Tour de France 2020: Tadej Pogacar gewinnt sensationell die Tour de France
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Die 16. Etappe führte von La Tour-du-Pin nach Villard-de-Lans und stellte die erste von drei aufeinanderfolgenden Bergetappen dar. Allerdings war das Finale eine Bergankunft der dritten Kategorie, der ein flaches Teilstück vorausging. Kein Grund also für die Klassement-Fahrer, hier Gas zu geben. Es schlug daher die Stunde der Ausreißer, die sich in großer Zahl fanden. Unter ihnen Namen, wie Richard Carapaz, Pierre Rolland, Lennard Kämna, der Schweizer Meister Sebastian Reichenbach und Julian Alaphilippe. Auch Simon Geschke versuchte abermals sein Glück.
Das entspannt radelnde Peloton war bereits ab Mitte der Etappe auf über 10 Minuten distanziert. Der Etappensieger würde aus der Ausreißergruppe kommen. Dort setzte sich der deutsche Radsportler Lennard Kämna durch, der mehreren Attacken von Richard Carapaz am vorletzten Berg folgen konnte und sich so mit einem Etappensieg belohnte. Pierre Rolland zog indes punktgleich in der Bergwertung mit Benoit Cosnefroy. Als die Favoriten-Gruppe rund eine Viertelstunde später ankam, gab es einige kleine Geplänkel der Klassement-Fahrer – jedoch ohne echte Konsequenz.
Die Königsetappe steht an!
Die 17. Etappe von Grenoble nach Col de la Loze galt als Königsetappe der Tour de France 2020. Sie bestand aus zwei Bergwertungen der höchsten Kategorie, wovon die letztere eine Bergankunft war. Hier waren nicht nur die Klassement-Fahrer gefragt. Es gab auch einen Haufen Bergpunkte zu holen, da diese Bergankunft, analog zur Kategorie, das Doppelte an Punkten abschmeißen sollte. Es war also von vornherein klar, dass es nicht an ambitionierten Ausreißern fehlen würde.
Es formte sich ein durchaus respektables Quintett bestehend aus Dan Martin, Gorka Izagirre, Julian Alaphilippe, Richard Carapaz und dem Etappensieger des Vortags – Lennard Kämna. Keiner von ihnen war jedoch nah genug an der Spitze des Gesamt-Klassements dran, sodass das Feld sie gewähren ließ und die Gruppe mit sechs Minuten Vorsprung an den Col de Madeleine heranfuhr. Dieser die erste der beiden Höchstkategorie und eine Art Institution im Programm der Tour de France.
Bahrain McLaren macht Druck
Dieser Vorsprung schmolz jedoch dahin, als Team Bahrain McLaren im Feld an die Spitze fuhr und das Tempo anzog. Das Ganze in Diensten von Team-Kapitän Mikel Landa, der vielleicht noch mit dem Podium liebäugelte. Lennard Kämna konnte bei den Ausreißern nicht mehr mitgehen und fiel zur stetig schrumpfenden Gruppe um die Favoriten zurück. Unter den vier verbliebenen Ausreißern setzte sich Carapaz im Spurt über den Pass durch und sicherte sich die 20 Punkte für die Bergwertung. Die Ausreißer nur noch mit knapp 90 Sekunden Vorsprung.
In der Abfahrt ließ Dan Martin abreißen und fiel ins verbliebene Feld zurück. Derweil warf Julian Alaphilippe seine Qualitäten als Abfahrer in die Waagschale und zog das Tempo an. Die Ausreißer kamen zu dritt und mit knapp zwei Minuten Vorsprung am Fuße zum Aufstieg des Col De La Loze an. Dieser stellte nicht nur das Dach der diesjährigen Tour de France dar. In der Tat handelte es sich um die bis dahin vierthöchste Zielankunft in der Geschichte der Tour de France! In den letzten Kilometern lauerten überdies Steigungen von bis zu 24 Prozent.
