings hatte er mit Dean Malenko noch einen anderen alten Bekannten aus der ECW um sich, der immer sehr solide lebte und der Saturn wenigstens noch teilweise in dessen Schranken verwies. Dennoch hatte Saturn in der WCW vier positive Drogen-Screenings. Als die Verantwortlichen zu ihm sagten, er müsse aufhören, diese Tests zu versemmeln, erwiderte er einfach, dass sie dann aufhören müssten, ihn zu testen. Er wurde von da an nie wieder in der WCW getestet.

Saturn wird Teil des großen WCW Midcard Exodus

Überwiegend versauerte Saturn in der WCW Midcard, galt aber im Ring als zuverlässiges Paar Hände, da er technisch stark war und über Power verfügte. Auch seien Bereitschaft, für andere zu jobben und selbst alberne Gimmick-Ideen mitzugehen, gereichte ihm zum Vorteil. So war er im Rahmen eines verlorenen Matches gegen Chris Jericho gezwungen, für die nächsten 90 Tage ein Kleid zu tragen. Doch Perry Saturn toppte das noch, indem er in der Folge zu einer brutalen Drag-Queen im Lack- und Leder-Look wurde, sich gelbe Kontaktlinsen einsetzte und im Ring weiterhin als kleines Kraftpaket auftrat. Ein Look, der eigentlich albern wirken sollte, wurde so zu einem Gimmick, das bestens funktionierte. Später revanchierte er sich bei Chris Jericho in einem Dog Collar Match, in dem beide mittels einer Hundekette aneinander gekettet waren.

Im Vorfeld der Jahrtausendwende begannen immer mehr verdiente WCW-Midcarder, sich von der WCW abzuwenden. Da der Main Event chronisch von denselben Leuten besetzt blieb und die kreative Abteilung der WCW selbst mit wechselnder Besetzung nicht fähig war, Talente in den Main Event zu hieven, wandten sich immer bekannte WCW Wrestler ab und sattelten zur WWF über, die nun auch im Quotenkrieg zunehmend die Oberhand innehatte. Gemeinsam mit Dean Malenko, Eddie Guerrero und Chris Benoit verließ Perry Saturn die WCW. Eben diese Vier wurden dann Anfang 2000 in der WWF als die “Radicalz“ eingeführt. Ein Heel-Stable, das zunächst Triple H zur Hilfe kam.

WWF-Run wird zur Lachnummer

Die Radicalz blieben jedoch nicht lange zusammen. Nach einer Fehde mit Too Cool, begann sich das Stable sukzessive aufzulösen. Lediglich zu einem späteren Survivor Series Match gegen D-Generation X sowie zu einer Fehde gegen die Hardy Boyz würde das Stable teilweise bis gänzlich noch einmal zusammenfinden. In der Zwischenzeit konnte Perry Saturn einmal kurzfristig den WWF European Titel halten. Ansonsten war er aber eher in Hardcore Matches aktiv. Auch den WWF Hardcore Titel sollte er zweimal halten.

Perry Saturn fiel bei der WWF jedoch in Ungnade. In einem Match gegen den Jobber Mike Bell (bekannt auch aus der Steroid Dokumentation von dessen Bruder: Bigger, Faster, Stronger), versaute dieser einen Move, sodass Saturn auf dem Kopf landete. Dieser rastete daraufhin aus und vermöbelte Mike Bell wirklich. Er schmiss ihn extrem unsanft aus dem Ring, sodass Mike Bell ebenfalls auf dem Kopf landete. Dieses unprofessionelle Verhalten brachte Perry Saturn (wohl zur Bestrafung) eine Storyline ein, in der er den zunehmend Verwirrten spielen musste. Nachdem er selber einige (choreografierte) Kopftreffer in Matches gegen die APA (Acolytes Protection Agency bestehend aus Bradshaw und Faarooq) und seinen alten Kumpel Raven hinnehmen musste, begann er immer verwirrteres Zeug zu reden.

 

 

Dies ging soweit, dass er anfing, sich mit einem Wischmopp zu unterhalten, sich in diesen verliebte und ihn seiner Onscreen-Freundin und Managerin, Terri Runnels, vorzog. So wurde der Wischmopp Teil seines Gimmicks und es drehte sich gar eine Fehde darum, diesen Wischmopp zu rächen, als dieser von Raven in einem Holz-Schredder zu Sägemehl verwandelt wurde. Allerdings muss man Perry Saturn zugutehalten, dass er diese Rolle voll und ganz mit Leben gefüllt hat. Er war sich wirklich für nichts zu schade!

