Dominic Bösel bleibt EBU-Europameister nach Sieg über Enrico Kölling
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In der ausverkauften Stadthalle in Weißenfels wohnten 4.000 Boxfans einem Titelkampf zwischen Herausforderer Enrico Kölling (26-2) und Titelverteidiger Dominic Bösel (27-1) bei. Es ging um den europäischen Titel im Halbschwergewicht (EBU). Ein Gürtel mit Tradition, den auch Max Schmeling seinerzeit getragen hat! Übertragen wurde das Ganze im MDR. Was sofort ein wenig sauer aufstieß, war eine Moderation, die scheinbar direkt dem ZDF Fernsehgarten entlehnt war und völlig deplatziert wirkte.
Mit lustigen Fanklubs und dumpfen an die Trainer gerichteten Fragen zur Taktik, während diese sich in den Katakomben direkt gegenüberstehen. Wenig überraschend waren die Antworten absolut nichtssagend. Denn der Feind hörte ja offensichtlich mit. Ein Zusammenhang, der sich den Sportjournalisten beim MDR scheinbar nicht erschloss.
Die Kollegin Moderatorin überreichte noch feierlich einige Gummibärchen an den Kommentator, die dieser publikumswirksam verzehren musste, um ein feierliches Urteil über den Geschmack abzugeben. Wirklich putzig! Genau das wollen Boxfans sehen - oh Mann. Fremdschäm-Faktor = unendlich! Boxen/boxen geht anders und das auch im Fernsehen!
Als Titelkampf war diese Auseinandersetzung wie gehabt auf 12 Runden angesetzt. In der Ecke von Dominic Bösel stand dessen Jugendtrainer Rainer Rauchfuß, der seinen ersten Profikampf betreute. Und das gleich um die Europameisterschaft im Halbschwergewicht! Bösel hatte seinen alten Mentor aufgesucht, da er nach seiner Niederlage gegen Karo Murat einige Dinge neu adressieren wollte und sich dann an seinen Jugendcoach erinnerte, zu dem er auch heute wohl noch einen guten Draht hat. Es sollte nicht schaden! Der Kampf übrigens auch mit Blick auf die Weltranglisten nicht ohne Gewicht. Beide Kontrahenten waren vor dem Kampf unter den Top 10 der IBF-Halbschwergewichte gelistet!
Kölling zunächst passiv - Bösel agierte smarter
Kölling ließ Bösel arbeiten, überließ ihm die Mitte und begab sich bereitwillig an die Seile. Der Herausforderer ließ den Titelverteidiger gewähren und wollte wohl sein Timing evaluieren. Nur gelegentliche wilde Schwinger unterbrachen das defensive Einigeln von Kölling. Die zweite Runde bot diesbezüglich mehr vom Selben. Allerdings Enrico Kölling mit etwas mehr Vorwärtsbewegung seinerseits. Doch lud er Bösel weiter ein. In der anschließenden Pause wurde Kölling dann von seiner Ecke aufgefordert, mehr zu tun und mehr zum Körper zu arbeiten. In der Folge konnte Kölling ein paar Treffer landen. Doch Bösel, nach wie vor mit mehr Output, hatte seine Führhand etablieren können, im Gegensatz zu Kölling. Der Preis der anfänglichen Passivität!
In der vierten Runde wurde es etwas ruppiger, ohne dass sich Wesentliches an der Konstellation änderte und auch in der Fünften kämpfte Bösel weiterhin den smarteren Fight. Kölling oftmals mit zu durchsichtigen Power Punches, die Bösel nahezu immer kommen sah, sodass hier keine klaren Treffer resultierten. Das Volumen immer noch klar bei Bösel, da er seine Führhand wieder und wieder landen konnte. Bösel hatte folglich nach Ablauf der ersten sechs Runden klar die Nase vorne. Bei Kölling war kein übergeordnetes Konzept zu erkennen. Er war zu passiv, ohne jedoch wirkungsvoll zu kontern. Er fand einfach nicht in die Distanz. Doch dann kam eine gute siebte Runde, die man wohl ganz klar Kölling geben musste. Denn Bösel fing plötzlich an, sich auf Schlagabtausche einzulassen, die er bis dahin gut vermieden hatte.
Es wurde doch noch einmal spannend
Hatte Bösel zuvor noch mit Volumen und vielen Führhänden Druck gemacht, ohne dabei zu viel Pulver zu verschießen, ließ er sich nun auf abwechselnde Schlagabtausche mit Kölling ein, wobei Kölling zunehmend besser aussah. Sobald Kölling in die Nahdistanz kam, kam er immer öfter mit seinen Haken um die Deckung herum. Allerdings war er dazu meist darauf angewiesen, dass Bösel dass auch zuließ, was dieser aber auch tat. Auch die neunte Runde konnte man wieder Enrico Kölling geben. Bösels defensive Beinbewegungen waren nicht mehr so konzentriert wie zu Beginn und Kölling zeigte sich von dessen Treffern unbeeindruckt (beide Kämpfer sind nicht gerade als Knockout Artisten bekannt).
Dadurch fand Kölling sich in der Vorwärtsbewegung zunehmend ermuntert und bestätigt. Auch das Volumen von Bösel war in dieser Phase erheblich niedriger las zuvor, sodass der Herausforderer einiges an Boden gutmachen konnte. Dennoch ging es für Kölling, eingedenk seiner verhaltenen ersten sechs Runden (bei denen allenfalls die Zweite knapp war), jetzt um jede Runde! Die zehnte Runde war dann knapp, aber eher bei Kölling. Der Kampf nun wieder richtig eng! Einige von Köllings Treffern zeigten klar Wirkung. Die letzten beiden Runden nun mit entscheidendem Charakter! In der elften Runde wurde es dann ein offener Schlagabtausch. Das Volumen wieder bei Bösel, doch Kölling mit den härteren Treffern.
In der letzten Runde ging Kölling dann nicht mehr so stringent und klar nach vorne, wie es seine Ecke wohl gerne gesehen hätte. Bösel überdies auch wieder in dieser letzten Runde mit guter lateraler Beinarbeit, um sich nicht stellen zu lasen. Lediglich als er einmal in die Ecke gedrängt wurde, musste er sich eines “verloren gegangenen“ Mundschutzes bedienen, um dieser Situation zu entrinnen, was absolut nach Absicht aussah. Insbesondere weil er danach noch hämisch grinste. Das Volumen in der letzten Runde wieder bei Bösel.Die Punktrichter entschieden letztlich auf 115:113; 118:111 und 116:113 zugunsten von Dominic Bösel, wobei man sich fragen muss, welchen Kampf der Kampfrichter mit der schmeichelhaft deutlichen 118:111-Wertung gesehen hat.