Lopez ist lachender Dritter
Bahrain McLaren leistete nach wie vor die Tempoarbeit im Feld. Sowohl in der Gruppe um die Klassement-Fahrer als auch bei den Ausreißern rollten nun Köpfe. Und Bahrain McLaren verpokerte sich, denn als es in die finalen Kilometer ging, musste Mikel Landa abreißen lassen. Der Drittplatzierte Rigoberto Uran kam ebenfalls unter die Räder, was Miguel Ángel Lopez auf den Plan rief, der nun nach dem Podium griff. Nach zwei Attacken fuhr er vorneweg und holte Richard Carapaz ein, der sich als letzter Ausreißer bis zuletzt beherzt dagegenstemmte.
Nur Primoz Roglic, Tadej Pogacar und Roglics Helfer Sepp Kuss konnten einigermaßen folgen. Lopez gewann die Etappe und konnte sich Platz drei im Klassement sichern, während Rigoberto Uran einige Plätze verlor. Danach kam Primoz Roglic ins Ziel, der einige Sekunden auf Tadej Pogacar gut machen konnte. Dieser wurde Etappen-Dritter und konnte sich mit der Übernahme des Bergtrikots trösten. Es schien, dass Roglic hier eine wichtige Vorentscheidung im Kampf ums gelbe Trikot gelungen war. Für das Zeitfahren am Samstag war er nun glänzend positioniert.
Team Ineos erkämpft sich ein Trostpflaster
Etappe Nummer 18 stellte die letzte Bergetappe dar und führte von Méribel nach La Roche-sur-Foron. Im Streckenverlauf standen unter anderem zwar zwei erste Kategorien sowie eine Höchstkategorie an. Doch nach der letzten Bergwertung sollte die Route zum Ziel auf den letzten rund 40 Kilometern überwiegend in Abfahrten verlaufen. Es war dementsprechend unwahrscheinlich, dass die Klassement-Fahrer hier große Lücken zueinander schlagen würden.
Entsprechend fanden sich Ausreißer in großer Zahl. Darunter zum dritten Mal in Folge Richard Carapaz, der in dieser Etappe nicht nur das Bergtrikot übernehmen konnte sondern endlich seinen dritten ambitionierten Fluchtversuch in Serie mit der Zielankunft vor den Anderen belohnen konnte. Zwar gewann technisch gesehen Ineos Teamkollege Michal Kwiatkowski, mit dem Carapaz solidarisch gemeinsam über die Ziellinie fuhr. Aber symbolisch war es durchaus ein Sieg für den emsigen Richard Carapaz und ein Bisschen Wiedergutmachung für Team Ineos.
Letzter Stand-Off um das grüne Trikot
Die 19. Etappe von Bourg-en-Bresse nach Champagnole stellte noch einmal eine Flachetappe für die Sprinter dar und war somit, abgesehen vom Finish in Paris zwei Tage später, die letzte Gelegenheit im Kampf ums grüne Trikot der Tour de France 2020 zu taktieren. Jedoch hatte Sam Bennett nach wie vor eine recht komfortable Führung mit 298 Punkten inne. Über 50 Punkte mehr als Peter Sagan, der in diesem Ranking an zweiter Stelle lag (mit 246 Punkten). Auch Matteo Trentin war mit 235 Punkten noch recht stark – alle dahinter hatten deutlich weniger Punkte.
Es kam zum erwarteten Tauziehen zwischen Ausreißern, die noch auf einen späten Etappensieg hofften und den Teams der Sprinter, die das Feld antrieben. Ein erster Tross Ausreißer konnte noch inmitten der Etappe gestellt werden. Doch als prompt weitere Attacken folgten, gingen die Aspiranten für das grüne Trikot selbst in die Offensive. Sagan, Trentin und Bennett waren nun alle selbst Teil einer Ausreißergruppe. Darunter auch der deutsche Radrennfahrer Nikias Arndt.
An einem Anstieg 15 km vor dem Ziel griff Trentin an, doch es war Søren Kragh Andersen, der mit einer anschließenden Konterattacke seinen Etappensieg Nummer zwei bei dieser Tour klar machen konnte. Die restlichen Ausreißer kamen, ohne wesentliche Zeitdifferenzen zueinander, gestaffelt nach ihm an. Das grüne Trikot würde also aller Voraussicht nach nicht mehr von Sam Bennetts Schultern zu reißen sein.