Erneute Verletzung sowie ein beherztes Eingreifen besiegeln Absturz

2002 verletzte sich Perry Saturn erneut am Kreuzband. Die WWF entließ ihn daraufhin. Abseits von einigen Engagements bei TNA und in Japan war Perry Saturn bis 2004 wieder in den Indies unterwegs. Sein Drogenkonsum war seit seinen WWF-Tagen vollends eskaliert. War er ehedem noch wenigstens in seinem Matches und Interviews nüchtern geblieben, wurde er in der WWF immer enthemmter. In einem Interview Jahre später staunte Perry Saturn darüber, wie er damals überhaupt funktionieren konnte und wie dies scheinbar niemandem aufgefallen war.

2004 wandte er sich dann vom Wrestling ab. Im April des besagten Jahres griff Perry Saturn heldenhaft ein, als eine Frau im Begriff war, von zwei Männern vergewaltigt zu werden. Perry Saturn schob diese von der Frau, woraufhin einer direkt floh, der Andere jedoch zog eine Waffe und schoss Perry Saturn in Nacken und Schlüsselbein. Als Saturn vor Schmerz zu Boden ging, konnte er den Schützen noch mit einem Messer, dass er bei sich führte, erwischen. Die Polizei stellte die Täter. Zu diesem Zeitpunkt war sich Saturn, offensichtlich im Schockzustand, gar nicht bewusst, dass auf ihn geschossen worden war. Erst auf Drängen der Polizei ging er ins Krankenhaus. Dort musste extra ein Fachmann eingeflogen werden, da entzündliche Prozesse den angeschossenen Nacken so anschwellen ließen, dass dieser auf die Wirbelsäule von Saturn drückte.

 

 

Danach ging Perry Saturn richtig vor die Hunde. Zu Hause zur Untätigkeit verdammt, verfiel er immer weiter den Drogen, die ihn ohnehin schon stark im Griff hatten. Allem voran den Opiaten (in Form diverser Schmerzmittel) war er absolut verfallen. Doch dann kam eine Droge dazu, die laut Saturn alles noch viel schlimmer machen sollte: Crystal Meth.

Für Jahre verschwunden

Ohne Einkommen und Geld für Drogen ausgebend wurde Perry Saturn in kurzer Zeit von einem ehemals gut verdienenden Wrestler zum Obdachlosen. Seine Obdachlosigkeit war aber auch dem Umstand geschuldet, dass er nicht wollte, dass ihn seien Freunde und Bekannten so sehen. Bis 2010 verschwand Perry Saturn buchstäblich von heute auf morgen von der Bildfläche. Seine Identität verleugnete er, wen ihn Fans auf der Straße erkannten. Er war für Jahre obdachlos auf den Straßen von Georgia, Iowa und Minnesota. Nur sehr wenige Eingeweihte wussten über sein Los. Darunter der ehemalige Wrestling-Manager Sonny Onoo, bei dem er phasenweise unterkam.

Allerdings konnte Saturn nirgends dauerhaft bleiben, da er zu oft rückfällig wurde. Rund zweieinhalb Jahre war er auf der Straße und hoffnungslos den Drogen verfallen. Weitere zweieinhalb Jahre sollte seine Genesung dauern, die von gelegentlichen und zunehmend selteneren Rückfällen unterbrochen wurde. 2010 meldete er sich clean zurück und es Bestand endlich Klarheit darüber, was mit ihm in den Jahren zuvor los gewesen war. Er kehrte gar kurz in den Ring zurück und zeigte noch einige Matches in den Indies.

Doch hielt das Leben noch einen weiteren Schicksalsschlag für ihn bereit. 2016 gab Perry Saturn bekannt, an CTE zu leiden. Dabei handelt es sich um eine degenerative Hirnerkrankung, die über kurz oder lang zuverlässig in eine Demenz mündet. Das Ganze ein Resultat der Gehirnerschütterungen, die seine Karriere als Wrestler wohl mit sich gebracht hat. Allerdings zeigte sich Perry Saturn bei seinen letzten Auftritten in der Öffentlichkeit immer noch geistig sehr klar und gab bekannt, dass seine Form von CTE bislang sehr mild verlaufe.

Dennoch ist es von tragischer Ironie, dass der Mann, der einst den geistig Verwirrten zur Erheiterung des Publikums spielen musste, ein solches Abschiedsgeschenk mit auf den Weg bekommen hat. Heute ist Perry Saturn als Trainer für junge Talente bei der WWE angestellt (Stand Oktober 2019).


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