Hoch hinaus im Zeitfahren
Der 20. Renntag bescherte den letzten potenziellen Showdown sowie die finale Chance für Fahrer in den oberen Rängen, sich eine noch bessere Position zu sichern. Es ging ins rund 36 Kilometer lange Einzelzeitfahren von Lure nach La Planche des Belles Filles. Ein anspruchsvolles Zeitfahren, das in den letzten knapp sechs Kilometern in eine Bergankunft der 1. Kategorie überging, die stellenweise Gradienten von 20% Steigung enthalten würde!
Es war somit ein Zeitfahren, bei dem sich auch Kletterer etwas ausrechnen konnten und eine Frage der Taktik: Konstant hohes Tempo kurz vor Anschlag oder aber smarte Krafteinteilung, um möglicherweise am Berg Zeit auf andere gut zu machen? Konventioneller Einschätzung nach konnte der Mann im gelben Trikot der Tour de France, Primoz Roglic, als Favorit gelten, seinen knapp einminütigen Vorsprung zu verteidigen. Denn das Zeitfahren galt als Paradedisziplin von Primoz Roglic. Allerdings war die unorthodoxe Streckenführung eine echte Wildcard.
Tadej Pogacar schafft die Sensation!
Allen Prognosen zum Trotz entriss Tadej Pogacar im Zeitfahren Primoz Roglic mit beeindruckender Deutlichkeit das gelbe Trikot! Hatte Primoz Roglic noch vor dem Zeitfahren 57 Sekunden Vorsprung gehabt, so stand er anschließend im Gesamt-Klassement 59 Sekunden hinter Tadej Pogacar. Dadurch, dass Pogacar auch im letzten Abschnitt des Zeitfahrens, eine Bergwertung der 1. Kategorie, am schnellsten war, sicherte er sich überdies das Bergtrikot. Und das alles neben dem weißen Trikot, dass der 22-jährige Slowene als bester Jungfahrer ohnehin schon innehatte.
Hier zeigte sich, wie sehr Primoz Roglic bis dahin von seinem bärenstarken Team getragen worden war. So fuhren auch seine Teamkollegen Wout Van Aert und Tom Dumoulin Spitzenzeiten ein. Doch im Zeitfahren ist jeder allein. Und da offenbarte sich Tadej Pogacar, der in den entscheidenden Bergetappen fast immer auf sich allein gestellt gewesen war, sich als der deutlich stärkere Fahrer, dessen Zeit, die aller anderen übertraf! Ein weiterer Gewinner des Tages war Richie Porte, der sich mit einer starken Zeit aufs Podium der Tour de France 2020 durchkämpfen konnte.
Abschluss in Paris
21. und letzte Etappe! Der obligatorische Ritt nach Paris zur Zieleinfahrt auf dem Champs Elysee stand an. Wie üblich radelte das Feld gemütlich dahin und es wurden keine Trikots mehr angegriffen, zumal es da rechnerisch in keiner der Kategorien noch irgendwelche Zweifel gab. Alle Gewinner waren recht eindeutig.
Bei noch 40 zu fahrenden Kilometern fanden sich mit dem deutschen Radsportler Max Schachmann, Greg Van Avermaet, Conor Swift und Pierre Luc Perichon die Ausreißer des Tages. Doch am Ende sollte es, wie üblich in Paris, ein Massensprint werden. Hier unterstrich Sam Bennett eindrucksvoll sein grünes Trikot und kam vor Radsportweltmeister Mads Pedersen und vor Peter Sagan als Erster über die Ziellinie.
Resultate Tour de France 2020
Gesamt-Klassement (gelbes Trikot)
Rang eins: Tadej Pogacar
Rang zwei: Primoz Roglic + 0,59
Rang drei: Richie Porte + 3,30
Punktewertung (grünes Trikot)
Rang eins: Sam Bennett mit 330 Punkten
Rang zwei: Peter Sagan mit 264 Punkten
Rang drei: Matteo Trentin mit 260 Punkten
Bergwertung (gepunktetes Trikot)
Rang eins: Tadej Pogacar mit 82 Punkten
Rang zwei: Richard Carapaz mit 74 Punkten
Rang drei: Primoz Roglic mit 67 Punkten
Bester Jungfahrer (weißes Trikot)
Tadej Pogacar
Kämpferischster Fahrer
Marc Hirschi
Sieger der Team-Wertung
Team Movistar